Kinder in Castingshows

Sabrina Unterstell
Sunterstell

 

 

 

Castingshows haben sich zu einem äußerst beliebten Programmformat entwickelt. Die Chance, sich ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, an Glanz und Glamour der Medienwelt teilzuhaben und ein bisschen Starfeeling zu erleben, wirkt auf viele attraktiv und erstrebenswert und scheint insbesondere durch Castingshows für jeden greifbar geworden zu sein.

Zunehmend finden sich auch Shows, bei denen Kinder als Kandidaten auftreten und Angaben von Jugendämtern zufolge nimmt die Zahl der Eltern, die für die Mitwirkung Ihrer Kinder an solchen und ähnlichen Veranstaltungen eine Genehmigung beantragen, zu. Die Entscheidung, ein Kind zu Film-, Fernseh- oder Fotoaufnahmen anzumelden, sollte jedoch vorher gut durchdacht sein. Am Beispiel „Kinder in Castingshows“ werden im Folgenden einige Gesichtspunkte dazu aufgegriffen.

Das eigene Kind in einer Castingshow – Eine wohlüberlegte Entscheidung?

Die Entscheidung darüber, ob ein Kind sein Können bei einer TV-Show unter Beweis stellen sollte, liegt in erster Linie in der Hand der Eltern. Um diese Entscheidung aber tatsächlich im Sinne des Kindeswohls fällen zu können, sollten Eltern unterschiedliche Aspekte in ihre Überlegungen aufnehmen.

Natürlich wollen Eltern das Beste für ihre Kinder, möchten sie optimal fördern und ihr Selbstbewusstsein stärken. Auf den ersten Blick mag es demnach als positive Erfahrung für ein Kind erscheinen, wenn es den Mut aufbringt, vor einem Millionenpublikum aufzutreten, seine Leistung positiv bewertet wird und das Kind so in seinen Fähigkeiten bestärkt wird.

Doch ist das nicht alles, was hinter einem derartigen Fernsehauftritt steckt.

Die Perspektive der Kinder im Blick haben

Für ein Kind bedeutet ein Auftritt in einer Castingshow, dass es sein vertrautes soziales Umfeld verlässt und sich in einem Terrain wiederfindet, welches nichts mit der Erlebnis- und Alltagswelt von Kindern zu tun hat. Wie der Dreh einer TV-Show abläuft, welche Inszenierungen dazu geplant werden und welche Rolle das Kind aus Sicht des Senders dabei spielt, kann ein Kind wohl kaum überblicken.

Was es aber versteht ist, dass es im Fernsehen auftritt, wo es von vielen Menschen gesehen wird, und deshalb seine Aufgabe auch so gut wie möglich erfüllen möchte. Entsprechend wird es den Anweisungen des Fernsehteams weitgehend folgen, davon ausgehend, dass diese Menschen wissen, was zu tun ist.

Das Kind befindet sich demnach in erster Linie in einer fremdgesteuerten Position. Inwieweit der TV-Auftritt letztendlich noch den Vorstellungen, Wünschen und Bedürfnissen des Kindes entspricht ist fraglich.

Die Inszenierung liegt in der Hand der Fernsehschaffenden

Nur wenn man als Zuschauer die Möglichkeit hat, einen Menschen mit all seinen Facetten zu erleben, kann man sich ein objektives Bild davon verschaffen, wie er ist und was er leistet. Beim Fernsehen allerdings besteht beispielsweise durch Kameraführung und Schnitt die Möglichkeit, bestimmte Facetten einer Person zu betonen und andere auszusparen. So ergibt sich letztlich für den Zuschauer nicht unbedingt ein repräsentatives Bild von dem, wie der gezeigte Mensch tatsächlich ist.

