Nachhilfeunterricht – bessere Lebensperspektiven durch gezielte Förderung

Dr. Marion Steinbach
Dr. Marion Steinbach Ausschnitt

Viele Schülerinnen und Schüler brauchen im Laufe ihrer Schulzeit zeitweise eine Extraportion Lernhilfe. Die Gründe sind vielfältig – zum Beispiel das individuelle Lerntempo, das nicht dem der Klasse entspricht, Verständnisschwierigkeiten, Pubertät oder Versäumnisse infolge einer Krankheit. Aber auch gute Schülerinnen und Schüler nehmen Nachhilfeunterricht, um ihren Notdurchschnitt zu verbessern. Als individuelle und zielgerichtete Förderung setzt professioneller Nachhilfeunterricht genau da an, wo die Unterstützt gebraucht oder gewünscht wird.

Über eine Million Schülerinnen und Schüler in Deutschland gehen regelmäßig zum Nachhilfeunterricht. Ihre praktischen Erfahrungen bestätigen die Studienergebnisse von Bildungswissenschaftlern: Nachhilfe wirkt. Dabei geht es nicht nur darum, von der Fünf auf eine Drei zu kommen, die Versetzung oder den Abschluss zu schaffen. Viele Schülerinnen und Schüler nehmen Nachhilfe, um ihre guten Noten zu sichern, sich für ein Numerus-Clausus-Fach zu qualifizieren und im globalen Wettbewerb bessere Chancen zu haben.

In vielen asiatischen Ländern, aber auch in den USA und Österreich ist es selbstverständlich, neben der Schule Nachhilfeunterricht zu besuchen. Neun von zehn Schülern nehmen beispielsweise in Japan die Unterstützung von Nachhilfe in Anspruch und besuchen nach dem Unterricht eine der 50.000 Jukus, wie die Nachhilfeschulen dort heißen. Die Aufnahmeprüfungen für die privatisierten Oberschulen oder Universitäten sind extrem hart. Nur dank der Extraportion Lernen haben Schülerinnen und Schüler in diesem harten Wettbewerb Aussicht auf einen der begehrten Plätze an einer renommierten Universität. Das wiederum ist in diesen Ländern wichtig, weil nicht die Abschlussnote zählt, sondern die besuchte Universität.

Aber auch in Deutschland bildet Nachhilfeunterricht seit jeher eine Säule des Bildungssystems. Die steigende Nachfrage vonseiten der Eltern hat zu einem Anstieg und einer Diversifizierung des Angebots geführt. Während früher Nachhilfe ausschließlich privat von Studenten oder der pensionierten Lehrerin erteilt wurde, gibt es seit den 1970er-Jahren eine Vielzahl an Instituten, die ihre Unterstützung anbieten. Sie entstanden aufgrund der wachsenden Nachfrage infolge der großen Bildungsreform in den 70er-Jahren. Ziel der Bildungsreform war es, dass weiterführende Schulen auch für Kinder aus sozial schwächeren Schichten zugänglicher werden sollten. Da das Schulsystem nicht auf diese politische Forderung eingestellt war, entstand eine Kluft, die eine verstärkte Nachfrage nach Nachhilfe zur Folge hatte. Diese wurde vor allem durch die institutionelle Nachhilfe befriedigt. Denn: Im Unterschied zum privaten Einzelunterricht bot die institutionelle Nachhilfe günstigeren Unterricht in Kleingruppen an, der auch für Schüler aus sozial schwächeren Familien finanzierbar war. 

Wachsende Herausforderungen

Bis heute hat Deutschland trotz aller Anstrengungen einen hohen Nachholbedarf im Bildungsbereich, was auch durch Bildungsstudien immer wieder bestätigt wird. So wie in den 1970er-Jahren werden die Schulen auch heute noch mit den wachsenden Aufgaben allein gelassen. Die Lehrer sollen neben der Vermittlung von Fachwissen erzieherische Aufgaben übernehme. Sie sollen ihr Unterrichtspensum in Klassen durchziehen, in denen ein hoher Anteil der Schüler einen Migrationshintergrund hat und die deutsche Sprache kaum gut genug beherrscht, um dem Unterricht zu folgen. Weitere Herausforderungen für Lehrende stellen Inklusion und Digitalisierung dar.

