Was ist Kindertagespflege?
Dr. Gabriel Schoyerer, Dipl. Päd. und Dr. Nina Weimann-Sandig M.A.
Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung der Kindertagespflege in Deutschland indem die zentralen Unterschiede zum System der institutionalisierten Kindertagesbetreuung (Krippe, Kita) aufgezeigt und Charakteristika der Kindertagespflege herausgearbeitet werden. Von besonderem Interesse sind hierbei die verschiedenen Formen der Kindertagespflege, aber auch Anstellungs- und Vergütungsstrukturen von Tagespflegepersonen. Ebenso befasst sich der Beitrag mit der pädagogischen Qualität der Kindertagespflege und gibt Tipps, auf welche Qualitätskriterien Eltern achten sollten.
Kindertagespflege ist ein Rechtsbegriff, der als Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Betreuungsformen gilt: für die klassische Form der Kindertagespflege, bei der eine Tagespflegeperson in ihrem Haushalt Kinder betreut, für die Kinderfrau, die in der Regel im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses bei den Eltern des zu betreuenden Kindes in dem dortigen Haushalt tätig ist oder für die so genannten Großtagespflegestellen oder Zusammenschlüsse, wo sich mehrere Tagespflegepersonen zusammenschließen und dafür gegebenenfalls auch Räume anmieten.
Auch wenn die klassische Form der Kindertagespflege zahlenmäßig deutlich überwiegt, gewinnen die Angebotsformen der Kindertagespflege in „anderen geeigneten Räumen“ bzw. Zusammenschlüsse in Form von Großtagespflegestellen an Bedeutung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich diese Formen zum Teil deutlich hinsichtlich der Betreuungssettings unterscheiden.
Die rechtlichen Grundlagen von Kindertagespflege bilden eine Reihe von gesetzlichen Novellierungen des Achten Sozialgesetzbuchs (SGB VIII). Durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) von 2005 erhielt die Kindertagespflege den gleichen Förderauftrag wie die institutionellen Angebote der Kindertagesbetreuung. Kindertagespflege hat daher in gleicher umfassender Weise den Anspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung einzulösen (§ 22 SGB VIII).
„Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen
- die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern,
- die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen,
- den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.“
Eine weitere Aufwertung erfuhr die Kindertagespflege durch das Kinderförderungsgesetz (KiFöG) von 2008, das den politischen Willen zum Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder in den ersten drei Lebensjahren dokumentiert und die Kindertagespflege ausdrücklich als zweite, gleichrangige Säule im System der öffentlichen Kindertagesbetreuung ausweist. Seit den gesetzlichen Änderungen von 2005 hat sich die Tagespflege damit von einer privaten und eher informell organisierten zu einer öffentlich regulierten Betreuungsform gewandelt. Kindertagespflege ist heute damit eine gesetzlich anerkannte Betreuungsform im familiennahen Umfeld und neben den Kindertageseinrichtungen ein gleichrangiges Betreuungsangebot. Dies bedeutet: Eltern können zwischen den verschiedenen Betreuungsformen diejenige auswählen, die ihren Bedürfnissen und insbesondere den Bedürfnissen ihres Kindes am besten entspricht.
Der öffentliche Träger der Jugendhilfe (die Kommune) hat demnach die Verpflichtung ein an den Bedarfen von Eltern und an den Bedürfnissen von Kindern ausgerichtetes Angebot in Kindertagespflege in sowohl quantitativer als auch qualitativer Hinsicht sicherzustellen.
Im § 22 Abs. 3 SGB VIII heißt es dazu entsprechend:
„Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen.“
Kindertagespflege in öffentlicher Verantwortung
Um diesen hohen fachlichen Anspruch sicher zu stellen, schreibt das SGB VIII den öffentlichen Jugendhilfeträgern eine Reihe von verpflichtenden Aufgaben vor:
Das SGB VIII legt fest, dass Tagespflegepersonen, die über keine pädagogische Ausbildung verfügen, maximal fünf Kinder gleichzeitig betreuen dürfen. Wenn eine pädagogische Ausbildung vorliegt, dürfen sie nicht mehr Kinder, als in einer vergleichbaren institutionellen Einrichtung betreuen. Eine Ausnahme bildet die Großtagespflege, in der unter bestimmten Voraussetzungen auch mehr als fünf Kinder – jedoch nicht gleichzeitig – von einer Tagespflegeperson betreut werden können.
