Sind klassische Familienspiele & Gesellschaftsspiele noch angesagt?  

Simone Schaal
Schaal Simone

Das klassische Familienspiel ist auch heute ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft.

Spielen bildet und fördert gerade bei Kindern zahlreiche Fähigkeiten, insbesondere in den sozialen Bereichen. In der zunehmend digitalen Welt ist es daher umso wichtiger, daß Eltern sich Zeit nehmen und regelmäßig mit ihren Kindern Familien- und Gesellschaftsspiele spielen. Das stärkt den Familien-Zusammenhalt und schafft unvergessene gemeinsame Erlebnisse. 

1. Entwicklung des Gesellschaftsspiels

Gesellschaftsspiele haben eine Jahrtausende alte Tradition. In den Gräbern der ägyptischen Pharaonen wurden bis zu 3500 Jahre alte Senet-Spiele1 gefunden, ein Vorläufer des heutigen Mensch-ärgere-dich-nicht Spiels.

Die moderne Gesellschaftsspielwelt hat heute aber weit mehr zu bieten als simple, rein glücksabhängige Würfelspiele. 2016 erschienen alleine zur Spielemesse in Essen über 1.000 Spiele-Neuheiten. So ist es für Familien fast unmöglich, sich in der Flut an Gesellschaftsspielen zurechtzufinden.

Familienspiele stehen auch heute noch hoch im Kurs, das beweist u.a. ein Bericht von Spieleverlage e.V.2, der für 2016 ein „weiteres Rekordjahr für die Spielverlage“ vermeldet. So konnte die Brettspielbranche nach 2015 zum zweiten Mal nacheinander den Umsatz mit Gesellschaftsspielen um mehr als 10 Prozent steigern. Die größten Steigerungen waren Kinderspiele mit einem Plus von fast 15 Prozent, Vorschulprodukte mit rund 22 Prozent, aber auch Strategiespiele für Familien mit 26 Prozent.

2. Spielend lernen

Familienspiele bieten nicht nur Alternativen zum Computeralltag und ermöglichen ein inniges gemeinschaftliches Erlebnis. Sie fördern zudem zahlreiche Fähigkeiten, die gerade bei Kindern besonders wichtig sind.

Bei kleineren Kindern im Alter von 3 -8 Jahren sind dies z.B.

  • motorische Fähigkeiten wie z.B. Koordination oder Geschicklichkeit
  • Farben und Formen zuordnen
  • Zahlenverständnis, z.B. Einordnen, Schätzen & Rechnen
  • Merkfähigkeit und Gedächtnis
  • sprachliches Verständnis
  • „gewinnen“ und auch „verlieren lernen“
  • sich an Regeln halten

Aber auch ältere Kinder und Erwachsen können am Gesellschaftsspiel wachsen. Hier steht jedoch die Weiterentwicklung anderer Kompetenzen im Vordergrund:

  • Kreativität
  • Erprobung taktischer Fähigkeiten
  • vorausschauendes Planen
  • logisches Denken
  • konsequentes Handeln
  • Einschätzung der Mitspieler
  • Assoziationsvermögen

Das Schönste am Familienspiel ist, daß all diese Fähigkeiten „ganz nebenher“ gefördert werden. Denn nach wie vor steht bei jedem Spiel eines im Vordergrund: das gemeinsame Erlebnis und der Spielspaß!

3. Die richtigen Spiele für Ihre Spielrunde

Entscheidend ist, die richtigen Spiele für die eigene Spielrunde oder Familie zu  finden, damit auch alle gleichermaßen Spaß am Spielen finden. Eine erste Orientierungshilfe bieten hier z.B. die Auszeichnungen der Jury „Spiel des Jahres“, die ein sehr hohes Ansehen genießen. Der Markt der Gesellschaftsspiele bietet aber ein weitaus größeres Spektrum an Vielfalt und Innovation, so daß die Hervorhebung eines einzigen Spiels nur eine sehr grobe Richtlinie ist. Jede Familie ist anders und stellt deshalb auch individuelle Ansprüche an ein für sie geeignetes Familienspiel. Außerdem ist es gut, für Abwechslung zu sorgen und neben den gewohnten Gesellschaftsspielen auch wieder Neues auf den Tisch zu bringen. 

Ein gutes Familienspiel sollte nach folgenden Kriterien gewählt werden:

