Die Bedeutung des Smartphones in der Lebenswelt von Jugendlichen

Elvira Neimanova

Heutzutage gehören elektronische Medien zum selbstverständlichen Teil des Alltags. Medien zählen zu einer wichtigen Sozialisationsinstanz, durch die gesellschaftliche Normen und Werte, Wissensbestände und Verhaltensweisen vermittelt werden. Insbesondere Jugendliche finden sich in der Medienwelt schnell zurecht, da sie in der digitalen Welt aufwachsen und den Umgang mit Medien beiläufig erlernen. Smartphones, Mobiltelefone der neusten Generation, sind zu einem integralen Bestandteil der Lebenswelt der Jugendlichen geworden, denn sie nutzen es im Freundeskreis, in der Schule und in der Familie. Zwar bieten Smartphones zahlreiche Potentiale, können aber auch Probleme verursachen und führen zur Veränderung der Lebenswelt von Jugendlichen.

Ausstattung und Nutzung des Handy/Smartphones bei Jugendlichen

Während im Jahre 1998 die Handynutzung für die Jugendlichen noch eine Ausnahme bildete, so verfügten zwölf Jahre später fast alle Jugendlichen über ein Handy. Mädchen und ältere Jugendliche waren mit Handys besser ausgestattet als Jungen und Jugendliche in jüngeren und mittleren Altersgruppen. Jugendliche mit formal niedriger Bildung waren genauso gut mit Handys ausgestattet wie Jugendliche mit formal höherer Bildung. [1]

Auch Smartphones, Mobiltelefone der neuesten Generation, die zusätzliche Funktionen und Anwendungen haben, fanden sehr schnell Eingang in die Lebenswelt von Jugendlichen. 

In der Abbildung 1 ist die Ausstattung Jugendlicher mit Smartphone nach Geschlecht, Alter und Bildung dargestellt.

Neimanova Grafik

Abb. 1: Ausstattung Jugendlicher mit Smartphone nach Geschlecht, Alter und Bildung[1]  2010–2014 (Angaben in Prozent)

Quelle: eigene Zusammenstellung auf der Basis der JIM-Studien von 2010 bis 2014

Während im Jahr 2010 lediglich 14% der Jugendlichen über ein Smartphone verfügten, so waren es im Jahr 2012 47% und im Jahr 2014 sogar 88%. [2] Das mobile Medium Smartphone hat sich unter den Jugendlichen sehr schnell verbreitet und konventionelle Handys verdrängt. Jugendliche zählen zu sogenannten Early Adapters und Innovators d.h. sie sind also diejenigen, die Innovationen wie z.B. Smartphone offen gegenüberstehen, großes Interesse an der Nutzung neuer Technologien haben und ständig den Markt beobachten, um neue Produkte als Erste zu kaufen. [3] Der Blick auf das Geschlecht und die Bildung zeigen, dass es so gut wie keine geschlechts- und bildungsspezifischen Unterschiede bei der Ausstattung mit dem Smartphone gibt. Vielmehr sind die Altersunterschiede von Bedeutung, denn je älter die Jugendlichen sind, desto besser sind sie mit einem Smartphone ausgestattet. Das kann darauf zurückgeführt werden, dass sich mit zunehmendem Alter der Kommunikationsradius der Jugendlichen erweitert.

Die technische Ausstattung des Smartphones erlaubt eine Vielzahl von verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten. So verfügen fast alle Smartphones über eine Kamera, mit der man Bilder erstellen kann, Bluetooth, über das Dateien getauscht werden, einen integrierten MP3-Player und Radio, mit dem man Musik hören kann. Zudem ist es mit dem Smartphone möglich, mobil ins Internet zu gehen, fernzusehen oder es als Spielkonsole zu benutzen.      

Es ist ein „Multimediagerät“, das viele verschiedene Geräte und Funktionalitäten in sich vereint und deshalb nicht nur zur Kommunikation, sondern auch zur Information und Unterhaltung dient.

Smartphone als persönliches Medium

Jugendliche messen ihrem Smartphone eine große Bedeutung bei, die sich nicht nur in regelmäßiger Nutzung ausdrückt, sondern auch dadurch, dass es einen festen Platz in ihrer Lebenswelt einnimmt. Das Smartphone ist das persönliche Medium der Jugendlichen, das sie ständig mit sich führen, körpernah tragen, niemals ausschalten, um wichtige Begegnungen oder Neuigkeiten nicht zu verpassen und auf dem sie ihre privaten Daten archivieren.