In jedem Fall bedarf die Tätigkeit einer öffentlich geförderten Tagespflegeperson einer Prüfung ihrer Eignung bzw. der Erteilung der Pflegeerlaubnis durch das zuständige Jugendamt.
Eignung und Pflegeerlaubnis
Die Feststellung der Eignung ist rechtlich im Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) in zwei Kontexten vorgegeben: einerseits werden im § 23 SGB VIII die Qualitätsanforderungen an die Kindertagespflege zur Förderung der Kinder formuliert (§ 23 Abs. 3 SGB VIII), andererseits weist § 43 SGB VIII auf das staatliche Wächteramt hin, das von den Jugendämtern zum Schutz der Kinder in Tagespflegeverhältnissen wahrzunehmen ist.
Die sorgfältige Prüfung der Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern für die Tätigkeit als Tagesmutter bzw. Tagesvater ist ein zentrales Element der Qualitätssicherung in der Kindertagespflege. Ohne eine eingehende Eignungsprüfung durch das Jugendamt darf kein Kind zu einer Tagespflegeperson vermittelt werden.
Nach §§ 23 Abs. 3 und 43 Abs. 2 SGB VIII ist eine Tagespflegeperson für die Tätigkeit in der Kindertagespflege geeignet,
- die sich durch Sachkompetenz und Bereitschaft zur Kooperation mit den Eltern und anderen Tagespflegepersonen auszeichnet,
- die selbst über kindgerechte Räumlichkeiten verfügt,
- die eine vertiefte, in qualifizierten Lehrgängen oder auf andere Weise erworbene Kenntnis über die Anforderungen an eine Tätigkeit als Tagesbetreuungsperson nachweist.
Neben der fachlichen Prüfung und der Prüfung der Räumlichkeiten, in denen die Kinder betreut werden, schreibt der Gesetzgeber auch die Prüfung der „Persönlichkeit“ vor. Wie in keinem anderen pädagogischen Bereich besteht mit dieser gesetzlichen Grundlage die Möglichkeit potenzielle Tagespflegepersonen auch hinsichtlich ihrer personalen Kompetenzen zu überprüfen und etwa bei mangelnden sozio-emotionalen Fähigkeiten den Zugang zur Tätigkeit zu verweigern.
Grundsätzlich ist eine Eignungsfeststellung erforderlich,
a) wenn das Tagespflegeverhältnis öffentlich gefördert, d. h. durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vermittelt und/oder finanziert wird (§ 23 SGB VIII) bzw.
b) wenn das Tagespflegeverhältnis erlaubnispflichtig ist (§ 43 SGB VIII). Das heißt: die Erlaubnispflicht erfasst öffentlich geförderte sowie rein private Formen der Kindertagespflege, bei der
- ein oder mehrere Kinder und dabei bis zu fünf fremde Kinder gleichzeitig,
- außerhalb des Haushalts der Erziehungsberechtigten,
- mehr als 15 Stunden wöchentlich,
- während eines Teils des Tages, unabhängig ob Tag-, Abend- oder Nachtstunden (in Abgrenzung zur Vollzeitpflege nach § 44 SGB VIII)
- gegen Entgelt (Leistungen des Öffentlichen Trägers gemäß § 23 SGB VIII oder jedwede Zuwendung von Geld/geldwerten Leistungen) und
- (voraussichtlich) länger als drei Monate betreut werden.
Qualifizierung und Ausbildung
Das Bundesgesetz gibt im SGB VIII § 23 vor, dass Tagespflegepersonen als Voraussetzung zur Tätigkeit auch fachlich geeignet sein müssen und den Nachweis über vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderungen an eine Tätigkeit als Tagesbetreuungsperson erbringen müssen. Diese Fachlichkeit ist über Qualifizierungen sicherzustellen. Konkrete Hinweise zur Höhe der erforderlichen Qualifizierung macht das SGB VIII nicht. Eine fachpädagogische Ausbildung ist – die Tätigkeit in einer Großtagespflegestelle ausgenommen – nicht zwingend erforderlich. Die Höhe und der Umfang der erforderlichen Qualifizierung werden unter Berücksichtigung von landesrechtlichen Vorgaben von den zuständigen Jugendamtsbezirken vorgegeben.
