Unser Kind ist krank – und der Alltag gerät aus den Fugen

Dr. Wilfried Schnepp und Bettina Hübner

Es müssen nicht die wirklich tragischen und bedrohlichen Erkrankungen eines Kindes sein, die hohe Anforderungen an Eltern und Geschwister stellen. Nein, die ganz normalen und erwartbaren Krankheiten reichen aus, damit der Alltag schon mal etwas aus den Fugen gerät. Masern, Windpocken, Röteln, eine schwere Erkältung, Fieber, Durchfall und Erbrechen stellen Eltern allesamt vor die Aufgabe, ihr krankes Kind zu pflegen – auch wenn die Erkrankung des Kindes eigentlich unpassend kommt, weil man auf der Arbeit gerade unabkömmlich ist, vielleicht eine Reise geplant hat, oder die Schwiegermutter ihren jährlichen Besuch angekündigt hat. Unser erster und ernstgemeinter Rat an Sie, liebe Eltern lautet: behalten Sie die Nerven, denn diese Situation ist wie sie ist und muss bewältigt werden.

Das erste, das Sie benötigen, ist Zeit für die Pflege Ihres Kindes. Berufstätige Ehepaare sollten die Frage klären, wer bei dem Kind zu Hause bleibt. Es müssen ja nicht beide sein und auch sicher nicht zwangsläufig immer die Mütter. Klären Sie Ihre gegenwärtigen Verpflichtungen und besonders die Erwartungen, die Sie an einander haben. Nichts ist mehr ein Grund für Streit als unerfüllte Erwartungen.

Alleinerziehende Eltern – Frauen und zunehmend auch Männer – stehen auf den ersten Blick alleine vor der Aufgabe, ihr krankes Kind zu pflegen. Aber ist das wirklich so? Fragen Sie sich, wo Sie soziale Unterstützung mobilisieren können, die Sie selbst entlasten könnte. Bedenken Sie aber auch die “Gegenseitigkeit” dieser Unterstützung. In einem Interview berichtete uns eine alleinerziehende Mutter, dass sie nicht gerne ihre Freundinnen – die auch alle Mütter sind – um Hilfe bittet: Die Freundinnen helfen wohl gerne, aber wenn sie selbst Hilfe gebrauchen, dann würden sie sich auch an sie wenden. Für diese alleinerziehende Mutter war dies eine hohe Belastung. Eltern, die hier auf die Unterstützung von Großeltern hoffen können, sollten sie auch akzeptieren. Vergessen Sie nicht, dass Großeltern dies alles selbst schon durchgemacht haben und über jene Erfahrungen verfügen, die Sie gerade sammeln.

Wichtig ist auch, dass sich berufstätige Eltern – hier besonders die alleinerziehenden Eltern – erkundigen, ob ihnen tariflich Sonderurlaub für die Pflege des kranken Kindes zusteht. Wenn ja, dann machen Sie davon Gebrauch. Hilfreich kann es auch sein, Ihre Krankenkasse anzurufen, denn es gibt immer noch die Freistellung von der Arbeit zur Pflege kranker Kinder.

Vorausgesetzt, dass es Ihnen gelungen ist, zu Hause bei Ihrem kranken Kind zu bleiben, was sollten Sie beachten? Nahezu alle Kinderkrankheiten gehen mit Fieber einher. Ihr Kind wird deshalb müde und “schlapp” sein und vermutlich ein erhöhtes Schlafbedürfnis haben, aber nicht zwangsläufig gut schlafen können. Sorgen Sie für Ruhe, wenn Ihr Kind schläft, und lassen Sie es nicht alleine, wenn der Schlaf durch häufige Wachphasen unterbrochen wird. Zwingen Sie Ihr Kind nicht, “das Bett zu hüten” – es sei denn, der Kinderarzt hält dies für unverzichtbar. Nehmen Sie Ihr Kind zu sich und richten Sie in den Räumen, in denen Sie sich aufhalten, “Schlafnester” ein. Bei Säuglingen und Kleinkindern bewährt es sich, das Kind im Buggy dorthin mitzunehmen, wo man selbst gerade ist und vielleicht Hausarbeiten verrichtet. Erinnern Sie sich daran, dass Sie als krankes Kind auf dem Sofa nahe bei Ihrer Mutter liegen durften? Haben Sie keine Angst, dass Sie Ihr Kind damit verwöhnen. Ganz im Gegenteil, Sie schaffen damit Sicherheit für Ihr Kind. Nichts ist heilsamer als die körperliche Nähe der Eltern. Denken Sie auch daran, dass das erhöhte Schlafbedürfnis besonders von Kleinkindern nicht gleich erkannt wird. Ein überdrehtes und “quengelndes” Kind kann müde sein, aber den Schlaf nicht finden. In diesem Fall sorgen Sie für Ruhe, singen Sie Schlaflieder und führen Sie die Einschlafrituale des Kindes durch.

Bemühen Sie sich, Ihr krankes Kind zu beschäftigen, aber bedenken Sie, dass sich die Kinder – abhängig von der Erkrankung und dem Lebensalter – vermutlich schlecht und dauerhaft konzentrieren können. Vorlesen, Hörspiele und Kuscheltiere im Bett erfordern weniger Anstrengung als ein Puzzle. Fragen Sie sich, welche Spiele auf Ihr Kind besonders entspannend wirken.

Wenn Sie sich Gedanken machen, wie Sie Ihr krankes Kind beschäftigen können, sollten Sie nicht die Beschäftigung mit Ihren anderen Kindern vergessen. Kranke Kinder erhalten viel Aufmerksamkeit und das ist auch gut so. Dies sollte aber nicht dazu führen, die Geschwisterkinder zu vergessen. Versuchen Sie sich Zeit für die “gesunden Kinder” zu nehmen, erklären Sie ihnen die Situation und lassen Sie sie bei der Pflege des kranken Kindes helfen. Denken Sie daran: Krankheit betrifft nicht nur das erkrankte Kind, sondern Sie alle – auch die gesunden Geschwisterkinder.

Darum geht es also, wenn Ihr Kind erkrank ist:

  • Schaffen Sie ein “Pflegearrangement” für die Versorgung des Kindes: Wer kann helfen? Wer tut was wann? Wie sind die Absprachen?
  • Behalten Sie die ganze Familie im Blick: sich selbst, die Geschwisterkinder, den Partner.
  • Orientieren Sie sich an den Bedürfnissen des kranken Kindes.
  • Vertrauen Sie auf Ihre elterliche Kompetenz.

Autor/in

Dr. Wilfried Schnepp und Bettina Hübner, BscN, cand. MScN, sind an der Privaten Universität Witten/ Herdecke, Lehrstuhl für familienorientierte und gemeindenahe Pflege.
 

Kontakt

Dr. Wilfried Schnepp
Universität Witten/ Herdecke
Lehrstuhl für familienorientierte und gemeindenahe Pflege
Stockumer Strasse 12
D – 58453 Witten

Tel.: 02302/669-358
Fax.: 02302/669-318

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Erstellt am 13. Februar 2004, zuletzt geändert am 2. März 2010

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