Zudem können Jugendliche mittels Smartphone ihre sozialen Bedürfnisse (z. B. nach Kommunikation), kognitiven Bedürfnisse (z. B. nach Information) und affektiven Bedürfnisse (z. B. nach Unterhaltung) befriedigen. Die individuellen Accessoires, Schutzhülle, Klingeltöne oder Logos auf dem Display, die Träger einer kommunikativen Botschaft sein können, spiegeln die Individualität und Interessen einer Person wider und können die interpersonale Kommunikation stimulieren.

Smartphone im Freundeskreis

Im Freundeskreis ist das Smartphone für die Interaktion, Kommunikation und Unterhaltung mit Gleichaltrigen wichtig. Es ermöglicht eine permanente Kommunikation und dient zur Planung und Organisation gemeinsamer Freizeitaktivitäten. Mit dem Smartphone können Jugendliche die Beziehung zu den Freunden viel intensiver pflegen, als wenn dies ohne Smartphone möglich wäre. Vielmehr verbessert sich die Kommunikation mit Freunden, weil man im Gegensatz zu früher nicht mehr täglich zusammen sein kann, aber trotzdem miteinander in Kontakt steht. Zugleich hat das Smartphone für die Jugendlichen immer mit Inklusion zu tun, denn es vermittelt die Sicherheit, im Freundeskreis eingebettet zu sein und die persönlichen Kontakte aufrechterhalten zu können. Es ist ein notwendiges Medium zur Vermeidung sozialer Exklusion.

Smartphone in der Schule

Die Nutzung des Smartphones in der Schule regelt jede Schule selbst. In vielen Hauptschulen besteht ein offizielles Smartphone-Verbot, d.h. das Smartphone darf im Schulgebäude nicht benutzt werden. Jugendliche von der Realschule dürfen ihr Smartphone in der Schulpause und auf dem Schulhof nutzen. Auf dem Hof und in den Pausen dient es ihnen überwiegend zur Unterhaltung, weil sie damit Musik hören, Videos anschauen und Smartphone-Spiele spielen.

Anders sieht die Situation an Gymnasien aus. Die Lehrer/innen am Gymnasium integrieren Smartphones in den Unterricht z. B. malen und Musik hören im Kunstunterricht und tragen somit zur Erweiterung der persönlichen und methodischen Kompetenzen von Jugendlichen bei. Zudem setzen Gymnasiasten ihr Smartphone in der Schule zur gezielten Informationssuche ein, indem sie z. B. im Internet Begriffe nachschlagen, Fremdwörter übersetzen oder sich Theorien erklären lassen.

Generell können Lehrer/innen das Smartphone im Unterricht einsetzen um das Lernen interaktiver zu gestalten, Schüler/innen zusätzlich zu motivieren und zur Förderung der Kompetenzen beizutragen. Jedoch sollten Sie immer darauf achten, dass Schüler/innen ihr Smartphone nicht zum Zeitvertreib oder zur Ablenkung im Unterricht nutzen.

Smartphone in der Familie

In der Familie trägt das Smartphone zur Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten bei.  Die Kommunikation der Eltern mit den Jugendlichen findet auf verschiedenen Wegen statt, wobei sehr häufig angerufen wird und etwas seltener Nachrichtendienste genutzt werden, weil nicht alle Eltern dies installiert haben bzw. nutzen können. Das Smartphone hilft den Eltern, den Kontakt zu den Jugendlichen aufzunehmen, und den Jugendlichen, ihre Eltern zu fragen oder in Notfallsituationen zu benachrichtigen. Mithilfe des Smartphones wollen Eltern aus der Distanz beaufsichtigen, wo sich die Jugendlichen befinden und was sie machen. Dagegen fühlen sich die Jugendlichen durch die Anrufe der Eltern stärker kontrolliert und wollen sich eher der Kontrolle entziehen. Zudem dient das Smartphone zur Organisation und Koordination der Alltagsaktivitäten in der Familie.

Das Smartphone ist nur dann ein Thema in der Familie, wenn es Konflikte verursacht oder wenn Eltern Fragen zum Smartphone haben, die die Jugendlichen meist beantworten können. Empfehlenswert ist es, einen smartphonefreien Tag in der Woche mit der Familie zu vereinbaren und gemeinsame Zeit ohne digitale Medien zu verbringen.  