Durch Corona ist der Bedarf an Unterstützung dramatisch gestiegen, denn viele Schülerinnen und Schüler hatten Schwierigkeiten damit, sich den Schulstoff eigenständig zu erarbeiten. Die Eltern konnten den Lehrer nicht ersetzen, denn die meisten sind keine Pädagogen. Selbst wenn sie den Schulstoff inhaltlich beherrschen, bedeutet das nicht, dass sie den Lösungsweg erklären und ihren Kindern vermitteln können. Die Lehrerinnen und Lehrer der öffentlichen Schulen gehen davon aus, dass infolge der Corona-bedingten Unterrichtsausfälle ein Drittel der Schülerinnen und Schüler deutliche Lernrückschritte aufweist (Quelle: Deutsches Schulbarometer von Oktober 2021). Hinzu kommen Konzentrationsschwierigkeiten oder ein Mangel an Motivation. Beides – sowohl die Lernlücken als auch die psycho-sozialen Probleme – haben auch die Mitglieder des VNN Bundesverbands Nachhilfe- und Nachmittagsschulen e. V. beobachtet.

Einser-Schüler nehmen Nachhilfe

Neben den Schülerinnen und Schülern, die einen zusätzlichen Förderbedarf haben, gibt es eine zunehmende Zahl an Zweier- und Einser-Schülern, die durch Nachhilfe ihren Notendurchschnitt sichern wollen, um ihre Chancen auf den gewünschten Ausbildungsplatz oder das Wunschstudium zu verbessern. Die Bertelsmann-Studie „Nachhilfeunterricht in Deutschland: Ausmaß – Wirkung – Kosten“ von 2016 – eine der fundiertesten Studien zur Nachhilfe – belegt: 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die Nachhilfe in „Deutsch“ bekommen, und 34 Prozent der „Mathematik“-Nachhilfeschülerinnen und -schüler hatten eine 3 oder eine bessere Zensur. 33 Prozent derjenigen, die Nachhilfe in einer Fremdsprache bekommen, hatten im Nachhilfefach eine 3, eine 2 oder sogar eine 1.

Für diese guten bis sehr guten Schülerinnen und Schüler ist Nachhilfe wie das Coaching beim Sport. Sowohl die Eltern als auch die Schülerinnen und Schüler selbst sehen das Angebot an außerschulischer Förderung als Möglichkeit, individuelle Potenziale weiter zu stärken und mögliche Schwächen ganz gezielt auszugleichen, um für die Schule und das Leben richtig fit zu werden.

Mehr Chancengerechtigkeit durch Nachhilfe

Damit auch Kinder aus sozial schwachen Familien durch Nachhilfe ihre Aufstiegschancen verbessern können, gibt es für diese Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, durch das Bildung- und Teilhabegesetz (BuT) finanzierte Nachhilfe zu nehmen. Die Nachhilfe kann sogar dann schon finanziert werden, wenn die Noten schlechter werden, also rechtzeitig, um den Anschluss an die Klasse nicht zu verlieren. Damit trägt das BuT zusammen mit der Nachhilfe zu einer Verbesserung der Chancengerechtigkeit bei.

Der Wunsch nach individueller Förderung

Dabei sollte Nachhilfe jedoch nur in Ausnahmefällen ein permanenter Begleiter durch das Schulleben sein. Sie kann helfen,

  • Schulübergänge zu erleichtern, wenn ein Kind nach einer Krankheit, wegen der Pandemie oder durch einen Umzug den Anschluss an die Klasse verloren hat,
  • wenn es gilt, sich gezielt auf eine Prüfung oder eine Klausur vorzubereiten oder
  • wenn – wie beispielsweise während der Pubertät – Motivation und Leistungen nachlassen.

Schafft ein Kind trotz der Förderung durch die Nachhilfe den Anschluss an die Klasse nicht, muss auch geprüft werden, ob das Kind womöglich auf der falschen Schulform und dadurch permanent überfordert ist. In diesen Fällen – oder auch bei LRS oder Dyskalkulie, besonders in der Grundschule – ist eine engmaschige Abstimmung zwischen dem Nachhilfe- und dem Fachlehrer wichtig, um für den Schüler die bestmögliche Lösung zu finden.