Da jeder Jugendamtsbezirk die Qualifizierungsvorrausetzungen für seinen Wirkungskreis eigenständig regelt, führt dies bundesweit zu einer höchst unterschiedlichen Qualifizierungsstruktur von Tagespflegepersonen, die von pädagogischen Berufsabschlüssen bis hin zu Personen ohne jegliche formale Qualifikation reichen. Etwa ein Drittel (28%) aller tätigen Tagespflegepersonen verfügt über eine pädagogische (Hochschul-)Ausbildung. Darunter fallen Personen innerhalb der Spanne zwischen einem Abschluss auf dem Niveau der Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistenz sowie einem pädagogischen Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss. 14% der tätigen Tagespflegepersonen verfügen über eine Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher (Stand 2012).
Arbeitsbedingungen und Qualitätssicherung
Fachliche Beratung und Begleitung
Anspruch auf fachliche Beratung und Begleitung haben in der Kindertagespflege sowohl Tagespflegepersonen als auch Erziehungsberechtigte. Sie bezieht sich auf alle Fragen zur Kindertagespflege von Tagespflegepersonen und Erziehungsberechtigten (§§ 23 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VIII). Der öffentliche Jugendhilfeträger hat diesem Anspruch durch die Bereitstellung eines Fachberatungssystems beizukommen, das diesen Anforderungen Rechnung tragen kann, zumal der Anspruch auf Fachberatung – anders als für den institutionellen Bereich der Kindertagesbetreuung – ausdrücklich als gesetzliche Pflichtaufgabe vorgeschrieben ist (vgl. Lakies 2009).
Die fachlichen Beratungsleistungen für Tagespflegepersonen umfassen sowohl spezifisch pädagogische als auch persönliche Begleitungs- und Unterstützungsangebote rund um die Kindertagespflege. Darüber hinaus sind tätigkeitsflankierende Beratungsleistungen wie etwa zu rechtlichen Themenstellungen oder zur Existenzgründung hier verortet. Die Leistungen für die Eltern schließen den gesamten Prozess von der Erstberatung und Vermittlung einer geeigneten Tagespflegeperson über die fachliche Begleitung des Tagespflegeverhältnisses bis zum Übergang in andere Betreuungsformen ein (Schoyerer 2012).
Da die Tätigkeit als Tagespflegeperson selbst kein eigenständiges, pädagogisch professionalisiertes Berufsfeld ist und Tagespflegepersonen überwiegend keine pädagogischen Fachkräfte im Sinne des § 72 SGB VIII sind, ist es in besonderer Weise Aufgabe der fachlichen Beratung den Förderauftrag zu sichern. Der Fachberatung für Kindertagespflege kommt damit in besonderer Weise eine unterstützende Funktion zu, die in Feldern der Kinder- und Jugendhilfe üblicherweise von den pädagogischen Fachkräften in größerem Umfang selbst geleistet werden können (vgl. Schoyerer 2014).
Neben dem unmittelbaren Aufbau und der Sicherung pädagogischer Qualität fällt der Fachberatung auch die Aufgabe zu, die Kindertagespflege so auszugestalten und weiter zu entwickeln, dass sie noch stärker mit einem eigenständigen und fachlich begründeten Profil erkennbar wird. Hierfür ist zu klären, was die Kindertagespflege für Eltern und Kinder jeweils leisten soll, welche Form der Infrastruktur dafür bereitgestellt werden muss und welche Personengruppen als Tagespflegepersonen hierfür angesprochen und aufgebaut werden müssen. Insgesamt stellt die fachliche Beratung und Begleitung einen wesentlichen Bestandteil des Systems von Kindertagespflege dar.