Probleme mit dem Smartphone

Die vielfältigen technischen Möglichkeiten des Smartphones eröffnen viele verschiedene Potenziale, können aber auch zu Problemen führen. Mit dem Smartphone können Bilder erstellt, Videos aufgenommen und sekundenschnell an andere Nutzer verschickt oder ins Internet gestellt werden. Insgesamt ergeben sich dadurch folgende Problembereiche: Snuff-Videos, Happy Slapping, Cybermobbing und Sexting. [4]

Mit dem Smartphone können gewalthaltige oder pornografische Bilder und Videos direkt auf ein anderes Smartphone verschickt oder online verbreitet werden (Snuff-Videos). Die in der JIM-Studie befragten Jugendlichen geben an, vom Verschicken der gewalthaltigen oder pornografischen Inhalte schon einmal gehört zu haben (2011: 80 %, 2014: 78 %), und wissen auch, dass Freunde oder Bekannte solche Videos zugeschickt bekommen haben (2011: 21 %, 2014: 29 %) und haben selbst solche Inhalte bekommen (2011: 4 %, 2014: 14 %).

Mit dem Smartphone können inszenierte und/oder tatsächliche Schlägereien gefilmt und anschließend Videos an andere verschickt werden (Happy Slapping). In vielen Fällen handelt es sich um tatsächliche Schlägereien und weniger um nachgestellte Szenen, wobei Jungen in mittleren und älteren Altersgruppen mit formal niedriger Bildung stärker davon betroffen sind.  

Beleidigende Bilder, Videos oder Textnachrichten über eine Person, die auf dem Smartphone gespeichert oder an andere weitegeleitet werden, können die Grundlage für Mobbing-Aktivitäten bilden (Cybermobbing). Die befragten Jugendlichen geben an, dass beleidigende Bilder oder Texte über einen selbst mit dem Smartphone verschickt wurden (2010-2012: 3 %) und dass sie Schwierigkeiten wegen gespeicherter oder verschickter Inhalte auf ihrem Smartphone hatten (2010-2012: 3 %). Aufgrund von problematischen Inhalten auf dem Smartphone können sich Schwierigkeiten im Freundeskreis, in der Familie oder in der Schule ergeben.

Im Falle des Scheiterns einer Beziehung können persönliche Inhalte wie z. B. erotische Fotos, Videos oder Textnachrichten an andere weiterverschickt oder ins Internet gestellt werden (Sexting). Mehr als jeder Vierte (2014: 27 %) gibt an, vom Verschicken persönlicher Inhalte schon mal gehört zu haben. Offenbar werden sehr persönliche Inhalte einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht.

Manche Jugendliche befürchten, dass die permanente Kommunikation, der Informationsaustausch via Smartphone und die damit verbundene Verringerung des persönlichen Kontaktes zur Vereinsamung der Gesellschaft führen könnte.

Wenn die Jugendlichen kein Smartphone hätten, dann würden sie es durch andere Kommunikationsmittel ersetzen und hätten dann viel mehr Zeit für andere Aktivitäten. Zugleich würden sie sich von der Gruppe der Gleichaltrigen ausgeschlossen fühlen, da sie nicht mehr über die gemeinsamen Aktivitäten informiert wären. Es wäre somit besser, wenn niemand ein Smartphone hätte, sodass die Jugendlichen den Kontakt über andere Kommunikationsmittel aufnehmen würden, mehr persönlichen Kontakt miteinander und mehr Freizeit für gemeinsame Aktivitäten haben würden.

Snuff-Videos, Happy Slapping, Cybermobbing und Sexting stellen eine große Herausforderung für Medienpädagogen dar. Auch Eltern sollen sich Zeit nehmen, um sich über die Potentiale und Risiken der digitalen Medien zu informieren oder sich von den qualifizierten Fachkräften beraten lassen. Wichtig ist außerdem, dass Eltern häufiger mit Ihren Kindern über den Umgang mit dem Smartphone sowie über Aktivitäten auf dem Smartphone reden und den richtigen Umgang mit dem Medium vermitteln.

