Ein Schuljahr im Ausland

Julia Wilmes

Julia Wilmes

In einer globalisierten Welt sind Auslandserfahrungen ein wertvolles Pfund, mit dem man aufblühen kann. Sie setzen nicht nur Glanzpunkte im Lebenslauf, sondern sind auch wichtige Bausteine für die Entwicklung von Charakter und Persönlichkeit. Die Schulzeit eignet sich aus verschiedenen Gründen am besten dazu, solche Erfahrungen zu sammeln. Wer ein Schuljahr im Ausland verbringen möchte, wird verschiedene Optionen vorfinden – und feststellen, dass die Umsetzung dieses Plans gar nicht so schwierig ist.

Was man von einem Auslandsjahr erwarten darf – und was nicht

Man kennt es von Urlaubsreisen: Im besten Fall bleiben die Erinnerungen an schöne Momente und besondere Erlebnisse ein Leben lang erhalten. Nun ist ein Schuljahr im Ausland kein Urlaub, doch davon bleibt ebenfalls etwas zurück und genau darauf zielt die Idee eines Schuljahres in fremden Gefilden.

Zu den positiven Effekten und damit auch zu den Motivationen für ein Auslandsjahr gehören:

  • Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse
  • Entwicklung der Persönlichkeit
  • Interkulturelle Kompetenzen
  • Individuelle Fähigkeiten und Soft Skills
  • Erlebnisse und Erfahrungen

Fremdsprachenkenntnisse sind heute in so gut wie jedem Beruf unerlässlich. Dabei gibt es viele Berufsfelder, in denen Kenntnisse auf dem üblichen Schulniveau als nicht ausreichend erachtet werden. Insbesondere für die Weltsprache Englisch verlangen gehobene Positionen häufig verhandlungssichere Sprachkenntnisse mit breitem Vokabular und sicherer Anwendung. Dies lässt sich in einer Schulsituation und oft auch im künstlichen Setting einer Sprachschule kaum erreichen. Ein Auslandsjahr hingegen zwingt die Teilnehmenden, sich mit der Landessprache zu arrangieren und sie in den unterschiedlichsten Situationen anzuwenden. Das führt zum Erlernen einer gewandten, vielschichtigen Ausdrucksweise, die letztlich den Unterschied zum reinen Lernen ausmacht.

Dieselben Situationen, in denen sich die Sprachkenntnisse auf diese Weise verbessern, erweisen sich oft auch als Learnings für die Persönlichkeitsentwicklung. Schülerinnen und Schüler im Ausland lernen unweigerlich Selbständigkeit und entwickeln dadurch oft ein gestiegenes Selbstbewusstsein und ein größeres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wer es schafft, in einem fremden Umfeld Herausforderungen anzunehmen und Konflikte zu lösen, sammelt wertvolle Erfahrungen, die sich im späteren Leben vielfach auszahlen werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch Rücksichtnahme, Empathie, Teamgeist und gegenseitiges Verständnis gefördert werden; dies insbesondere dann, wenn man für ein Auslandsjahr den Aufenthalt in einem Internat auswählt. Das Zusammenleben mit Menschen aus anderen Kulturen, mit deren Eigenheiten, Vorlieben und Traditionen man sich arrangiert, trägt ebenfalls zur Entwicklung persönlicher Skills bei, die sich später gut nutzen lassen.

Ein Auslandsjahr ist eine in vielerlei Hinsicht förderliche Erfahrung, deren Auswirkungen sich oft noch viele Jahre später bemerkbar machen können und die in vielen Fällen ein wichtiger Baustein für die Karriereplanung sein kann. Doch es ist kein Allheilmittel. Mitunter gehen Eltern mit falschen oder überzogenen Erwartungen an die Planung einer Zeit im Ausland heran. Natürlich gibt es die Möglichkeit, dass sich schulische Leistungen während eines Jahres in einem anderen Land verbessern. Andere Lehrmethoden, andere Herangehensweisen und ein verändertes Umfeld können dazu beitragen, dass sich ein Schüler besser in die Materie einfindet als zuhause. Doch wer an der heimischen Schule Schwierigkeiten hat, physikalische Formeln richtig anzuwenden oder komplizierte mathematische Berechnungen anzustellen, wird das auch in einem anderen Land nicht plötzlich ohne Probleme können. Ganz ähnlich verhält es sich auch bei persönlichen Problemen des Schülers oder bei Schwierigkeiten zwischen Eltern und Kindern. Auch hier können eine veränderte Perspektive und das persönliche Wachstum während eines Schuljahrs im Ausland für Veränderungen sorgen, das heißt aber nicht, dass eine Schule in einem anderen Land als Besserungsanstalt missverstanden werden sollte.

