Gelingensbedingungen für den Aufbau einer erfolgreichen Begleitung von Familien an Grundschulen

Kompetenzteam „Frühe Bildung in der Familie“

Ungleiche Bildungschancen sind in Deutschland nach wie vor eng mit sozialer Herkunft verknüpft. Die Stärkung von Familien als Bildungsort stellt deshalb eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe dar. Dafür bedarf es vermehrter Unterstützung und Begleitung von Familien vor Ort. Während Begleitungsangebote für Eltern mit Kindern im Kita-Alter in Deutschland in den letzten Jahrzehnten verstärkt etabliert wurden (vgl. z.B. Bundesprogramme wie „Elternchance I und Elternchance II“ von 2011-2021), blieb der Schulbereich meist im Hintergrund. Erst seit einigen Jahren werden deutschlandweit verstärkt Ansätze an Grundschulen erprobt. Verschiedene innovative Projekte haben erste Erfahrungen zur Umsetzung einer elterlichen Bildungsbegleitung im Schulbereich gesammelt, durch die Familien mit Grundschulkindern mit passgenauen Angeboten besser erreicht und miteinander vernetzt werden sollen.

Die Studie „Begleitung von Eltern mit Grundschulkindern – Wie die Zusammenarbeit mit Familien gelingt“ (2022), welche vom Kompetenzteam „Frühe Bildung in der Familie“ an der Evangelischen Hochschule Berlin für das Bundesfamilienministerium durchgeführt wurde, bietet einen Überblick über entsprechende Ansätze und Erfahrungen aus Ländern und Kommunen. Sie belegt, dass die Institutionalisierung solcher Strukturen zwar vielerorts noch am Anfang steht, sich dennoch schon jetzt aus der Praxis wichtige Gelingensbedingungen und Impulse für die zukünftige Umsetzung ähnlicher Vorhaben ableiten lassen. Im Folgenden werden zentrale Erfahrungen der untersuchten Ansätze anhand von fünf Thesen kurz umrissen. Anschließend folgt ein kurzes Fazit.

1) In der Zusammenarbeit von Einrichtungen der Familienförderung und Grundschulen gilt es, die unterschiedlichen Strukturen und Handlungslogiken zu berücksichtigen.

Die Kooperationspartner:innen aus den unterschiedlichen Institutionen sehen sich mit jeweils verschiedenen Strukturen und Handlungslogiken konfrontiert. So unterscheiden sich vielfach das Bildungsverständnis von Familienförderung und Schule (informell versus formell) und die Organisationskulturen (partizipative Ausrichtung versus hierarchische Strukturen). Aufgrund dieser Differenzen weichen auch die Schwerpunkte der jeweiligen Angebotsformate von Schule und Familienförderung voneinander ab. Während Schulen vor allem auf Komm-Strukturen, wie z. B. Elternabende oder Informationsveranstaltungen vor Ort setzen, verfolgen Einrichtungen der Familienförderung verstärkt niedrigschwellig angelegte Angebote, um mit Eltern in Kontakt zu treten. Zur Etablierung einer erfolgreichen Zusammenarbeit gilt es, diese Unterschiede zu berücksichtigen. Zentral sind dafür vor allem ein offener, wertschätzender Umgang miteinander, ein konkreter Fahrplan für die Zusammenarbeit mit einer klaren Rollenverteilung sowie eine hohe Motivation der Schulleitung und aller beteiligten Akteur:innen.

2) Die Partizipation von Eltern stellt eine zentrale Grundlage für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Familien und Grundschulen dar.

Die Praxiserfahrungen belegen, dass der Partizipation der Eltern eine große Bedeutung zukommt, um neue Strukturen im tendenziell schwer zugänglichen „System Schule“ erfolgreich und langfristig zu etablieren. Durch den Einbezug der Eltern wird zum einen von Beginn an eine breite Legitimation des neuen Vorhabens geschaffen. Zum anderen werden Eltern zu Erziehungs- und Bildungspartner:innen im Schulkontext und als wichtige Ressource für die Schule anerkannt. Die Studie zeigt vielfältige Möglichkeiten der Elternpartizipation auf. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung stellt eine transparente Kommunikation und Adressierung der Eltern auf Augenhöhe dar. Außerdem gilt es nicht nur niedrigschwellige Angebote für Eltern zu unterbreiten, sondern sie ganz konkret aktiv miteinzubeziehen, etwa in die Bedarfsanalyse oder die Angebotsumsetzung. Wenn die Partizipation von Eltern gelingt, kann die Schule zu einem Lern- und Begegnungsraum für die ganze Familie werden.

3) Eine breite Angebotspalette und Niedrigschwelligkeit stellen wesentliche Faktoren für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Grundschulen mit Eltern dar.

