Teilen, vernetzen, liken – Studie des JFF zur Bedeutung Sozialer Netzwerkdienste für Jugendliche

Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM)

Welchen Stellenwert das Internet als Rezeptions- und Präsentationsplattform im Leben Jugendlicher einnimmt und wie sich dies in den letzten fünf Jahren verändert hat, zeigt die Studie „Teilen, vernetzen, liken: Jugend zwischen Eigensinn und Anpassung im Social Web."

Diese fünfte Konvergenzstudie ist vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien durchgeführt worden. Dafür befragte das JFF in vier qualitativ angelegten Forschungsabschnitten (Teilstudien) 147 Jugendliche mit unterschiedlichem Bildungshintergrund zu ihrem Online-Medienhandeln. In den Ergebnissen zeigt sich, dass Jugendliche eigensinnig ihre Wege in der aktuellen Medienwelt gehen, sich dabei aber auch den Vorgaben der Angebote anpassen (müssen). Dabei stellen sich den Mädchen und Jungen Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen.

JFF-Direktorin Dr. Ulrike Wagner resümierte: „Teilen, vernetzen und liken gehören heute zum Online-Handeln der meisten Jugendlichen. In den vergangenen fünf Jahren haben sich Jugendliche das Social Web zu eigen gemacht. Insbesondere Soziale Netzwerkdienste wie facebook sind zu einem unverzichtbaren Bestandteil ihres Alltags geworden.“ Das Medienhandeln Jugendlicher sei aus der Sicht von Erwachsenen mittlerweile kaum noch zu durchschauen. Ein differenzierter Blick darauf sei aber dringend notwendig, da nur dann Chancen und Problemlagen, die aus dem Umgang mit Medien resultieren, erkannt werden könnten.

Einen Schwerpunkt der Ergebnispräsentation und der Veröffentlichung in der BLM-Schriftenreihe bilden die Ergebnisse der aktuellen vierten Teilstudie. Sie stellt die Identitätsarbeit von 13- bis 17-Jährigen in Sozialen Netzwerkdiensten in den Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund einer engen Verzahnung von Rezeption und Interaktion in Sozialen Netzwerkdiensten wird untersucht, wie Jugendliche Medienhandeln und Identitätsarbeit miteinander verknüpfen.

Zentral sind folgende Erkenntnisse:

  • Die Veränderungen in der Medienwelt werden als Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen. Heranwachsende verbinden mit dem Gebrauch Sozialer Netzwerkdienste ein Mehr an Kontakten zu Freundinnen und Freunden, häufigere Treffen mit diesen, aber auch mehr Zugang zu interessanten Informationen jeglicher Art. Im Gegensatz zu dieser positiven Einschätzung setzen sich die Befragten aber auch mit einer eher kritischen Sichtweise auseinander: Bezugspersonen, die einen Erziehungsauftrag haben – so nehmen die Jugendlichen an – sehen mit Blick auf ihr Medienhandeln vor allem Probleme, Risiken und Gefahren.
  • Die Relevanz für die Identitätsarbeit entsteht dadurch, dass in facebook unterschiedlichste Lebensbereiche verbunden werden. Der Soziale Netzwerkdienst facebook wird von den Jugendlichen als Handlungsstruktur für die Bewältigung vielfältiger Herausforderungen gesehen. So ist das Medienangebot z. B. wichtig, wenn es um die Überbrückung geografischer Distanzen geht. Ebenso wichtig ist die Plattform auch für die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechteridentität.
  • Die Individualisierung im Medienhandeln verläuft parallel zur Gemeinschaftsbildung in facebook. Die Plattform facebook steht wie kaum ein anderes Medienangebot für die fortschreitende Individualisierung im Medienhandeln. Die Nutzer erhalten über facebook einen individuellen Mix aus Inhalten – Posts von abonnierten Fanpages und installierten Applikationen genauso wie Posts von Freundinnen und Freunden. Die Ergebnisse der Teilstudie verdeutlichen, dass neben dieser Individualisierung auch gemeinschaftliche Medienhandlungsweisen von Bedeutung sind. So sind massenmediale Inhalte auch weiterhin gemeinschaftliche Bezugspunkte, über die soziale Verortung realisiert und Zugehörigkeit signalisiert werden kann.
  • Vielfältiger Zugang zu Inhalten birgt aus Perspektive der Jugendlichen Chancen und Probleme. Auch wenn die Jugendlichen die Herkunft der genutzten Inhalte im Social Web oftmals nicht nachvollziehen können, haben sie damit doch Zugriff auf Informationen, die ihren Interessen entsprechen. Sie sehen diesen Zusammenhang jedoch durchaus problematisch. Benannt werden dabei beispielsweise die Konfrontation mit verstörenden und jugendmedienschutzrelevanten Inhalten, der Zugriff auf illegal bereitgestellte Inhalte oder auch peinliche Bilder, die über die eigene Person veröffentlicht werden.
  • Einige Problembereiche, die in den Gesprächen mit den Jugendlichen sichtbar wurden, werden von den Jugendlichen selbst nicht thematisiert, sind jedoch aus medienpädagogischer Perspektive ebenso relevant.
  • Aus medienpädagogischer Perspektive ergeben sich folgende Herausforderungen: In den Studienergebnissen werden teilweise geschlechtstypische Handlungsformen auffällig. Gerade das von den Mädchen beschriebene Medienhandeln wirkt eher defensiv und beengt. Hier stellt sich die Frage, inwiefern in facebook eine gerechte Grundlage zur persönlichen und eigenverantwortlichen Entfaltung der Jugendlichen gegeben ist.

Es existiert ein Spannungsverhältnis zwischen den Handlungsmöglichkeiten der Jugendlichen und den Normen, die in den technischen Bedingungen von facebook enthalten sind. Die Plattform greift z.B. über Auswertungs- und Darstellungsverfahren empfindlich in die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zwischen den Nutzern ein. Die Intransparenz dieser Prozesse unterminiert dabei den Anspruch und die Möglichkeit auf selbstbestimmtes Handeln.

In den Selbstdarstellungen der Jugendlichen und in ihrer Interaktion mit anderen wird eine gewisse (Selbst-)Mediatisierung deutlich. Die befragten Mädchen und Jungen holen in facebook Zugehörigkeit, soziale Einbettung und Anerkennung ein. In diesen Ergebnissen zeigt sich, wie mediale Aufmerksamkeitsfaktoren und Resonanzmechanismen enormen Einfluss auf alltägliche Interaktion und Beziehungsgestaltung nehmen.

Weitere Informationen und Ergebnisse finden Sie auf den Seiten des JFF.

Quelle

Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM)

Erstellt am 21. Februar 2013, zuletzt geändert am 21. Februar 2013

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
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