Machen Sie sich diesen Aspekt als Eltern bewusst bevor Sie einer Inszenierung Ihres Kindes im Fernsehen zustimmen. Vergewissern Sie sich, ob eine Sendung Ihr Kind und eventuell auch Sie selbst (in Castingshows ist es oft üblich, auch das Umfeld der Teilnehmer zu beleuchten) wirklich so zeigt, wie Sie sich und Ihr Kind wahrnehmen und präsentieren möchten.

Kommerzielle Interessen bestimmen das Geschehen

Man sollte als Eltern im Hinterkopf behalten, dass der Sinn einer TV-Show gewöhnlich nicht darin besteht, Kinder bestmöglich zu fördern, sondern Quote zu bringen. Entsprechend dient der einzelne Kandidat ebenfalls diesem Zweck und als gutes Rezept für gute Quoten gilt es, Emotionen beim Zuschauer zu wecken.

Unter diesem Aspekt sind Kinder willkommene Teilnehmer bei TV-Shows. Kinder bringen Quote, weil sie ganz spezielle Gefühle beim Publikum erzeugen können: Sie berühren den Zuschauer durch ihre Niedlichkeit und Unschuld, und manchmal auch durch eine gewisse Unbeholfenheit.

Sie können den Zuschauer auf besondere Weise faszinieren, weil Leistungen eines Kindes meist einen noch stärkeren Überraschungseffekt haben, da man als Zuschauer unbewusst seine Erwartungshaltung bezüglich einer professionellen Performance etwas herunterschraubt.

Sie können aber auch als „Aufreger“ inszeniert werden, indem bewusst eine Negativreaktion beim Publikum provoziert wird. Das ist bei Kindern insofern nicht schwer, da es in einer Gesellschaft ein kulturell geprägtes Bild von Kindheit gibt. Somit wird eine Darstellung, die diesem Bild entgegenläuft kollektiv als „unpassend“ empfunden, zum Beispiel, wenn ein Kind bewusst sexy o.ä. inszeniert wird.

Das soll nicht heißen, dass die Kinder bei Castingshows generell bloßgestellt werden sollen. Es ist nur wichtig, sich bewusst zu machen, dass hinter einem TV-Format klare Konzepte stehen und Kandidaten so ausgewählt werden, dass sie in diese Konzepte passen. Im Kontext einer kommerziellen Castingshow bedeutet das, dass auch Kinder als Kandidaten dem Erfolg der Show dienen und nicht umgekehrt, die Show primär die Förderung des Kindes fokussiert.

Möchte man seinem Kind also die Möglichkeit bieten, seine Begabungen zu zeigen und zu entfalten, so geschieht dies angemessener in einem pädagogischen Kontext, beispielsweise im Sportverein, Tanz- oder Musikgruppen und bei entsprechenden Wettbewerben unter Gleichaltrigen. Denn dort findet das Kind einen Rahmen vor, der explizit den kindlichen Bedürfnissen angepasst ist und das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt.

Mein Kind in einer Castingshow? Entscheidungshilfen im Überblick

  • Überprüfen Sie selbstkritisch Ihre Motivation, Ihr Kind bei einer Castingshow anzumelden: Folgen Sie tatsächlich dem freien Wunsch des Kindes oder unbewusst eigenen Wünschen, die auf das Kind projiziert werden?
  • Überdenken Sie, ob es tatsächlich dem Wohl Ihres Kindes dient und dessen Persönlichkeit entspricht, vor einem so großen Publikum aufzutreten.
  • Wenn Ihr Kind unbedingt an einer Castingshow teilnehmen möchte, helfen Sie Ihrem Kind abzuschätzen, was es erwartet. Informieren Sie sich dazu beim Veranstalter (Agentur etc.) genau über den Ablauf des Drehs und besprechen Sie alles mit Ihrem Kind. Wägen Sie gemeinsam Vor- und Nachteile ab.
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, seinen Empfindungen zu trauen und nur zu tun, wozu es wirklich selbst Lust hat. Dazu gehört auch, sich umentscheiden zu dürfen! Selbst wenn die Teilnahme an einer TV-Show der sehnlichste Wunsch des Kindes war, muss es das Gefühl haben, aufhören zu dürfen, falls es sich doch überfordert fühlt.
  • Mit Ihrer Unterschrift geben Sie das Recht am Bild Ihres Kindes ab. Seien Sie sich dessen bewusst und hinterfragen Sie kritisch, welche Rolle Ihr Kind im Gesamtkonzept der Sendung übernimmt und wie es inszeniert wird.
  • Vergleichen Sie kindgerechtere Alternativen zu einem Fernsehauftritt, bei denen Ihr Kind ebenso die Möglichkeit bekommt, seine Leistung unter Beweis zu stellen und entsprechend gefördert zu werden, ohne es aus seiner kindlichen Alltagswelt herauszureißen.