  • altersgerecht:  Ein Familienspiel muss auf das Alter des jüngsten Mitspielers angepasst sein, denn beim Spielen darf niemals der persönlich Ehrgeiz im Vordergrund stehen. Zu komplizierte Regeln und Überforderung können gerade bei Kindern die Motivation und den Spielspaß erheblich senken.
  • Spieleranzahl und Spieldauer: Entscheidend für die Wahl eines Brettspiels ist auch die Anzahl der Mitspieler. Viele Gesellschaftsspiele sind nur in größeren oder kleineren Gruppen gut geeignet und es gibt sogar explizite 2-Personen Spiele. Auch die Spieldauer ist wichtig: Mit jüngeren Kindern sollten nur Spiele mit einer maximalen Dauer von 20-30 Minuten gespielt werden, da danach die Konzentrationsfähigkeit nachlässt. Später können auch Spiele mit längerer Dauer gespielt werden, sie sollten aber in den zeitlichen Rahmen passen. Es gibt nichts Ärgerlicheres, als ein angefangenes Spiel abbrechen zu müssen, weil z.B. andere Verpflichtungen anstehen.
  • Spiel-Genre: Auch die Spielart - das Genre - muss behutsam gewählt werden, denn die Geschmäcker sind in jeder Spielerrunde verschieden. Nicht jeder mag Rollenspiele, komplizierte Optimierungsaufgaben oder ausschweifende Würfeleien. Die Genres von Gesellschafts- und Familienspielen sind heutzutage so vielseitig, daß es für jede Zusammensetzung eine reichhaltige Auswahl an passenden Spielen gibt. Gerade hier lohnt es sich aber, auch immer wieder Neues auszuprobieren. Sie werden dadurch Seiten und Fähigkeiten an sich und Ihrer Familie entdecken, die Ihnen bisher verborgen geblieben sind.

Tipp: Familienspiele - das gemeinsame Erlebnis im Alltag  ist ein liebevolles und kompetentes Internetportal, das hilft, für Ihre Familie die richtigen Familienspiele zu finden. Dort finden Sie ausführliche Spiele-Beschreibungen, konkrete Empfehlungen und Expertentipps für ein gelungenes Familienerlebnis. Es stellt vielseitige Spiel-Genres vor und ist praktisch kategorisiert nach Einstiegsalter der Kinder. Des weiteren gibt es viele Hilfestellungen, Antworten und Anregungen rund um das Thema Gesellschaftsspiele, das ganz speziell auf die Bedürfnisse von Familien abgestimmt ist.

4. Vier wichtige Tipps für ein gelungenes Familienspiel-Erlebnis

Damit auch Ihre Spielrunde zu einem echten, gemeinsamen Erlebnis wird, hier einige Tipps, auf die Sie achten sollten:

Feste und regelmäßige Spieltermine planen

Vereinbaren Sie feste Zeiten für das gemeinsame Spielen in der Familie, z.B. Sonntag Nachmittag 15-17 Uhr. Ein fester und regelmäßiger Termin hilft bei der Planung anderer Aktivitäten und verhindert, dass etwas „dazwischenkommt“. Solche Regelmäßigkeiten entwickeln sich zu Ritualen, auf die sich alle Familienmitglieder einrichten und freuen können.

Die richtigen Spiele auswählen

Achten Sie bei der Spielauswahl darauf, dass die Spiele zu Ihrer Familie passen. Die Altersangabe, die Spieler-Anzahl und das Spiel-Genre sind dabei entscheidend. Gehen Sie dabei auch auf die Wünsche und Vorschläge der Familienmitglieder ein und sorgen Sie für Abwechslung.

Legen Sie vor Spielbeginn eine Vorauswahl von 3-4 Spielen aus, unter denen die anderen Familienmitglieder auswählen können, das verhindert lange Diskussionen und sorgt für einen schnellen Start. 

Schalten Sie alle Störquellen aus

Sorgen Sie dafür, dass Sie ungestört bleiben und beim gemeinsamen Spielen nicht abgelenkt oder unterbrochen werden. Schalten Sie Handys, Computer und Fernseher aus. 

Gehen Sie selbst mit gutem Beispiel voran. Wenn auch Mamas und Papas Smartphone ausgeschaltet ist, fällt es dem Nachwuchs leichter dasselbe zu tun. Zeigen Sie Ihren Kindern, dass diese Zeit ganz alleine der Familie gehört. Dadurch sorgen Sie nicht nur für ungestörtes Spielen, sondern zeigen auch Ihre Wertschätzung gegenüber den Kindern.

Genießen Sie das gemeinsame Erlebnis

Lassen Sie sich ganz auf das gemeinsame Spielen ein und denken Sie nicht an anstehende Aufgaben und Termine. Fragen Sie Ihre Kinder nicht nach Ihren Hausaufgaben und sprechen Sie keine heikle Themen an. Es zählt nur das Hier und Jetzt! Genießen Sie die Zeit, in der Sie sich persönlich mit ihren Kindern befassen, um etwas gemeinsam zu erleben, dabei spielerisch zu lernen und ganz einfach Spaß zu haben. Dadurch tanken Sie auch Kraft für andere anstehenden Herausforderungen des Alltags.    

5. Die positiven Einflüsse von analogen Gesellschaftsspielen

Kostengünstige Freizeitgestaltung

Das Schönste, was wir unseren Kindern schenken können, ist gemeinsame Zeit. Dabei muss es gar nicht immer ein teurer Ausflug sein. Gerade Kinder erfreuen sich oft an kleinen Dingen. Gesellschaftsspiele sind im Vergleich eine sehr günstige Möglichkeit der gemeinsamen Freizeitgestaltung. Es gibt erstklassige Gesellschaftsspiele schon ab 5 Euro, dabei handelt es sich dann fast immer um Kartenspiele. Für ein Brettspiel muss im Durchschnitt mit ca. 30 Euro gerechnet werden. Ein Kinonachmittag oder Zoobesuch mit der Familie kostet ähnlich viel, wie ein gutes Gesellschaftsspiel. Letzteres bietet nicht nur intensivere gemeinsame Stunden, sondern ist auch immer wieder verwendbar.

