TAFF – Unterstützung bei der Bewältigung des Erziehungsalltags

Andrea Krolzig
Krolzig Bild

 

 

 

TAFF stärkt die Erziehungskompetenz von Eltern und setzt dabei an ihren Ressourcen an. Sie bekommen praxiserprobte Anleitungen und Hilfestellungen, um Belastungssituationen des Erziehungsalltags gewinnbringend für sich und die Kinder zu lösen. TAFF ist ein Einstiegsangebot in Elternbildung mit einem hohen Praxisanteil. Auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmer wird besonders eingegangen.

TAFF richtet sich an Eltern, die von bestehenden Elterntrainings bislang nicht erreicht werden, da sie es nicht gewohnt sind, sich Unterstützung zu suchen. Didaktisch und methodisch ist das Konzept genau auf diese Zielgruppe ausgerichtet. Es stehen umfangreiche Materialien zur Verfügung.

TAFF nutzt persönliche Zugangswege zu den Eltern über lokale Netzwerkpartner, wie zum Beispiel Kindertagesstätten, Schulen, Familienbildungsstätten oder Jugendämter. Die Kurse werden mit Teilnehmenden unterschiedlicher Nationalitäten durchgeführt. Damit leistet TAFF einen wichtigen Beitrag zur interkulturellen Begegnung.

Hintergrund und Ausgangslage

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Familien unterliegen einem ständigen Wandel. Veränderungen in Wirtschaft, Politik und Kultur erfordern hohe Anpassungsleistungen. Die zunehmenden Herausforderungen durch das Erfüllen der Elternrolle, die Erwerbstätigkeit von beiden Elternteilen, die Rollenfindung beim Beginn neuer Lebensphasen, das Organisieren des Familienalltags sowie das Aushandeln der Aufgabenteilung erfordern viel Kraft von allen Beteiligten. Mit diesem Veränderungsprozess steigen sowohl der Druck auf Familien, als auch die gesellschaftlichen Ansprüche und Erwartungen an Erziehung durch die Eltern und an die Leistung der Kinder. Familien müssen zwischen individuellen, sozialen und strukturellen Interessenslagen und Anforderungen abwägen und vermitteln.

Viele Familien geraten durch Arbeitslosigkeit, Armut, Scheidung, Schulden und Isolation in eine schwierige Lebenssituation, aus der sie ohne Unterstützung nicht oder nur schwer wieder herausfinden. Diese Tatsache wirkt sich auf die positive Entwicklung der Kinder aus. Die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses betreffen natürlich auch Migranten-Familien. Die Hilflosigkeit wird zudem durch Verständigungsschwierigkeiten, mangelnde Kenntnisse über das deutsche Bildungs- und Hilfesystem sowie den Rückzug aufgrund von Ausgrenzung verstärkt.

Kulturelle Besonderheiten, eine Mentalität, die nicht dazu geeignet ist, sich professionelle Unterstützung in so persönlichen Dingen wie Erziehungsfragen zu holen, führen dazu, dass Schwierigkeiten in der Erziehung oft ertragen und erduldet werden. Die Fiktion des Grundgesetzes, dass die Sorgeberechtigten naturgegeben und ohne weitere Voraussetzungen ihrer Elternrolle gerecht werden könnten, bricht sich an der Lebensrealität vieler Familien. Familien mit strukturellen Erziehungsdefiziten bzw. situativen Überforderungssyndromen brauchen ergänzende Beratungsleistungen und umfassend unterstützende Kinder- und Jugendhilfeangebote.

TAFF strebt eine Chancengleichheit für Kinder aus bildungsungewohnten Familien an und beteiligt sich an der interkulturellen Öffnung in unserer Gesellschaft. TAFF schafft ein Netz für Familien, indem es viele Partner beteiligt, die weitere Unterstützungsmöglichkeiten für die Familien bieten. Hierzu gibt es ein passgenaues Konzept. Darüber hinaus hat TAFF wirksame Zugangsmöglichkeiten entwickelt, welche ständig überprüft werden. Die enge, bereichsübergreifende Kooperation stellt sicher, dass Probleme möglichst frühzeitig erkannt und – durch die bereits bestehenden persönlichen Kontakte – Unterstützungsangebote von den Eltern auch angenommen werden können. Das Projekt TAFF ist ein niedrigschwelliges Angebot, das sozial benachteiligten deutschen und Eltern mit Migrationshintergrund mit einem passgenauen Konzept zur „Unterstützung bei der Bewältigung des Erziehungsalltags“ gerecht wird.