Qualität des Unterrichts sicherstellen

Damit Nachhilfe zum gewünschten Erfolg führt, muss die Qualität stimmen. Genau wie in den öffentlichen Schulen sind für einen guten Nachhilfeunterricht fachlich und methodisch qualifizierte Nachhilfelehrerinnen und Nachhilfelehrer entscheidend. Sie müssen

  • fundiertes Wissen in dem Fach besitzen, das sie unterrichten sollen,
  • didaktische Fähigkeiten haben, um das Wissen zu vermitteln, und
  • über pädagogische Kompetenzen im Umgang mit Kindern verfügen.

Kleine Gruppen, die auf maximal vier Schüler begrenzt sind, ermöglichen die gezielte individuelle Förderung. Der Unterricht in kleinen Gruppen hat den zusätzlichen Vorteil, dass zwischen dem Lehrer und den Schülern eine vertrauensvolle Bindung aufgebaut werden kann. Diese bildet einen weiteren wichtigen Faktor für den Lernerfolg.

Denn: Schüler brauchen einen Lehrer, der sie persönlich anspricht, der ihnen das Gefühl vermittelt, sie zu verstehen und der sie akzeptiert. Ein solches, auf Vertrauen und Wertschätzung basierendes Verhältnis ist die Basis für erfolgreiches Lernen. Insbesondere Schülerinnen und Schülern, deren Selbstbewusstsein durch schlechte Noten und schulische Misserfolge bereits gelitten hat, brauchen eine Vertrauensperson, die ihnen hilft, wieder an sich und ihre Fähigkeiten zu glauben, ein positives Selbstbild zu entwickeln und Selbstvertrauen aufzubauen. Damit dies gelingt, müssen die Nachhilfelehrerinnen und -lehrer entsprechend sorgfältig ausgewählt werden.

Darauf sollten Eltern bei der Wahl der Nachhilfe achten

Bei rund 4.000 Nachhilfeinstituten vor Ort, einer Vielzahl an Online-Anbietern und einer kaum zu schätzenden Zahl an privaten Nachhilfelehrerinnen und -lehrern ist es für Eltern bisweilen schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. Eine gute Wahl sind in der Regel Nachhilfeschulen, die schon lange vor Ort sind und auch von anderen Eltern empfohlen werden. Dennoch sollte man sich unbedingt einen persönlichen Eindruck machen:

  • Findet eine ausführliche Beratung statt?
  • Sind die Nachhilfelehrer kompetent und qualifiziert?
  • Besteht die Möglichkeit zu einer Probestunde, ohne dass gleich ein Vertrag unterschrieben werden muss?
  • Wird der Unterricht dokumentiert?
  • Ist der Vertrag transparent?
  • Gibt es kurze Kündigungsfristen?

Wichtig ist ein kompetenter Ansprechpartner (Pädagogischer Berater), der sich auch in der Schullandschaft des Ortes sowie in den Schulgesetzen, Bildungsplänen des Landes auskennt. Gut ist es, wenn die Nachhilfeeinrichtung mit der öffentlichen Schule kooperiert, den Lehrplan kennt und den Nachhilfeunterricht hieran ausrichtet. So greifen die schulische und die außerschulische Förderung optimal und zum Besten des Schülers beziehungsweise der Schülerin ineinander.

Ein Zertifikat, ein Qualitätsmanagement oder die Mitgliedschaft in einem Berufsverband sind immer ein gutes Zeichen dafür, dass sich der Inhaber um Qualität und Zuverlässigkeit für seine Schülerinnen und Schüler bemüht.

Diese 10 Merkmale zeichnen professionelle Nachhilfeanbieter aus

  • Kostenlose, individuelle Beratung.
  • Lernstandsdiagnose der Schülerin beziehungsweise des Schülers und Entwicklung eines individuellen Förderplans.
  • Fachlich und pädagogisch qualifizierte und kompetente Nachhilfelehrerinnen und -lehrer.
  • Mindestens eine Probestunde vor Vertragsunterzeichnung.
  • Kurze Vertragslaufzeiten und kurze Kündigungsfristen.
  • Kostenloses Unterrichtsmaterial, mit dem die Nachhilfeschule arbeitet.
  • Dokumentation des Unterrichts und der Beratungsgespräche.
  • Eine transparente und nachvollziehbare Organisation.
  • Austausch mit den Fachlehrerinnen und -lehrern der öffentlichen Schule.
  • Regelmäßige Elterngespräche.