Fördern den Zusammenhalt

Regelmäßige Spiele-Nachmittage in familiärer Runde sind ein gemeinsames Erlebnis, das die Kommunikation, den Zusammenhalt und das Wir-Gefühl innerhalb der Familie stärkt. Sie bieten auch später lang anhaltenden Gesprächsstoff und sorgen für sehr schöne Kindheitserinnerungen.

Auf diese Weise kann  auch zu älteren Kindern und Jugendlichen ein guter Zugang gefunden werden, die sich sonst eher abkapseln.  

Fördern soziale Kompetenzen

Gesellschaftsspiele trainieren die sozialen Kompetenzen und sind daher pädagogisch wertvoll. Kinder lernen beim Spielen zu kooperieren und andere einzuschätzen. Das Gewinnen sorgt für Erfolgserlebnisse und Motivation und stärkt das Selbstbewusstsein. Kinder lernen aber ebenso mit Niederlagen umzugehen, denn auch das Verlieren gehört zum Spiel genauso wie zum Leben.

Fördern schulische Leistungen

Kinder lernen beim Gesellschaftsspiel, sich an Regeln zu halten. Zudem wird die Konzentrationsfähigkeit gefördert, was sich ebenfalls positiv auf die schulischen Leistungen auswirkt. Je nach Art des Gesellschaftsspiels werden weiterhin motorische und analytische Fähigkeiten, strategisches Denken, Kreativität, vorausschauende Planung und Verhandlungsgeschick trainiert.

Da bei vielen Gesellschaftsspielen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen sind, fällt es spielenden Kindern und Erwachsenen oft leichter, zielführend zu agieren und Entscheidungen zu treffen.

Überbrücken Unterschiede und verbinden Generationen

Gesellschaftsspiele sind eine gute Möglichkeit überhaupt in Kontakt zu kommen. Sei es unter Kindern, aber auch z.B. mit den Großeltern. Oft bieten die Interessen, Werte und Ansichten der verschiedenen Generationen nicht genügend Gemeinsamkeiten für eine gemeinsame Freizeitgestaltung. Ausflüge sind für viele ältere Menschen anstrengend und die modernen digitalen Unterhaltungsmedien der Jugend sind ihnen fremd. Auch hier bieten Gesellschaftsspiele eine optimale Möglichkeit, Barrieren abzubauen und die Generationen in einem gemeinsamen Erlebnis zusammenzuschweißen.

6. Analoge Spiele sind gesund

Nach einer Studie des Hamburger Spieleverlags Eggertspiele sind gemeinsame strategische Brettspiele entscheidend für die Entwicklung von Kindern. "Spielen in der Gruppe, beispielsweise der Familie, fördert zahlreiche Kompetenzen. Computer- und vor allem die bekannten Ballerspiele fördern vielleicht das Reaktionsvermögen, soziale Kompetenzen werden hingegen unterdrückt. Bei einem strategischen Brettspiel ist es umgekehrt: Strategie, Kommunikation und viel Denkarbeit sorgen für Förderung der Entwicklung", so Peter Eggert. Die Ergebnisse der Studie bestätigen dies. Mehr als 90 Prozent der Befragten sind sich sicher: Das gemeinsame Spielen hat einen positiven Einfluss auf die Kinder und die gesamte Familie.

Nicht umsonst, wird oft vom „Kulturgut Spiel“ gesprochen. Der gemeinsame Spieltisch verbindet Familien und schafft ein einzigartiges Zusammengehörigkeitsgefühl. Damit kann keine Spielkonsole oder PC konkurrieren. Der Mensch strebt von Natur aus nach Gemeinschaft, er will soziale Bindungen knüpfen und festigen. Und dies gelingt nach wie vor am besten im realen Leben, von Angesicht zu Angesicht.   

Quellen

1 Wikipedia (aufgerufen am 16.05.2017)

2 Spieleverlage e.V., Pressemeldung vom 27.01.2017: Weiteres Rekordjahr für die Spieleverlage (aufgerufen am 16. 05.2017)

3 Eggertspiele GmbH & Co. KG: Pressemeldung vom 17.11.2015: Brett- statt Ballerspiel: Bundesbürger spielen lieber strategisch (aufgerufen am 16.05.2017)

Literaturhinweise

  • Kobbert, Max J.; Kulturgut Spiel,  ISBN 978-3891262528
  • Stern, Andre: Spielen um zu fühlen, zu lernen und zu leben, ISBN 978-3945543238 
  • Horsten, Martin (2008): Zum Potential strategischer Gesellschaftsspiele zur Förderung der Ausbildungsreife. Diplomica Verlag

Autorin

Simone Schaal, spielende Mutter mit >40 Jahren Brett- und Gesellschaftsspiel Erfahrung

Autorin des Webblog Die besten Familienspiele & Gesellschaftsspiele

Kontakt

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eingestellt am 16. Mai 2017

 

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