Bedeutung des Smartphones in der Lebenswelt von Jugendlichen

Das Smartphone hat eine zentrale Bedeutung in der Lebenswelt von Jugendlichen, denn es ermöglicht Integration in die Gruppe und soziale Interaktion in der Gruppe, Kommunikation und Unterhaltung mit Freunden, hilft in Notfallsituationen und bei der Organisation und Koordination der Aktivitäten, unterstützt Eltern und Jugendliche im Familienleben und befriedigt die Bedürfnisse der Jugendlichen.

Veränderung der Lebenswelt durch die Nutzung des Smartphones   

Insgesamt kann man davon ausgehen, dass sich die Lebenswelt der Jugendlichen durch die regelmäßige Nutzung des Smartphones verändert hat. Das Smartphone sorgt für eine Veränderung der Mediennutzung durch das Musikhören unterwegs, durch die Selbsterstellung von Bildern und Videos und das direkte Verschicken an andere sowie durch die permanente mobile Erreichbarkeit. Des Weiteren verändert das Smartphone den Lebensrhythmus, denn man erhält schneller aktuelle Nachrichten und Informationen vom In- und Ausland und kann schneller darauf reagieren. Es sorgt auch für eine Veränderung des Kommunikationsverhaltens. Zum einen ist die Kommunikation mit Freunden viel intensiver geworden, weil man anders als früher nicht mehr täglich zusammen sein kann, aber trotzdem via Smartphone miteinander in Kontakt steht. Zum anderen können Freundschaften über zeitliche und räumliche Distanzen aufrechterhalten werden und Freunde können unmittelbar am eigenen Alltag teilnehmen. Zudem finden Verabredungen häufig über Messenger statt, wobei die Verbindlichkeit von Verabredungen deutlich nachlässt, weil sie jederzeit und unkompliziert abgesagt oder neu vereinbart werden können. Das alles deutet auf einen Wandel der Pflege von sozialen Beziehungen und des sozialen Austausches hin.

Vielmehr verändert das Smartphone den Stellenwert anderer (Medien-)Geräte, sodass man behaupten könnte, dass die Nutzung des Smartphones einen negativen Einfluss auf die anderen technischen Geräte hat. Löst das Smartphone den Fernseher ab? Und wie ist das mit dem stationären Computer? Bereits heute steht schon fest, dass Jugendliche auf dem Smartphone ähnliche Funktionen und Anwendungen nutzen wie auf dem stationären Computer zu Hause. Und was ist mit dem Wecker? Viele Jugendliche nutzen heute den Wecker auf ihrem Smartphone. Das Smartphone ist ein multifunktionales Integrationsmedium, das die Nutzung einzelner (Medien-)Geräte überflüssig macht. Die technische Weiterentwicklung des Smartphones wird dafür sorgen, dass es sich auch in der Zukunft auf dem Mobilfunkmarkt und bei den Jugendlichen behaupten wird.

Fußnoten

[1] vgl. MPFS (1998), S. 56.

      vgl. MPFS (2010), S. 54.

[2] vgl. MPFS (2010), S. 54.

      vgl. MPFS (2012), S. 52.

      vgl. MPFS (2014), S. 45.

[3]  vgl. Schmitt (2008), S. 39ff.

[4]  vgl. MPFS (2010), S. 57ff.

      Vgl. MPFS (2011), S. 60ff.

      Vgl. MPFS (2012), S. 56f.

      Vgl. MPFS (2013), S. 56.

      Vgl. MPFS (2014), S. 52ff.

Literatur

  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.). (1998). JIM` 98. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19jähriger in Deutschland. Baden-Baden.
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.). (2010). JIM- Studie 2010. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.). (2011). JIM-Studie 2011. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS)  (Hrsg.). (2012). JIM-Studie 2012. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.). (2013). JIM-Studie 2013. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.). (2014). JIM-Studie 2014. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
  • Neimanova, Elvira (2015). Medienumgang Jugendlicher in Deutschland. Eine qualitative Studie zur Bedeutung des Smartphones in der Lebenswelt von Jugendlichen. Unveröffentlichte Masterarbeit, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
  • Schmitt, Kathrin (2008). Neue Medien, neue Sprache. What the hell is gruscheln? Marburg: Tectum Verlag.

Weiterführende Links

Medienpädagogische Beratungsstellen und Materialien für Kinder, Jugendliche, Eltern, Pädagogen, Lehrkräfte und Schulen:

Autorin

Elvira Neimanova, Sozialwissenschaftlerin (M.A.)

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eingestellt am 01. August 2019