Familienbildung Taff _starke Partner
Für den Erfolg der Kurse sind starke Partner unerlässlich


Das „Besondere“ an TAFF


TAFF hat eine so genannte „Geh-Struktur“ im Vergleich zu anderen Angeboten, die fast ausschließlich über „Komm-Strukturen“ verfügen. Damit werden auch Familien erreicht, die nicht bildungsgewohnt sind. Es gibt persönliche Zugangswege in einem lokalen Netzwerk. Die Kurse werden wohnortnah durchgeführt. Das TAFF-Konzept bietet niedrigschwellige, lebensweltorientierte Kurse. Dabei wird an den vorhandenen Ressourcen der Eltern angesetzt, um Strategien und Lösungswege zur Bewältigung von familiären Konfliktsituationen gemeinsam zu finden. Die Eltern werden in angemessener Weise für Erziehungsfragen sensibilisiert und lernen alternative Handlungskompetenzen im Umgang mit ihren Kindern.

TAFF-Kurse dienen der Zielgruppe auch als Wegweiser im Hilfesystem. Es bestehen enge Kontakte zwischen den TAFF-Trainern und den Netzwerkpartnern vor Ort. Vor diesem Hintergrund kann nach Beendigung der Kurse eine Nachsorge stattfinden (z.B. regelmäßige Treffen in Stadtteilläden oder Familienzentren etc.). Das Angebot ist für die Teilnehmer kostenlos. Die Durchführung der TAFF-Kurse mit Teilnehmern unterschiedlicher Nationen trägt zur interkulturellen Begegnung bei. Für türkische Teilnehmer stehen Kursmaterialien in der Muttersprache und türkische Kursleitungen zur Verfügung.


Zielgruppe

Besonders benachteiligte deutsche und Eltern mit Migrationshintergrund werden in ihrer Erziehungsverantwortung unterstützt und gestärkt. Im Laufe der Implementierungsphase hat sich gezeigt, dass nicht nur türkische, sondern auch Familien mit anderem Migrationshintergrund an den TAFF-Kursen interessiert sind. Dies ist – sofern nicht sprachliche Barrieren dem entgegenstanden – ermöglicht worden. Es hat sich bereits zu Beginn des Projektes gezeigt, dass die Erstellung unterschiedlicher Konzeptionen für besonders benachteiligte deutsche und Migranten-Familien nicht erforderlich ist, da kulturelle Unterschiede hier keine bedeutende Rolle spielen. Die Problemlagen in den Familien sind unabhängig von kulturellen Unterschieden vielfältig, ähneln sich aber in den beiden Zielgruppen gleichermaßen. Insofern ist die Durchführung der TAFF-Kurse mit Teilnehmern unterschiedlicher Nationen nicht nur unproblematisch, sondern überaus konstruktiv.

Taff Interkulturell
Die Probleme der Eltern sind überall die gleichen – egal vor welchem kulturellen Hintergrund


Vernetzung und Kooperation

Um nachhaltige Angebote realisieren zu können, sind die frühzeitige Einbeziehung und Vernetzung der Akteure aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern erforderlich. Am Projekt TAFF waren Mitarbeiter aus Beratungsstellen für Migranten, dem Bereich Ambulante Hilfen zur Erziehung, Familienbildung und Kindertagesstätten beteiligt. Es ist eine geeignete Organisations- und Verfahrensstruktur aufgebaut worden, die gewährleistet, dass über die Fachkräfte der beteiligten Arbeitsfelder ein persönlicher Zugangsweg zur Zielgruppe gegeben ist. Darüber hinaus wird unter anderem mit Jugendämtern, Grundschulen und weiteren Kitas kooperiert. Es findet ein regelmäßiger Informationsaustausch mit den Beteiligten statt.

Ziel ist es, ein möglichst niedrigschwelliges, lebensweltorientiertes Angebot zu schaffen. Die Mitarbeiter der ambulanten Sachgebiete haben einen direkten Kontakt zu potenziellen Teilnehmern über Elterncafés, Stadtteilläden, Frauengesprächskreise usw. Werbemedien werden so umgestaltet, dass sie den praktischen Nutzen verständlich darstellen.


Selbstverständnis und Erziehungshaltung


TAFF propagiert eine Erziehungshaltung, in der sich Eltern und Kinder in ihrer ganzen Persönlichkeit mit Achtung, Respekt und Wertschätzung begegnen. Dabei ist die Grundannahme, dass Eltern aus einer Überzeugung heraus handeln „das Beste“ für ihre Kinder zu wollen. TAFF geht davon aus, dass Eltern einen Erfahrungsschatz an Wissen und intuitivem Erziehungshandeln haben und die Verantwortung ihrer Elternrolle annehmen.