Insbesondere für bisher schwer erreichbare Elterngruppen gilt es einen Zugang zur Institution Schule zu ermöglichen und eine „Willkommenskultur“ zu schaffen. Eine breit aufgestellte Angebotspalette ist zielführend, um den jeweils spezifischen Bedarfen von Eltern gerecht werden zu können. Niedrigschwelligen Angeboten kommt eine besondere Bedeutung zu. Um Eltern das Mitmachen zu erleichtern, setzen die Akteur:innen auf offene Formate, wie z. B. Elterncafés oder -frühstücke. Zudem stehen vor allem Aktivitäten im Fokus, bei denen sprachliche Kommunikation nicht im Vordergrund steht, wie Kochgruppen oder Bewegungsangebote. Zudem ist es wichtig, potentielle sprachliche Barrieren durch bspw. die Einbindung von Sprachmittler:innen in die Angebote zu berücksichtigen. Außerdem wird darauf geachtet die Angebote möglichst passgenau zu gestalten, etwa durch eine größere Varianz in den Angebotszeiten oder die Möglichkeit einer Kinderbetreuung. Um möglichst viele Eltern zu erreichen legen die Projekte weiterhin darauf Wert, nicht nur klassische Maßnahmen zur Information über die Angebotspalette, wie Programmhefte, Willkommensbriefe oder Informationen auf der Homepage der Schule zu nutzen, sondern Eltern auch persönlich anzusprechen, beispielsweise am Schultor oder bei Veranstaltungen im Sozialraum. So können Zugangshemmnisse abgebaut und die Verbindlichkeit einer Teilnahme an Angeboten erhöht werden.

4) Über Angebote zu den Themen Erziehung, Bildung und Spracherwerb erhalten Eltern wichtige Unterstützung für die erfolgreiche Begleitung ihrer Kinder auf deren Bildungsweg.

Die Projekte nutzen auch für Angebote zu Erziehung, Bildung und Spracherwerb oftmals niedrigschwellige Strukturen. Zur Weitergabe von bildungsbezogenen Informationen können offene Angebote wie Elterntreffs gut genutzt werden, in denen bei Bedarf familienbildende Themen besprochen werden. Darüber hinaus werden verbindlichere Angebotsformen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem individuelle Unterstützungs- und Beratungsangebote, wie wöchentliche Beratungsstunden für Eltern, in denen diskret über Probleme in der Schule gesprochen werden kann. Auch Informationsveranstaltungen zu Themen wie Bildungsübergänge werden angeboten. Weitere Angebote, die die kindlichen Bildungswege unterstützen sollen, sind unter anderem mehrteilige pädagogische Elternschulungen, in der die Schule ihr Konzept vorstellt und die Eltern als Mitverantwortliche für den Bildungserfolg ihrer Kinder von Beginn an adressiert werden, sowie Patenschaftsprojekte zwischen Grund- und Oberschule.

5) Eine starke Sozialraumorientierung erhöht die Sichtbarkeit der Angebote und stärkt die Verankerung von Familien vor Ort.

Eine starke Sozialraumorientierung ist bedeutungsvoll, damit die Eltern neben der Anbindung an die Schule langfristig im wohnortnahen Umfeld Kontakte aufbauen und Unterstützung erfahren können, insbesondere auch zur Bildungsbegleitung. Dafür setzen die Projekte u. a. auf Ausflüge und Erkundungen des Stadtteils bzw. der Region, um den Familien die Angebotsstruktur näher zu bringen und ihnen so eine bessere freizeitbezogene Nutzung des Sozialraums zu ermöglichen. Auch wöchentlichen Treffs, zu denen verschiedene Akteur:innen aus dem Sozialraum, wie Jugendtreffs oder Beratungsstellen, eingeladen sind und sich vorstellen können, werden angeboten. Diese Akteur:innen spielen auch als Kooperationspartner:innen bei der Angebotsdurchführung eine wichtige Rolle. So bieten bspw. Erziehungs- oder Migrationsberatungsstellen sowie das Jobcenter regelmäßige Sprechstunden vor Ort an, um Zugangsbarrieren abzubauen.

Fazit: Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern können durch eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Eltern und Schule erhöht werden.

Die Erfahrungen belegen, dass eine Etablierung entsprechender Strukturen und deren Erfolg an vielfältige Voraussetzungen geknüpft sind. Gelingt die Zusammenarbeit von Schulen mit Eltern, bietet diese einen großen Mehrwert für alle Beteiligte. So profitieren Familien nicht nur von den niedrigschwelligen Angeboten vor Ort, sondern auch von einer stärkeren Ressourcen- und Lebensweltorientierung und von vorurteilsbewusster und wertschätzender Kommunikation im Schulkontext. Zugleich erfahren Grundschulen durch die Zusammenarbeit mit Einrichtungen und Diensten der Familienförderung personelle und zeitliche Entlastung sowie einen Zuwachs an Professionalität und Souveränität im Umgang mit einer vielfältigen Elternschaft. Darüber hinaus eröffnet sich für die Familienförderung mit dem „System Schule“ eine weitere familiäre Lebenswelt, die ihr bislang verschlossen blieb und durch die sie ihren Zugang zu Eltern und Kindern erweitern kann. Durch diesen Zugang kann es gelingen, den Bildungsort Familie zu stärken und die Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern langfristig zu erhöhen.

Noch steht die Öffnung von Grundschulen am Anfang. Die Erprobung verschiedener Ansätze gewinnt jedoch bundesweit immer mehr an Bedeutung. Dieser Entwicklung trägt auch das aktuelle ESF Plus-Programm „ElternChanceN – mit Elternbegleitung Familien stärken“ Rechnung, in dessen Rahmen verstärkt Ansätze von Elternbegleitung in der Grundschule unterstützt werden.

Die komplette Studie steht Interessierten online auf der Website des ESF Plus-Programms „ElternChanceN – mit Elternbegleitung Familien stärken“ zum Download zur Verfügung.

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Kompetenzteam "Frühe Bildung in der Familie" des BMFSFJ an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB)

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eingestellt am 08. November 2022

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