Die Fachberatungsstelle gilt insofern als Kernstück der fachlichen Steuerung und Koordinierung des Systems der Kindertagespflege, die eine Fülle von zum Teil sehr verschiedenen Aufgabenbündeln mit beratender, informierender, kooperierender und vernetzender Funktion übernimmt (vgl. Pabst/Schoyerer 2013).
Vertretung
Ebenfalls gesetzlich verpflichtende Aufgabe des öffentlichen Jugendhilfeträgers ist es, im Falle von Ausfallzeiten der Tagespflegepersonen, für die zu betreuenden Kinder rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit sicherzustellen (§ 23 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII). Dies bedeutet, dass Tagespflegepersonen gegenüber dem Jugendamt Anspruch auf eine Vertretung haben – und zwar nicht nur in einem Notfall, sondern in Form einer Vertretungslösung, die vorhanden ist, noch bevor eine konkrete Notsituation eintritt (vgl. Brüll 2010).
Ein geregeltes Vertretungssystem gilt angesichts der überwiegend einzeln tätigen Tagespflegepersonen als ein wichtiger Bestandteil, die Kindertagespflege für Eltern verlässlicher und attraktiver zu gestalten. Daten zeigen, dass dieser Anspruch bislang von einem Großteil der Jugendamtsbezirke in Deutschland nicht hinreichend umgesetzt werden kann (vgl. Pabst/Schoyerer 2013).
Vergütung
Die Vergütung von Tagespflegepersonen basiert auf einer bundesgesetzlichen Grundlage, wonach die Förderleistung von Tagespflegepersonen leistungsgerecht auszugestalten ist (vgl. Wiesner 2011). Daten zeigen bundesweit erhebliche Unterschiede in der Verteilung und Höhe der laufenden Geldleistung, zum Teil auch in unmittelbar benachbarten Jugendämtern und innerhalb desselben Bundeslandes. In der Praxis zeigen sich Vergütungsmodelle, die die Tätigkeit als Tagespflegeperson auch bei einer nicht vollen Auslastung von fünf Kindern existenzsichernd ermöglichen bis hin zu Strukturen, die auch bei fünf in Vollzeit betreuten Kindern nicht finanziell auskömmlich sind. Dabei wird zum Beispiel ein Beitrag zur Förderleistung sowie eines Sachbeitrags als Stunde pro Kind berechnet oder pauschal berechnet (vgl. Sell/Kukula 2013).
Das Sozialgesetzbuch VIII sieht vor, dass die Vergütung der Tagespflegepersonen direkt über das Jugendamt erfolgt und Eltern ihrerseits einen anteiligen Beitrag an das Jugendamt zahlen. Bedeutsam ist, dass die Elternbeiträge für Angebote der Kindertagespflege bzw. der Kindertageseinrichtungen gleich hoch sein sollten, damit die Wahl eines passenden Angebots nicht einseitig von finanziellen Gründen beeinflusst wird.
Anstellungsverhältnisse
In Deutschland kann eine Tagespflegeperson auf selbstständiger Basis arbeiten oder sich in ein Angestelltenverhältnis begeben. Letzteres ist bisher noch recht unüblich. Eine Festanstellung gibt den Tagespflegepersonen die Möglichkeit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen und nimmt ihnen die alleinige Verantwortung für Versicherungsleistungen wie Kranken-, Unfall- oder Rentenversicherung. Für die Eltern betreuter Kinder kann die Festanstellung eine bessere Planbarkeit und Kontinuität der Betreuungsleistung, etwa bei krankheitsbedingten Ausfällen der Tagespflegepersonen, erreichen. Bei einer Festanstellung ist die Tagespflegeperson weisungsabhängig vom jeweiligen Träger.
Arbeitet die Tagespflegeperson auf selbstständiger Basis, entfällt diese Weisungsabhängigkeit, d.h. die Tagespflegeperson setzt selbst Ziele und Inhalte ihrer Betreuungsleistung fest. Einkünfte aus der Tagespflege sind einkommenssteuerpflichtig. Seit einigen Jahren sind die Tagespflegepersonen verpflichtet einen Beitrag zur Unfall- und Rentenversicherung zu entrichten, um Rücklagen für die Altersvorsorge schaffen zu können. Nichtsdestotrotz tragen die selbstständigen Tagespflegepersonen ein hohes unternehmerisches Risiko: bei Krankheit fallen Einnahmen weg, ebenso müssen sie sich um die Akquise der zu betreuenden Kinder selbst kümmern.
