Mütter – und Familienzentren – Entstehungsgeschichte und Leitlinien ihrer Arbeit
Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration
Mütter- und Familienzentren sind offene Treffpunkte für Mütter, Väter und ihre Kinder im Stadtteil oder in einer Gemeinde. Die ersten Mütterzentren sind Anfang der 1980er Jahre entstanden, vor allem aufgrund von Erfahrungen in der Elternbildung: Viele Mütter erlebten damals diese in ihrer hierarchischen Struktur als abwertend und nahmen sie daher kaum noch in Anspruch.
Das Deutsche Jugendinstitut entwickelte daraufhin das „Mütterzentrumskonzept“, das zunächst in einem Bundesmodellprojekt erprobt wurde.
Aus den ersten Modellprojekten hat sich eine “Mütterzentrumsbewegung” entwickelt. Jedes Mütter- und Familienzentrum ist “einmalig”, da sie mit ihren unterschiedlichen Angeboten jeweils ein eigenständiges Profil entwickelt haben. Dennoch wird deren Arbeit von gemeinsamen Leitlinien geprägt:
- Das “Laien-mit-Laien-Prinzip”: Die Mütter und Väter sind Experten/Expertinnen in eigener Sache, sie bringen ihre Kompetenzen und Fähigkeiten in das Mütter- und Familienzentrum ein und sie bestimmen durch ihre Interessen und Wünsche die Angebote mit.
- Mütter- und Familienzentren arbeiten “basisdemokratisch”; es bestehen keine starren, hierarchischen Organisations- und Entscheidungsstrukturen; sie vermeiden jede Form von schulischem Lernen und von Hierarchien durch ein Lehrer-Schüler-Verhältnis.
- Mütter- und Familienzentren orientieren sich am Lebensrhythmus von Familien mit Kindern; sie bieten offene Zugangsmöglichkeiten zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Erfahrungsaustausch.
Was erwartet Sie in einem Mütter – und Familienzentrum?
Je nach Interessen, Bedürfnissen und Wünschen der Familien in einem Stadtteil oder in einer Gemeinde sind auch die Angebote im Zentrum sehr unterschiedlich.
“Herz” eines jeden Mütter- und Familienzentrums ist der offene Treff. Er ist Kontakt- und Kommunikationsort für den gegenseitigen Austausch, für Beratung und Unterstützung.
In Vortragsreihen, Kursen, Gesprächskreisen und Veranstaltungen wird ein vielfältiges Themenspektrum aufgegriffen: Dieses reicht von der Geburtsvorbereitungs- und Stillgruppe über Fortbildungen zu Erziehungs- und Partnerschaftsfragen bis hin zu Selbsthilfegruppen, z.B. von Eltern behinderter Kinder.
In Mütter-und Familienzentren sind Kinder immer dabei, sie bestimmen einen Teil des Mütterzentrumsalltags. In vielfältigen Kinderbetreuungsgruppen wird den Müttern und Vätern stundenweise Entlastung und Unterstützung angeboten. Vielfach gehört zum familienunterstützenden Angebot auch die Vermittlung von Tagespflege oder Babysitterdiensten.
Zahlreiche Mütter- und Familienzentren haben ihre Angebotspalette auch um Servicedienstleistungen für Familien erweitert: Hierzu zählen z.B. der Mittagstisch für Schulkinder und Besucher, die Hausaufgabenbetreuung, ein Bügelservice oder auch ein Second-Hand-Bazar.
Mütter- und Familienzentren arbeiten häufig an der Schnittstelle zu Diensten, die mit Fachkräften besetzt sind. Einzelne Zentren integrieren diese auch in ihre eigene Angebotspalette – dies gilt insbesondere für die Trägerschaft von Kindertagesstätten, aber auch für die flankierende Betreuung von Gewalt betroffener Frauen oder für die Begleitung von Kindern und Eltern nach einer Trennung und Scheidung.
Damit dies leistbar ist, bauen Mütter- und Familienzentren ein breites Kooperationsnetz in ihrem Umfeld auf. Hierzu zählen insbesondere familienbezogene Angebote, Kindertagesstätten, Schulen, Frühförderstellen, Erziehungsberatungsstellen, Familienstützpunkte und Jugendämter (insbesondere Koki-Stellen).
Ergebnisse aus der Mütter- und Familienzentrumsarbeit
Mütter- und Familienzentren erreichen Familien aus unterschiedlichen sozialen und kulturellen Lebensräumen. Sie fördern eine nachbarschaftlich orientierte soziale Infrastruktur, beugen der Isolation von Familien vor und stärken die Lebensqualität für Familien. In den Zentren entsteht ein soziales Netzwerk, das hilft, Fähigkeiten zu entwickeln und zu stärken, Krisen und Probleme aller Art zu bewältigen.
Viele Mütter und Väter, die sich aktiv in einem Mütter- und Familienzentrum engagieren, sind in immer größere Aufgabenfelder “hineingewachsen” und haben im Laufe der Zeit immer mehr Verantwortung übernommen. Besonders Mütter bestätigen, dass sie durch ihr Engagement im Mütter- und Familienzentrum in ihrer Kompetenz zur Gestaltung des Familienalltags und in der Erziehungskompetenz gestärkt werden. Die Leistungen der Mütter für die Familie werden sichtbar gemacht. Dies trägt zu einem veränderten Selbstverständnis von Hausfrauen- und Familientätigkeit bei und stärkt das Selbstbewusstsein der Mütter. Mütterzentren haben sich auch als informelle und besonders niederschwellige Lernorte erwiesen, die vorhandene und in der Familienarbeit zusätzlich erworbene Kompetenzen sichtbar machen und stärken. Nach wissenschaftlichen Studien des Deutschen Jugendinstituts werden insbesondere soziale Kompetenzen wie Toleranz, Vermittlungs- und Konfliktfähigkeit sowie der bessere Umgang mit Gruppenprozessen gefördert. Angesichts der steigenden Bedeutung sozialer Kompetenzen im Erwerbsleben muss dieses Engagement auch als qualifizierend für eine Berufstätigkeit anerkannt werden.