Der Familienalltag bringt Belastungssituationen mit, die ein unterstützendes, förderndes und wohlwollendes Erziehungshandeln schwierig machen. Verunsicherung, rigides und entwicklungshemmendes Elternverhalten kann die Folge sein. Eltern brauchen hier Austausch, Unterstützung sowie Begleitung, um zu einem befriedigenden, verantwortungsvollen Erziehungsverhalten zu gelangen. So, wie für Kinder Schutz, Anleitung und Hilfestellung für eine gesunde Entwicklung unerlässlich sind, suchen auch Eltern einen geschützten Raum, Anleitung und Hilfestellung – das bietet TAFF.

Familienbildung Taff Sicherheit
Wichtig ist, dass die Teilnehmer einen geschützten Raum haben, in dem sie sich wohl und sicher fühlen

Daraus entwickelt sich die Haltung der Kursleitung, den teilnehmenden Eltern als Experten für ihre Kinder zu begegnen und sie in ihrer Elternrolle mit dem eigenen Fachwissen zu begleiten und zu unterstützen. Ziel ist es, Eltern zu befähigen und zu unterstützen, für ihre spezifische Lebensform eigene Lösungen und Strategien zu entwickeln, um einen positiven Erziehungsstil zu erlangen. Auch die Kursleitung ist gefragt, sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einzubringen und mit den Eltern vorbildhaft in einen Dialog zu treten. Die Vorstellungen vom Leben, die Lebenssituationen sowie Lebensstile können in TAFF-Elternkursen zwischen einzelnen Teilnehmern sowie Kursleitung sehr differieren. Dies ist sensibel wahr- und anzunehmen.

Bei der angesprochenen Zielgruppe ist es wichtig, dass die Kursleitung die Position der Fragenden übernimmt, wenn es um die Lebensumstände und -situationen der teilnehmenden Eltern geht. Durch diese Haltung kann einer Überforderung und neuen Stresssituationen entgegen gewirkt werden. Die Kursleitung lernt gemeinsam mit den Eltern, sucht gemeinsam mit ihnen nach Lösungen und ist Wahrnehmungshilfe für die Eltern. Unterstützend sind dabei verschiedene theoretische Modelle aus der Kommunikationspsychologie, der systemischen Theorie, der Gestaltarbeit und andere.


Methoden

Durch den Einsatz verschiedener Methoden kann

  • die Wahrnehmung fokussiert,
  • neuer Erfahrungsraum geöffnet,
  • Anregung gegeben
  • und ein Gedankenaustausch angestoßen werden.

Methoden verführen jedoch teilweise dazu, sie rigide anzuwenden, um einen sicheren, reibungslosen Kursablauf zu gewährleisten. Hier besteht dann die Gefahr, individuelle Erfahrungen zu verhindern anstatt sie zu ermöglichen. Doch Ziel der Methodenwahl ist die Anregung von Lernprozessen und die aktive Mitarbeit der Kursteilnehmer. Ergebnisse sollen nicht vorweg genommen, sondern selbst gefunden werden. Aus diesem Selbstverständnis heraus werden in den TAFF-Kursen teilnehmerzentrierte Methoden, wie Brainstorming, Austausch in Kleingruppen, Arbeit mit Bildern und so weiter angewendet. Sie helfen, ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und Gedanken anzuregen.

Auch zur Wahrnehmungshilfe werden verschiedene Methoden, wie zum Beispiel Entspannungstechniken, Fragestellungen und Rollenspiele angewendet. Dabei wird darauf geachtet, dass die jeweilige Methode ein Hilfskonstrukt ist, um individuelle Erfahrungen zu ermöglichen. Durch das Einbeziehen möglichst vieler Sinne (Hören, Sehen, Fühlen) werden die Kursteilnehmer auf vielfältige Weise angesprochen.

Ein wesentliches Element in der Arbeit mit anderen Menschen ist die Herstellung des Kontaktes (Rapport). Um eine konstruktive Arbeit zu ermöglichen, ist es von grundlegender Bedeutung, wie Kursteilnehmer und Trainer miteinander in Beziehung treten.

Unterstützend dabei ist

  • eine angenehme, freundliche Raumgestaltung, damit sich die Teilnehmer wohl fühlen können,
  • ein Stuhlkreis, der zum offenen Miteinander einlädt, mit einer schön gestalteten Mitte, in der die Blicke verweilen können,
  • eine Gestaltung der Wände mit Informationen und/oder Anregungen zum Weiterdenken,
  • Getränke und Plätzchen/Bonbons,
  • eine Kursleitung, die sich auf die Sprache der Teilnehmer einstellt, sie wohlwollend und freundlich einlädt, am Training teil zu nehmen,
  • die Bedürfnisse der Teilnehmer als Ausgangspunkt für Lerninhalte zu erfragen, zu erahnen und zu erspüren.