Welche Betreuungsmerkmale hat Kindertagespflege?
Aus Sicht des Kindes
In der Kindertagespflege wird jedes Kind qua Gesetz einer festen Tagespflegeperson zugeordnet. Für die betreuten Kinder bedeutet dies in der Regel ein Betreuungsangebot von einer festen Bezugsperson in einem gewohnten Umfeld.
In der Kindertagespflege kann davon ausgegangen werden, dass altershomogene Gruppen, d.h. Gruppen aus alters- oder ranggleichen fremden Kindern überwiegen. Altersheterogenität ergibt sich jedoch nicht nur aus der Zusammensetzung der fremden betreuten Kinder, sondern auch durch die eigenen Kinder der Tagespflegeperson.
Im Bundesdurchschnitt entfallen im Jahr 2012 altersübergreifend insgesamt 3,1 Kinder auf eine tätige Tagespflegeperson (vgl. Statistisches Bundesamt 2012). Mit Blick auf die altersspezifischen Empfehlungen zum Betreuerin/Betreuer-Kind-Schlüssel zeigt sich in der Kindertagespflege damit insgesamt eine günstige Relation.
Zugleich kann davon ausgegangen werden, dass Betreuung in Kindertagespflege damit in relativ kleinen Gruppen von überwiegend Kindern in den ersten drei Lebensjahren stattfindet, da auf jede tätige Tagespflegeperson nur eine geringe Anzahl von Kindern in den ersten drei Lebensjahren entfällt (vgl. Kerl-Wienecke et al. 2013).
Aus Sicht der Eltern
Elternbefragungen geben Hinweise darauf, dass die Eltern mit der Nutzung von Kindertagespflege für ihr Kind sehr zufrieden sind (vgl. DJI 2007). Ein Erklärungsansatz hierfür könnte darin liegen, dass Eltern und Tagespflegepersonen sich einander aussuchen und sich somit passgenau aufeinander abstimmen können. Eltern können die Tagesmutter zum Beispiel nach übereinstimmenden pädagogischen Vorstellungen und nach dem zeitlichen Bedarf individuell auswählen. Das kindliche Wohl hängt schließlich auch davon ab, ob das Erziehungsverhalten von Eltern und Betreuung korrespondiert. Zudem ist die Möglichkeit von individuellen Absprachen angesichts zunehmend veränderter und flexibler Betreuungsbedarfe für Eltern ein Plus.
Auch deuten neure Daten darauf hin, dass Eltern, die ursprünglich keinen Platz in Kindertagespflege für ihr Kind wollten, ihn aber aus Mangel an einem Kita Platz genommen haben, im Nachhinein sehr zufrieden waren und aus heutiger Sicht Kindertagespflege wählen würden (vgl. DJI 2013).
Weitere Gründe von Eltern für ihre Kleinstkinder bevorzugt die Kindertagespflege zu wählen, werden in der familialen Umgebung, des geringeren Risikos an Infektionen und der intensiveren Zuwendung der Betreuungsperson gesehen (vgl. Ahnert 2010).
Welche Formen der Kindertagespflege gibt es in Deutschland?
In Deutschland lassen sich vier Formen der Kindertagespflege unterscheiden, die nachfolgend genauer dargestellt werden:
Kindertagespflege im Haushalt der Eltern
Die zu betreuenden Kinder werden im Haushalt der Eltern betreut. Die Tagespflegeperson befindet sich zumeist in einem Angestelltenverhältnis zu den Eltern und ist folglich auch weisungsabhängig. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese Tagespflegepersonen als „Kinderfrauen“ oder „Kinderbetreuer“ bezeichnet.
