Finanzierungsmöglichkeiten zur Familienförderung auf kommunaler Ebene – der Familienpass

Johanna Zierau

1. Einführung

Die wirtschaftliche Situation der Familien ist regional unterschiedlich, denn die Situation der Unternehmen, die Arbeitsmarktlage, die Wohnbedingungen und die Lebenshaltungskosten sind in den Regionen des Bundesgebietes nicht einheitlich. Staatliche Familienpolitik kann mit ihren Instrumenten (wie Erziehungs-/ Kindergeld, steuerliche Berücksichtigung der Familiensituation) auf diese regionalen Unterschiede kaum eingehen. Dieses ist jedoch auf örtlicher und regionaler Ebene gut möglich.

Kreise, Städte und Gemeinden können innerhalb ihrer Kompetenzen wirksam zu einer finanziellen Unterstützung von Familien durch relative oder feste Zuschüsse beitragen – und damit zu ihrer Entlastung. Gebührenbefreiung und -nachlass, Ermäßigung auf Eintrittspreise und ÖPNV-Fahrtkosten oder kostenloser Eintritt sind Maßnahmen, die Kommunen umsetzen können. Darauf angewiesen sind insbesondere viele kinderreiche Familien, Alleinerziehende und Familien, die von Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit betroffen sind.

Die Kommunen können hier differenzierter auf die lebensräumlichen Gegebenheiten und die familienspezifischen Bedarfslagen in ihrer Region eingehen. Staatliche Maßnahmen und die sozialen und ökonomischen Bedingungen wirken im Lebensraum zusammen. Damit die kommunalen Maßnahmen effizient wirken können, ist es erforderlich, die verschiedenen Ansätze zur Förderung und Entlastung der Familien in ihrem Zusammenwirken zu betrachten und zu bündeln.

Ein vielerorts bereits eingeführtes und in verschiedenen Ausformungen erprobtes Instrument zur Bündelung finanzieller Entlastungen für Familien ist der Familienpass. Er ist fast ausschließlich ein kommunales familienentlastendes Instrument. Es gibt ihn jedoch auch als Landesfamilienpass.

2. Effekte des Familienpasses

Der Familienpass – mancherorts auch Familienkarte oder Stadtpass für Familien genannt – verbindet folgende Effekte:

  • Er bündelt die Vielfalt an Leistungen der Familienförderung der Kommune und ggf. anderer Träger und macht den Umfang der Förderung transparent.
  • Die Leistungen können den Familien einfach und unbürokratisch angeboten werden; es wird so ein öffentlich deutlich sichtbares Signal der Solidarität mit Familien gesetzt.
  • Die Familien erhalten ein nachlesbares und anfassbares Zeichen der Familienförderung, das auch zur Anerkennung ihrer familialen Leistungen beiträgt.
  • Die Lebensqualität für die Familien wird verbessert.
  • Die Attraktivität der Kommune gefördert.

3. Zielgruppen

Der Familienpass richtet sich in der Regel an kinderreiche Familien, an Familien mit geringem Einkommen und/oder in besonderen Lebensumständen. Sie werden einkommensunabhängig vergeben bzw. sie beinhalten Staffelungen in Abhängigkeit von der Bedürftigkeit im Zusammenhang mit bestimmten Leistungen. Über die bezugsberechtigten Personen muss im Stadt- oder Gemeinderat abgestimmt werden.

Zielgruppen der Familienpässe sind Familien

  • mit einer größeren Kinderzahl und dem Bezug von Kindergeld;
  • in besonderer Lebenslage: wie Alleinerziehende, mit pflegebedürftigen und behinderten Angehörigen, von Arbeitslosigkeit betroffen oder von der Sozialhilfe abhängig;
  • in besonderer Lebensphase wie ältere Menschen, Ersatz- oder Wehrdienstleistende, Kinder und Jugendliche in Schul-/Berufsausbildung und Studierende.

Oft werden die Pässe nicht nur für die Eltern ausgestellt. Dann erhalten die Kinder Teilpässe, damit sie die Vergünstigungen auch in Anspruch nehmen können, wenn sie ohne die Eltern unterwegs sind.

4. Leistungsangebote

Die Sichtung vorhandener Familienpassregelungen zeigt ein breites Spektrum von Leistungen, die Bestandteil eines Familienpasses sein können. Es beinhaltet freizeitorientierte, kulturelle und bildungsbezogene Leistungen, Fahrten mit dem ÖPNV, Gebühren für kommunale Abgaben, Förderung bei der Wohneigentumsbildung u.v.a.m.

Freier oder ermäßigter Eintritt in kommunalen Einrichtungen

Durch einen Familienpass werden Familien finanzielle Erleichterungen gewährt, die es ihnen ermöglichen, am sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Einige Städte und Gemeinden bieten Familien einen Familienpass an, der z.B.

  • einen freien oder ermäßigten Eintritt in kommunale Einrichtungen (wie Schwimmbädern, Bibliotheken und Museen) ermöglicht,
  • einen Preisnachlass für kulturelle Veranstaltungen beinhaltet,
  • die Teilnahme an Bildungsveranstaltungen (z.B. in Volkshochschulen) subventioniert,
  • Schülerinnen und Schülern Zuschüsse zu Klassenfahrten gewährt,
  • Nachlässe bei Fahrten per Bus, Straßen-, S- und U-Bahn einräumt.

