Die bildungspolitische Bedeutung der Familie – Folgerungen aus der PISA-Studie
Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Die öffentliche Debatte über die Folgerungen, die aus den Ergebnissen der PISA-Studie zu ziehen sind, lässt nach Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen zentrale Erkenntnisse der PISA-Studie außer acht, denn diese Debatte bezieht sich fast ausschließlich darauf, wie schulisches Lernen besser zu organisieren und Lerninhalte und Leistungsstandards zu vereinheitlichen seien. Die PISA-Studie belegt jedoch in Übereinstimmung mit den Befunden früherer wissenschaftlicher Untersuchungen, dass die grundlegenden Fähigkeiten und Bereitschaften für schulische Lern- und lebenslange Bildungsprozesse der nachwachsenden Generation in den Familien geschaffen werden. Die Familie muss daher als die grundlegende Bildungsinstitution der Kinder und Jugendlichen anerkannt werden. Sie ist der ursprüngliche und begleitende Ort der Bildung von Humanvermögen. Sie wirkt sich auch auf die Wahl der Schulform und auf den Schulerfolg aus.
Die Familie ist der Ausgangspunkt für außerfamiliale Bildungsprozesse der Kinder. Daher ist eine enge wechselseitige Zusammenarbeit zwischen Familie und Schule sowie zwischen Kindertagesstätten und weiteren Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dringend erforderlich.
Die Verengung der aktuellen Debatte auf Probleme der Schulorganisation und Leistungsstandardisierung führt dazu, dass sich die Forderungen an das politische Handeln von Bund, Ländern und Kommunen weitgehend auf schulpolitische Maßnahmen beschränken. Der Beirat macht darauf aufmerksam, dass Kinder und Jugendliche nur dann individuell gefördert werden können und Chancengleichheit nur dann realisiert werden kann, wenn Familien in ihrer Leistungsfähigkeit gefördert und ihre Leistungen unterstützt werden. Dies ist auch eine zentrale Aufgabe der staatlichen Bildungspolitik.
Der Beirat versteht sein Plädoyer für verstärkte familienbezogene Maßnahmen der Politik nicht als Absage an notwendige Bildungsreformen im Bereich der Schule und des Kindergartens. Er sieht vielmehr in der gezielten und nachhaltigen Verbindung von Maßnahmen der Bildungspolitik mit Maßnahmen der Familien-, Kinder- und Jugendhilfepolitik die wichtigste Folgerung, die aus den Ergebnissen der PISA-Studie zu ziehen ist.
Lesen Sie hier:
Gutachten "Die bildungspolitische Bedeutung der Familie - Folgerungen aus der Pisa-Studie". Schriftenreihe des BMFSFJ, Band 224. Kohlhammer, Stuttgart, 2002.
Erstellt am 26. November 2002