TAFF – Training nach dem 3-Stufen-Modell


Das TAFF Elterntraining ist eine Hilfe für Eltern, die es nicht gewohnt sind, Bildungsangebote wahrzunehmen. Dies soll in allen Kurselementen spür- und erfahrbar sein, damit anschließend weitere Unterstützungsangebote, wie zum Beispiel Elternfrühstück, Konflikttraining, Beratungen etc.) von den Betroffenen angenommen werden.

Das TAFF Elterntraining findet wohnortnah in einer bekannten Institution wie Kita, Stadtteilladen, Schule oder Beratungsstelle statt. Über zehn Wochen treffen sich acht bis zwölf – 12 Eltern. Der Kurs ist nach einem 3-Stufen-Modell aufgebaut, die Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Kurs, bauen aufeinander auf, ergänzen und vertiefen Gelerntes.
Die einzelnen Treffen sind übersichtlich strukturiert, so dass Eltern Orientierung, Sicherheit und Unterstützung erfahren. Aktuelle Anliegen der Eltern werden gemeinsam bearbeitet.

Stufe 1: Ich bin „TAFF“
Der Blick auf mich selbst

Das Ziel der ersten Treffen ist es, dass eine angenehme Atmosphäre geschaffen wird, in der sich alle wohl fühlen. Jeder ist herzlich willkommen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden entdeckt, und es werden Grundlagen für die weitere Zusammenarbeit geschaffen.

Taff Giraffe
Vertrauen und eine gute Atmosphäre sind Voraussetzung für ein konstruktives Miteinander

Die Eltern stehen mit ihren Wünschen, Ideen und Vorstellungen im Mittelpunkt. Sie machen sich ihr eigenes Erziehungsverhalten bewusst und reflektieren es. Ihnen wird vermittelt, dass ein positiver, liebevoller und annehmender Blick auf die Kinder Grundlage für eine gute Beziehung ist. Dieser positive Blick wird durchgehend eingeübt.

Stufe 2: TAFF Förder-Module
Unterstützung für „TAFFe“ Eltern

In der zweiten Stufe werden Themen bearbeitet, die für eine gesunde Entwicklung von Kindern maßgebend sind.

Zum einen wird an der Erziehungs- und Beziehungsfähigkeit gearbeitet:

  • Gefühle ausdrücken und benennen.
  • Vorbildfunktionen der Eltern verdeutlichen
  • Grenzen erfahren und verdeutlichen
  • Familienstrukturen erkennen und deren Aufgaben
  • Bildungssysteme Kindergarten und Schule kennen lernen

Taff-grenzen
Die Teilnehmer erfahren, dass Grenzen Orientierung, Sicherheit, Halt und Schutz bieten

Andererseits werden Anregungen für den Familienalltag erarbeitet:

  • Bedeutung des Spiels
  • Freizeitgestaltung
  • Sprachentwicklung
  • Bücher
  • Ernährung


Die Themenauswahl wird gemeinsam mit den teilnehmenden Eltern gewählt und mit ihren Interessen und Wünschen abgestimmt.

Stufe 3: TAFF Lösungs-Module
Mit Problemen „TAFF“ umgehen

Konflikte und Probleme gehören zu jedem Familienalltag dazu. Sie bieten eine Chance zur persönlichen Weiterentwicklung. Oft sind schwierige Situationen mit entsprechenden Gefühlen wie Wut, Aggression oder Ärger verbunden. Der Umgang mit diesen Problemen wird konkret an Alltagssituationen eingeübt. Handlungskompetenzen, die im TAFF-Elternkurs gelernt wurden, werden vertieft und können an dieser Stelle weiter entwickelt werden.


Kinderbetreuung
Bei Bedarf wird für die Kinder der teilnehmenden Eltern eine Betreuung für die Zeit der Kurse organisiert. Sofern es möglich ist, sollte für den Notfall eine Vertretungsregelung für die Betreuerin geregelt sein.

Kontakt

AWO Bezirksverband Niederrhein e.V.
Andrea Krolzig
TAFF-Koordinatorin
Lützowstraße 32
45141 Essen

Website

TAFF wurde von der AWO Bezirksverband Niederrhein e.V., der AWO Kreisverband Essen e.V. und der AWO Kreisverband Wesel e.V. gemeinsam entwickelt. In der Projektphase wurde TAFF durch die Aktion Mensch gefördert und durch das ISS in Frankfurt am Main wissenschaftlich begleitet.
 

 Erstellt am 30. Januar 2008, zuletzt geändert am 12. Juni 2013