Kindertagespflege im Haushalt der Tagespflegeperson
Die Tagespflegeperson stellt für die Betreuung der Kinder geeignete Räumlichkeiten in ihrem eigenen Haushalt zur Verfügung. Bei dieser Betreuungsform dürfen, wenn die Tagespflegeperson über keine pädagogische Ausbildung verfügt, maximal fünf Kinder gleichzeitig betreut werden. Wenn eine pädagogische Ausbildung der Tagespflegeperson vorliegt, dürfen nicht mehr Kinder in einer solchen Tagespflegestelle betreut werden, als in einer vergleichbaren institutionalisierten Einrichtung. In jedem Fall bedarf die Tätigkeit einer Tagespflegeperson in ihrem eigenen Haushalt der Erlaubnis durch das zuständige Jugendamt. Wichtig hier: die Tagespflegeperson braucht eine Pflegeerlaubnis nach § 43 Abs.1 SGB VIII und die – je nach Bundesland variierende – Mindestqualifizierung für die Kindertagespflege. Ebenso existieren Richtlinien für den Bereich der Hygiene und Lebensmittelsicherheit sowie Kontrollen der Räumlichkeiten durch das Jugendamt hinsichtlich einer Eignung für die Betreuung von Kindern. Fachkompetenz sowie Persönlichkeit der Tagespflegeperson werden ebenso überprüft. Ein polizeiliches Führungszeugnis muss vorgelegt werden.
Kindertagespflege in angemieteten Räumen
Die Möglichkeit dieser Betreuungsform ist von Bundesland zu Bundesland verschieden gegeben und wird im jeweiligen Landesrecht geregelt. Ebenso regelt das Landesrecht auch die Voraussetzungen für die angemieteten Räume. Wesentliche Kriterien hierbei sind:
- ausreichend Platz für Spielmöglichkeiten,
- eine anregungsreiche Ausgestaltung,
- geeignete Spiel- und Beschäftigungsmaterialien,
- unfallverhütende und gute hygienische Verhältnisse,
- insbesondere für Kleinkinder eine Schlafgelegenheit und
- die Möglichkeit des Spielens und Erlebens in der Natur, in Wald- oder Parkanlagen.
Die Prüfung der fachlichen und persönlichen Eignung der Tagespflegepersonen bleibt davon unberührt.
Kindertagespflege als Großtagespflege
Bei einer Großtagespflege schließen sich mehrere Tagespflegepersonen zusammen. Generell braucht jedoch jede Tagespflegeperson eine Pflegeerlaubnis nach § 43 Abs.1 SGB VIII. Im Unterschied zu einer Krippe oder KiTa erhalten die Tagespflegepersonen eine Pflegeerlaubnis für maximal fünf Kinder. Es besteht also weiterhin eine an die Tagespflegeperson gebundene Verantwortung für „ihre“ Kinder, um ein „familienähnliches“ Betreuungssetting sowie eine tragfähige Beziehung zwischen den Kindern und der verantwortlichen Tagespflegeperson sicherzustellen. Die Möglichkeiten der Ausgestaltung und die rechtlichen Grundlagen der Großtagespflege variieren von Bundesland zu Bundesland. Einige Länder schließen diese Betreuungsform für die Kindertagespflege bisher aus.
Pädagogische Qualität in Kindertagespflege
Wenngleich die meisten Tagespflegepersonen über keinen pädagogischen Berufsabschluss verfügen, wurde der Kindertagespflege angesichts ihres eher geringen Qualifikationsgrads jüngst in zwei großen Studien ein vergleichsweise hohes Maß an pädagogischer Qualität mit guten Entwicklungschancen für Kinder bescheinigt. In der NUBBEK-Studie wird deutlich, dass die pädagogische Qualität der Kindertagespflege vergleichbar ist mit derjenigen in institutionellen Angeboten der Kindertagesbetreuung. Beide befinden sich in der Zone der mittleren Qualität (vgl. Tietze et al. 2014). In der Parenting und Co-Parenting Studie von Lieselotte Ahnert (2010), Uni Wien, wurde die emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren in Abhängigkeit von ihrer Betreuung bei einer Tagespflegeperson bzw. von einer Erzieherin in einer Einrichtung untersucht. Ahnert kommt zu dem Ergebnis, dass Kleinkinder zu Tagesmüttern häufiger sichere Beziehungen als zu ErzieherInnen in Krippen entwickeln. Dies liegt wohl daran, dass Kleinkinder emotionale Sicherheit, Explorationsunterstützung, individualisierte Kommunikationsabläufe und Körpernähe in der Tagespflege ausgeprägter erfahren als in Krippen.