Optionen für ein Schuljahr im Ausland

Nicht zuletzt aufgrund der genannten positiven Effekte ist es heute nicht mehr ungewöhnlich, dass Schülerinnen und Schüler ein halbes oder ein ganzes Schuljahr im Ausland verbringen. Wegen des verpflichtenden und guten Englisch-Unterrichts an den Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind englischsprachige Länder wie Großbritannien, Irland, USA, Kanada oder Australien dabei besonders gefragt. In diesen Ländern lassen sich leicht viele Schulen finden, die Schülerinnen und Schüler aus dem Ausland temporär aufnehmen. Um diese Möglichkeit zu nutzen, stehen grundsätzlich zwei Optionen zur Verfügung.

Um sich in einer öffentlichen Schule in einem anderen Land regulär einzuschreiben, wäre eine offizielle Wohnsitzverlegung dorthin nötig, was sicherlich in den allermeisten Fällen keine Option ist. Es bleibt also ein Status als Gastschüler, was dem Schulerlebnis allerdings keinen Abbruch tut und denselben Zugang ermöglicht wie eine offizielle Einschreibung.

Das bedeutet aber auch, dass auf eine andere Art für eine Unterkunft gesorgt sein muss. Die erste Option ist dabei die Gastfamilie. Diese werden in aller Regel, entweder von den Eltern oder von einer Organisation, für den zusätzlichen Aufwand entschädigt. Die Unterbringung in einer Familie ermöglicht einen besonders authentischen Zugang zum Gastland und kann zu einem wahren Zuhause in der Fremde werden. Gleichzeitig birgt diese Variante aber die Gefahr, dass es zwischen Gast und Gastgebern nicht passt oder dass die Gastgeber die ihnen zugedachte Rolle nicht in dem Umfang erfüllen, wie sich die Eltern dies wünschen würden. Auch eine räumliche Herausforderung kann in diesem Rahmen entstehen: Wenn die Gastfamilie zu weit entfernt wohnt oder keine Möglichkeiten hat, den Gastschüler zu Freizeitaktivitäten zu bringen, kann ein beträchtlicher Teil des Erlebnisses Auslandsjahr verlorengehen.

Die zweite Möglichkeit ist das Internat. Davon stehen gerade in den genannten Ländern Großbritannien, USA und Kanada viele zur Auswahl. Die Gastschüler leben dabei mit den einheimischen Schülern zusammen und verbringen auch einen großen Teil ihrer Freizeit mit den Mitschülern und auf dem Schulgelände. In den Wohngebäuden der Internate leben Hauseltern, die als Ansprechpartner und Kontaktperson fungieren, zudem leben in vielen Internatsschulen auch einige der Lehrkräfte mit auf dem Gelände. Auch bei dieser Option sind die Gastschüler also nicht auf sich allein gestellt, sie haben den gewünschten intensiven Kontakt mit der Sprache des Gastlandes und da sie zudem beinahe ihre gesamte Zeit in der Gemeinschaft verbringen, wird auch die persönliche Entwicklung in vielerlei Hinsicht gefördert. Darüber hinaus sind die Internate oft hervorragend ausgestattet, bieten Sportmöglichkeiten und Angebote, um sich zum Beispiel künstlerisch zu betätigen. Im Vergleich zur Unterbringung in einer Gastfamilie fallen für das oft weitreichende Angebot eines Internats allerdings höhere Kosten an.

Die richtige Option auswählen

Der Gedanke, das Kind für eine lange Zeit ins Ausland zu schicken, erfüllt Eltern ohnehin oft mit Unbehagen. Bringt das Jahr wirklich, was man sich davon verspricht? Ist für das Kind gesorgt? Kann es sich wohlfühlen? Es ist nicht einfach, die eigene Kontrolle abzugeben und viele Eltern schreckt das Gefühl, nicht jederzeit sofort eingreifen zu können, wenn das Kind vor Problemen steht. Die Tatsache, dass das ganze Schulsystem im Ausland und die Anforderungen und Abläufe weitgehend unbekannt sind, macht die Sache nicht leichter. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Schulen durchaus unterschiedlich sein können und dass nicht jede Schule unbedingt zu jedem Schüler passt.  

Das Internet kann dabei helfen, eine Schule auch in einem fernen Land zumindest ein wenig einzuschätzen. Man kann sich Bewertungen ansehen und die Website der Schule und man kann mit Google Street View durch die Gegend „fahren“. Diese Mittel helfen aber erst, wenn schon eine Vorauswahl getroffen wurde. Davor aber steht die Frage, wie sich eine Schule finden lässt, die zu den Interessen und Stärken des eigenen Kindes passt.