Was sagt das Gesetz dazu?

Grundsätzlich ist Kinderarbeit, zu der die Mitwirkung von Kindern bzw. Jugendlichen bei Film-, Foto-, Rundfunk-, Fernsehaufnahmen, Aufnahmen auf Ton- und Bildträgern, bei Musik- und anderen Aufführungen sowie Werbeveranstaltungen zählen, in Deutschland verboten. Castingshows werden diesen Veranstaltungsformen zugerechnet. Es ist jedoch im Einzelfall möglich, eine Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 2 Jugendarbeitsschutzgesetz zu beantragen.

Für die Antragsstellung ist der Arbeitgeber verantwortlich

Für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung sind die Aufsichtsbehörden zuständig. Diese sind je nach Betriebssitz des Arbeitsgebers regional unterschiedlich Jugendämter bzw. Ämter für Arbeitsschutz oder Gewerbe- und Ordnungsämter.

In der Regel muss dem Antrag eine Einverständniserklärung der Eltern, der Schule, des Arztes und des Jugendamtes beigefügt sein.

Der Arbeitgeber darf das Kind erst beschäftigen, wenn diese Ausnahmegenehmigung vorliegt. Daher ist diese vor Beschäftigungsbeginn zu beantragen. Eine nachträgliche Genehmigung wird in der Regel nicht erteilt.

Die maximale Beschäftigungsdauer richtet sich nach dem Alter des Kindes bzw. Jugendlichen:

Alter Beschäftigungszeit Zeitlicher Rahmen
3-6 Jahre 2 Stunden 8-17 Uhr
 

6 Jahre bis vollendetes 10. Schuljahr

3 Stunden 8-22 Uhr
 

Spätestens nach 2 Stunden muss eine Pause von mindestens 30 Minuten eingelegt werden.

Bei Theatervorstellungen dürfen Kinder über sechs Jahre gemäß § 6 Jugendarbeitsschutzgesetz bis zu vier Stunden täglich in der Zeit von 10 bis 23 Uhr gestaltend mitwirken.

Für Kinder unter 3 Jahren kann keine Genehmigung erteilt werden.

Nach geltendem Recht darf eine Beschäftigung nur bewilligt werden, wenn die Betreuung und die Beaufsichtigung des Kindes sichergestellt ist. In Nordrhein-Westfalen muss bei längeren Dreharbeiten (mehr als 30 Tage) eine „medienpädagogische Fachkraft“ das Kind betreuen. Mittlerweile wird diese Regelung auch in anderen Bundesländern freiwillig angewandt.

Weitere Informationen zu den rechtlichen Bestimmungen finden Sie im Jugendarbeitsschutzgesetz.

Autorin

Sabrina Unterstell M.A.; Jahrgang 1980, freie Medienwissenschaftlerin und Redakteurin, Projektleiterin diverser Studien zum Thema Kinder und Fernsehen beim Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayerischen Rundfunk.

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Telefon: 0171 28 62 801

Erstellt am 20. Oktober 2011, zuletzt geändert am 27. Oktober 2011

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