Weitgehend ungeklärt ist bislang, worauf diese Effekte zurückzuführen sind, obgleich zu vermuten ist, dass das Betreuungssetting aus kleinen, altershomogenen Kindergruppen mit einem hohen Betreuungsschlüssel von Bedeutung ist. Andere Faktoren, wie zum Beispiel die persönlichen und fachlichen Kompetenzen der Tagespflegepersonen dürften ebenfalls eine Rolle spielen.
Welche Unterschiede zwischen Kindertagespflege und institutionalisierter Betreuung gibt es?
Kriterien | Kindertagespflege | KiTa/Krippe |
Charakteristikum | familiennahe Betreuungsform | Institutionalisierte Betreuungsform |
Gesetzlicher Auftrag | Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern sowie Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf | |
Räumlichkeiten | entweder im Haushalt der Eltern oder im Haushalt der Tagespflegeperson oder in angemieteten Räumen | In angemieteten bzw. extra gebauten Einrichtungen |
Betreuungsschlüssel (Betreuungsperson: Kinder) | Bundesweit festgesetzt max. 1:5 gleichzeitig anwesende Kinder pro TPP; bundesweiter Durchschnitt 1:3 | bundesweiter Durchschnitt 1:5; Abweichungen von 1:3 (Rheinland-Pfalz) bis 1:7 (Brandenburg) möglich [1] |
Alter der Kinder in der Gruppe | Von 0-3 Jahren, in Ausnahmefällen bis 14 Jahren | Krippe: 0-3 Jahren, KiTa: 0 Jahre bis Schuleintritt |
Vermittlung und Zuteilung der Kinder | Jedes Kind ist einer konkreten TPP als dauerhafter Bezugsperson zugeteilt | Die Kinder sind Gruppen zugeteilt; es wird versucht Kindern dauerhafte Bezugspersonen zuzuteilen |
Qualifizierung der Betreuungspersonen | Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern existieren hinsichtlich Grund und Weiterqualifizierung, verfügen zu rund einem Drittel über eine fachpädagogische Ausbildung, landesbezogene und kommunale Vorgaben zur Qualifikation bei Großtagespflege | Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern existieren, generell anerkannte Ausbildungsberufe: ErzieherIn, KinderpflegerIn, Sozialpädagogische(r) AssistentIn |
Pädagogische Ausrichtung und Setting | Hohes Maß an spezialisierten Betreuungssettings und Betreuungsaufgaben z.B. GTPS, klassische KTP, KTP nach § 32 für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf, überwiegend Konzentration auf alltags- und familiennahe pädagogische Konzeptionen | Hohes Maß an spezialisierter Betreuungslandschaft z.B. nach unterschiedlichen pädagogischen Ansätzen (Waldorf, Montessori etc.), Inklusion, Bewegung, Musik usw. |
Kosten für Eltern |
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Informationen zum Aktionsprogramm Kindertagespflege
Seit April 2009 wird der qualitative und quantitative Ausbau der Kindertagespflege in Deutschland durch das Aktionsprogramm Kindertagespflege begleitet. Finanziert wird das Aktionsprogramm durch den Europäischen Sozialfonds (ESF). Als tragende Organisationen sind darüber hinaus das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie die Bundesagentur für Arbeit beteiligt. Das Aktionsprogramm richtet sich dabei an unterschiedliche Akteure:
Kommunen und Landkreise werden dabei unterstützt, ihre Infrastruktur für die Kindertagespflege auf- und auszubauen.
Interessierte Personen sollen einen Anreiz erhalten, sich für die Tagespflege zu qualifizieren und künftig als Tagespflegeperson tätig zu werden.
Neue und bereits aktive Tagespflegepersonen sollen zukünftig besser qualifiziert werden. Beispielsweise ist eine flächendeckende Mindestqualifizierung von 160 Unterrichtseinheiten entsprechend dem Curriculum des Deutschen Jugendinstituts (DJI) vorgesehen. Hierzu wurde ein einheitliches Gütesiegel für Bildungsträger eingeführt.