Schulen unterscheiden sich zum Beispiel bei:

  • den Schwerpunkten im Lehrprogramm: Manche Schulen legen einen Schwerpunkt auf die Naturwissenschaften, andere bieten besonders viele Fremdsprachen an. Gerade in den USA haben die Schulen recht freie Hand bei der thematischen Belegung einzelner Felder, so dass zum Beispiel auch Kurse wie Robotik, Architektur, Psychologie, Meeres- oder Umweltwissenschaften belegbar sind.
  • der Förderung musischer oder künstlerischer Talente: Es gibt Schulen, die berühmte Chöre, Orchester oder Theatergruppen haben und die auch über hochmoderne Technik in Musik- und Aufnahmestudios oder über große, bestens ausgestattete Theaterbühnen verfügen. Andernorts finden sich hervorragende Möglichkeiten für die bildende Kunst, etwa Technologie für digitale Kunst oder die Gelegenheit, mit den unterschiedlichsten Materialien zu arbeiten.
  • dem Sportangebot:  Für viele Schulen ist Sport das wichtigste Aushängeschild und junge Talente werden nicht selten auf wirklich professionellem Niveau gefördert. Dabei findet sich für jede erdenkliche Sportart eine passende Schule, vom Fechten bis zum Eishockey und vom Rudern bis zur Leichtathletik. Es gibt Schulen, die ausgesprochen eindrucksvolle Sportanlagen aufzuweisen haben und mancherorts gibt es für einige Sportarten sogar Akademien, in denen gezieltes, professionelles Training angeboten wird.

Darüber hinaus gibt es Unterschiede etwa in der geographischen Lage der Schulen oder hinsichtlich ihrer Größe. Angesichts der Vielzahl möglicher Kriterien und der ebenso großen Zahl unterschiedlicher Schulen finden sich Eltern und Kinder oft einem wahren Labyrinth an Möglichkeiten gegenüber. Sogenannte Bildungs- oder Internatsberater bieten Auswahlhilfen an und unterstützen zumeist auch beim Bewerbungsverfahren an den Schulen im Ausland.

Der beste Zeitpunkt für ein Auslandsjahr

Eltern, die ihren Kindern ein Schuljahr im Ausland gönnen möchten, treibt auch die Frage um, welche Klassenstufe für diesen Schritt am besten geeignet wäre. Grundsätzlich haben die ausländischen Schulen diesbezüglich keine Vorgaben, natürlich sollten die Schülerinnen und Schüler aber generell eine gewisse Selbständigkeit an den Tag legen. Bei der Wahl des richtigen Zeitpunkts für das Auslandsjahr sollte bestenfalls zudem feststehen, wie es danach weitergehen soll: Soll das Kind nach Deutschland zurückkehren, das Abitur machen und in der Heimat studieren? Oder soll vielleicht ein Studium im Ausland folgen?

Der erstere Fall ist der übliche und deshalb wird häufig die 11. Klasse in Deutschland als Zeitpunkt gewählt. Das eröffnet meist die Option, die in diesem Jahr anstehenden Inhalte an der ausländischen Schule zu erlernen und dann nach der Rückkehr in Deutschland in der 12. Klasse nahtlos weiterzumachen. Manchmal ist allerdings auch die Wiederholung der Klasse 11 nötig. Es empfiehlt sich in jedem Fall, im Vorfeld mit der heimischen Schule zu sprechen, um abzuklären, wie die Lehrkräfte den Plan beurteilen. Grundsätzlich ist ein Auslandsaufenthalt in Absprache mit den heimischen Behörden aber auch in anderen Jahrgängen möglich. Oft können auch konkrete Fächer oder Inhalte genannt werden, die während der Zeit im Ausland abgedeckt sein sollten. Den Kontakt zur Schule muss man ohnehin suchen, denn deutsche Schülerinnen und Schüler benötigen eine behördliche Freistellung von der deutschen Schulpflicht.  

Ein Schuljahr im Ausland – und dann?

Es besteht auch die Möglichkeit, an der ausländischen Schule einen Abschluss zu machen, etwa die A-Levels in Großbritannien, den High-School-Abschluss in den USA oder das International Baccalaureate, das in vielen Ländern als Abschlussoption zur Verfügung steht. Dabei gilt es zu beachten, dass für einige Studiengänge die Belegung von bestimmten Fächern Voraussetzung ist. Die genauen Bestimmungen sind jeweils beim Deutschen Akademischen Austauschdienst abrufbar.

Einfacher wird es natürlich, wenn auf die Schulzeit im Ausland auch ein Studium im Gastland folgen soll. Besonders im Fall der USA bietet es sich an, den Schulabschluss dort im Land zu machen, wenn anschließend eine amerikanische Universität das Ziel sein soll. Häufig kann man an der High School dort sogar schon Kurse belegen, die dann auf die folgende Studienzeit angerechnet werden können.  

Autorin

Julia Wilmes

Geschäftsführerin Akademis Internatsberatung

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eingestellt am 08. Mai 2024

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