Auch die Kinder werden durch die Mütter- und Familienzentrumsbesuche sehr in ihrer Entwicklung gefördert. Sie erleben ein erweitertes Sozialnetz und machen in meist altersübergreifenden Kinderbetreuungsangeboten vielfach geschwisterähnliche Erfahrungen. Durch den Austausch der Mütter und Väter (Eltern) untereinander und die vernetzte Arbeitsweise mit den Angeboten des Umfeldes wird auch die Beziehung zwischen Mutter/Vater und Kind verbessert.
Mütter- und Familienzentren haben sich vielerorts zum Sprachrohr für familien- und jugendpolitische Belange entwickelt. Sie wissen nicht nur was Familien brauchen, sondern erweitern auch entsprechend ihre eigene Angebotspalette. Durch ihre Mitwirkung in örtlichen Entscheidungsgremien werden die Interessen von Familien insbesondere in die Kommunalpolitik eingebracht. Die Verbesserung der Spielmöglichkeiten für Kinder, die Schaffung neuer Kinderbetreuungsangebote oder die Einflussnahme auf die Verkehrs- und Städtebauplanung sind nur einige Beispiele für Handlungsfelder, in denen sich Mütter- und Familienzentren als Akteure der Familienpolitik präsentieren.
Ohne Geld kommt kein Mütter- und Familienzentrum aus
Selbsthilfe benötigt Räume und Material, aber auch das Engagement der vielen aktiven Mütter und Väter (Eltern) will honoriert werden.
Zum Teil gelingt es den Einrichtungen, Finanzmittel aus Mitgliedsbeiträgen, Einnahmen, Spenden, Stiftungen und Sponsoren zu akquirieren.
Mütterzentren erhalten meist Zuschüsse der öffentlichen Hand. Dabei kann insbesondere auf die jugendhilferechtlichen Grundlagen (SGB VIII § 16) Bezug genommen werden: Das Kinder- und Jugendhilferecht verpflichtet die Träger der Jugendhilfe, präventive Angebote bereitzuhalten. Jugendhilfe soll sich bereits bei der Schaffung von stabilen Verhältnissen beteiligen und sich im Vorfeld von kritischen Lebensphasen und -ereignissen problemmindernd einsetzen. Sie soll insbesondere solche Bedingungen fördern, die Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungsberechtigten befähigen, ihre Probleme zu erkennen, zu mindern und selbst zu lösen. “Hilfe zur Selbsthilfe” wird umso mehr gestärkt, je besser die Angebote auf die Bedürfnisse der Familien abgestimmt sind. Den Möglichkeiten zur Mitgestaltung räumt das Jugendhilferecht daher eine hohe Bedeutung zu.
In erster Linie sind die Kommunen gefordert, die Leistungen der Mütter- und Familienzentren zu unterstützen. Dies kann durch Zuschüsse, aber auch durch kostenlose Überlassung von Räumen und Sachmitteln erfolgen. Insbesondere größere Zentren in Ballungsräumen beschäftigen teilweise auch Fachkräfte, die das Mütterzentrumsgeschehen z.B. durch Wochenendseminare oder durch Beratungsangebote begleiten. Neben kommunalen Zuschüssen werden Mittel der Arbeits- und Sozialhilfeverwaltung hierfür genutzt.
Auch die Länder beteiligen sich in unterschiedlicher Form und Höhe an der Förderung von Mütter- und Familienzentren. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg fördern z.B. eine landesweite Kontakt- bzw. Vernetzungsstelle. Die Bayerische Staatsregierung fördert seit 2003 den Landesverband Mütter und Familienzentren in Bayern e.V. , der die Zentren in ihrer Arbeit unterstützt und vernetzt. In Bayern werden Mütter- und Familienzentren aus Mitteln des Bayerischen Familienprogramms unterstützt. Zuschüsse können für Mitarbeiterstunden in der Betreuung des offenen Treffs und die stundenweise Kinderbetreuung bewilligt werden.
Wenn Sie ein Mütter- und Familienzentrum kennen lernen möchten
Heute bestehen bereits über 400 Mütterzentren. Neben der bundesweiten Etablierung wurde das Mütterzentrumskonzept auch in Österreich, Italien, Tschechien, in der Schweiz sowie in den USA aufgegriffen und umgesetzt.
In Bayern gibt es über 115 Mütter- und Familienzentren.
Die Anschriften der bayerischen Einrichtungen können Sie über das örtliche Jugendamt erfragen. Sie finden sie auch auf der Homepage des Bayerisches Landesjugendamtes unter den Stichworten “Einrichtungen Dienste/ Mütterzentren in Bayern” sowie über die Homepage des Landesverbandes Mütter- und Familienzentren in Bayern e.V.
Die meisten Einrichtungen sind inzwischen auch online erreichbar.
Weitere Informationen, Anschriften und Kontaktstellen bundesweit finden Sie beim Bundesverband der Mütterzentren.
Erstellt am 24. Juli 2001, zuletzt geändert am 24. Februar 2014