Neben der Förderung der Grundqualifizierung, Nachqualifizierung und Fortbildung von Tagespflegepersonen werden auch Tagesmütter und -väter unterstützt, die sich berufsbegleitend zur Erzieherin/zum Erzieher oder in einem sozialpädagogischen Assistenzberuf ausbilden lassen möchten.
Um den Tagespflegepersonen ein gesichertes Einkommen zu ermöglichen, aber auch eine Kontinuität der Betreuung in den einzelnen Kommunen zu gewährleisten, werden Festanstellungen von Tagespflegepersonen gefördert. Zum einen werden Personalkosten für neu anzustellende Tagespflegepersonen bezuschusst. Zum anderen werden Strukturen für Beratung und den Aufbau von Festanstellungsmodellen gefördert.
Literaturangaben
- Ahnert, Lieselotte (2010): Wie viel Mutter braucht ein Kind. Bindung – Bildung – Betreuung: öffentlich und privat. Heidelberg
- DJI (2013): AID:A Surveydaten. Unveröffentlichtes Manuskript AIDA-Auswertungen. München
- DJI (2007): DJI-Surveydaten. Unveröffentlichtes Manuskript. München
- Kerl-Wienecke, Astrid/Schoyerer, Gabriel/Schuhegger, Lucia (2013): Kompetenzprofil Kindertagespflege in den ersten drei Lebensjahren. Berlin
- Lakies, Thomas (2009): Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege. In: Münder, Johannes/Meysen, Thomas/Trenczek, Thomas (Hrsg.): Frankfurter Kommentar zum SGB VIII: Kinder und Jugendhilfe. Baden-Baden, S. 216-264
- Pabst, Christopher/Schoyerer, Gabriel (2013): DJI Online Thema 2013/03. Kindertagespflege auf dem Prüfstand. Verfügbar unter: www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=1178&Jump1=LINKS&Jump2=10#6
- Schoyerer, Gabriel (2014): Kindertagespflege zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Pädagogische Orientierungen in der Fachberatung. Reihe: Pädagogik. Band 37. Marburg
- Schoyerer, Gabriel (2012): Fachberatung in der Kindertagespflege. Praxismaterialien für die Jugendämter: Herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin
- Sell, Stefan/Kukula, Nicole (2012): Leistungsorientierte Vergütung in der Kindertagespflege. Von der aktuellen Praxis zu einem zukunftsfähigen Modell? Herausgegeben vom Institut für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz (ibus). Koblenz
- Tietze, Wolfgang et al. (2014): Pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen, in: Tietze et al. (Hrsg.): NUBBEK – Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit. Weimar/Berlin, S. 69-88
- Wiesner, Reinhard (2011): SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. 4. bearb. Aufl. München
[1] Quelle: Destatis 2011.
Autoren
Dr. phil. Gabriel Schoyerer studierte von 2002 -2006 Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie mit dem Abschluss Diplom-Pädagoge an der Universität Augsburg. Nach seinem Studium arbeitete er in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe und leitete hier u.a. eine heilpädagogische Tageseinrichtung in Augsburg. Seit 2008 ist Gabriel Schoyerer wissenschaftlicher Referent am Deutschen Jugendinstitut mit den Forschungsschwerpunkten Qualität und Ausbau der Kindertagespflege sowie Professionalisierung im Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung.
Dr. phil. Nina Weimann-Sandig studierte Soziologie und Politische Wissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg. Von 2005-2008 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Gert Schmidt am Institut für Soziologie in Erlangen tätig. Von 2008-2010 arbeitete sie als Referentin des Direktors am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und arbeitete dort von 2010 bis 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit den Forschungsschwerpunkten Soziale Ungleichheit und Fachkräftepotentiale im SGB II. Seit 2013 ist Nina Weimann-Sandig wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut mit den Forschungsschwerpunkten Kindertagespflege sowie arbeitsmarktbezogene Perspektiven auf Kindertagesbetreuung.
Erstellt am 18. Juli 2014, zuletzt geändert am 18. Juli 2014