Nachhilfeschulen, die Mitglied im VNN sind, verpflichten sich zudem, die hohen Qualitätsstandards des Verbands einzuhalten.

Einzel- oder Gruppenunterricht – digital oder vor Ort?

Eine pauschale Empfehlung ist nicht möglich, denn die Entscheidung hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Alle Unterrichtsformen haben Vor- und Nachteile:

Digitaler Unterricht ist praktisch. Er hilft, aufwendige An- und Abfahrtswege zu sparen, ist auch in ländlichen Regionen möglich, vorausgesetzt, die technischen Voraussetzungen sind gegeben.

Hat der Schüler allerdings Wissens- und Verständnislücken aufgrund des Online-Unterrichts während der Pandemie, braucht er den direkten Kontakt zu einem Nachhilfelehrer.

Einzelunterricht ist immer gut geeignet und oft sogar notwendig, wenn ein Schüler den Anschluss in einem Fach verpasst hat, bzw. ein Stoffpensum schnell aufholen möchte. Dann braucht er den Coach, der ihm den Stoff genau nach seinem Lernvermögen geeignet aufbereitet.

Gruppenunterricht in einer fachhomogenen Kleingruppe (2-4 Schülerinnen und Schüler) ist für eine individuelle Förderung geeignet. Die Kleingruppe eignet sich hervorragend für einen binnendifferenzierten, schulbegleitenden Unterricht für Schülerinnen und Schüler, die sich Sicherheit holen und zusätzlich üben möchten. Auch solche Schülerinnen und Schüler, die immer mal wieder einzelne Verständnisfragen haben oder sich auf eine Klassenarbeit vorbereiten möchten, sind hier gut aufgehoben. Der Gruppenunterricht fördert darüber hinaus auch das selbstständige Arbeiten der Schülerinnen und Schüler unter Anleitung.

Was tun, wenn es nicht klappt?

Manchmal stimmt einfach die Chemie zwischen dem Nachhilfelehrer und dem Schüler nicht. Handelt es sich um einen privaten Nachhilfelehrer, sollten Sie die Zusammenarbeit beenden. Handelt es sich um den Lehrer in der institutionellen Nachhilfe, wird eine seriöse Nachhilfeschule in diesem Fall den Wechsel zu einem anderen Nachhilfelehrer anbieten.

Wollen sich die Erfolge nicht einstellen, sollten die Eltern Rücksprache mit dem Nachhilfelehrer und dem pädagogischen Leiter des Instituts halten, um die Gründe dafür in Erfahrung zu bringen.

Gibt es keine Alternative zu dem Lehrer, mit dem das Kind nicht klarkommt, oder keine Aussicht auf Erfolg, beispielsweise weil das Kind auf der falschen Schulform ist, sollte der Vertrag gelöst werden. Daher ist es gut, wenn die Vertragslaufzeit kurz ist. Unabhängig davon wird ein seriöses Institut, dem an der Förderung der Schülerinnen und Schüler gelegen ist, sicher nicht auf dem Vertrag bestehen, wenn keinerlei Lösung gefunden werden kann.

Um solche Enttäuschungen, die ja auch die Motivation des Schülers beeinträchtigen, zu vermeiden, sollte man im Rahmen eines Probemonats die Angebote und die Arbeit des Instituts testen, ohne Verpflichtungen einzugehen.

VNN Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen e. V.

Der VNN wurde 1998 als Interessenverband Nachhilfeschulen e. V. gegründet und ist der einzige Verband der Nachhilfe-Branche. Der VNN setzt sich für mehr Transparenz und verlässliche Qualität in der institutionellen Nachhilfe ein. Die ihm angeschlossenen Nachhilfeinstitute stehen für hohe Qualitätsstandards und die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern in Kleingruppen oder Einzelunterricht. Dies gibt Eltern, Kindern und Jugendlichen Sicherheit und Orientierung. Der VNN vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit und fördert den vertrauensvollen Dialog zwischen Schule, Politik und Wirtschaft. Sitz des Bundesverbandes ist Solingen.

Autorin

VNN Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen e. V.

Dr. Marion Steinbach
Schöntal 13
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eingestellt am 25.01.2024