Ermäßigung kommunaler Gebühren

Kommunen können nicht nur finanzielle Unterstützung bei Angeboten leisten, deren Inanspruchnahme den Familien offen steht, sondern gerade auch bei den Kosten, die den Familien auf jeden Fall entstehen – wie z.B. beim Wassergeld, bei Müllabfuhrgebühren oder Energiekosten. Hierbei ist die Ermäßigung direkt oder durch Zuschüsse möglich.

Vergünstigungen bei Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie Ferienprogrammen

Gerade in schwierigen Lebenssituationen, die nicht selten mit finanziellen Engpässen verbunden sind, wird im Haushaltsbudget an den nicht dringend notwendigen Dingen in den Familien gespart. Dazu zählen Bildungs- und Kulturangebote sowie die Teilnahme an Freizeitaktivitäten. Die Kommunen können die Familien mit Ermäßigungen bei Kursgebühren, Ausleihen von Büchern, (Video-) Kassetten, CD´s etc. und bei Bildungs- und Kulturveranstaltungen ganz entscheidend unterstützen. Sie verbessern dadurch den Zugang zur Bildung und leisten damit auch einen Beitrag zum Abbau der Benachteiligung von Familien, die sonst nicht solche Leistungen nutzen könnten.

Als ergänzendes Instrument gibt es in vielen Kommunen ferner spezielle Ferienangebote, die Kindern über eine Feriencard oder einen Ferienpass vergünstigt angeboten werden.

Förderung der Wohneigentumsbildung von Familien

Neben den verschiedenen Möglichkeiten von Kommunen, eine familiengerechte Wohnversorgung sicherzustellen, gibt es auch den Ansatz, Bauhilfen für Familien durch Familiendarlehen anzubieten – und das auch in Kombination mit einem Familienpass. Ähnliches lässt sich durch die Gewährung von Preisnachlässen beim Erwerb von gemeindeeigenen Baugrundstücken erreichen oder durch Vergabe von Grundstücken in Erbpacht für bestimmte Zielgruppen wie z.B. kinderreiche Familien.

Leistungsangebot eines Landesfamilienpasses

Ein Landesfamilienpass bietet freien oder ermäßigten Eintritt in landeseigene kulturelle Einrichtungen wie Museen und Sammlungen, Burgen, Schlösser und Gärten.

5. Umsetzung

Zur Einführung eines Familienpasses in einer Kommune muss zunächst von familienpolitischen Akteurinnen/ Akteuren, z.B. in Wohlfahrtsverbänden oder Parteien, ein Antrag im Jugend- bzw. Sozialausschuss gestellt werden. Vor der Beschlussfassung des Stadt- oder Gemeinderates über die Einführung eines Familienpasses muss die Verwaltung beauftragt werden, Richtlinien für einen Familienpass zu erarbeiten, um die Bezugsberechtigung festzulegen. Das zuständige Amt, das mit der Entwicklung der Richtlinien beauftragt wurde, muss mit möglichen Kooperationspartner/innen Gespräche führen und die Höhe der Ermäßigungen aushandeln – so z.B. mit den Schwimmbadbetreibern, Vereinen, Familienbildungsstätten, Volkshochschulen oder Musikschulen. Darüber hinaus können mit anderen Anbietern Absprachen getroffen werden – z.B. können den privaten Veranstaltern eines Musikfestes öffentliche Räume günstiger vermietet werden, wenn diese sich vertraglich verpflichten, die Eintrittspreise für Inhaber/innen von Familienpässen zu senken.

Zur Koordinierung und Bündelung der örtlichen Leistungen für Familien gehört außerdem die Absprache mit den angrenzenden Gemeinden, Städten oder Landkreisen. Für jene Familien, die Angebote einer Nachbarkommune nutzen möchten, wäre eine gemeindeübergreifende Einführung eines Familienpasses oder die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen kommunalen Regelungen eine gute Lösung (wie dies in den Gemeinden der Kreise Gütersloh und Paderborn praktiziert wird). Ein anderer Weg der Kooperation besteht darin, dass Inhaber/innen von Familienpässen anderer Gemeinden dieselben Vergünstigungen eingeräumt werden (als Beispiel sei hier die Stadt Geseke genannt).

Bei der Gestaltung des Familienpasses sollte berücksichtigt werden, dass

  • für die Antragstellerin/ den Antragsteller klar ersichtlich ist:
  • Wofür werden die finanziellen Vergünstigungen gewährt?
  • Für welche Mitglieder der Familie ist der Pass gültig?
  • Wie lange ist der Pass gültig?
  • der Pass klein und leicht handhabbar gestaltet ist,
  • der Pass mit einer Nummer und einem Gültigkeitsstempel versehen ist.

Der Familienpass kann mit oder ohne Antrag ausgestellt werden, je nach Beschluss des Rates. Wird der Familienpass auf Antrag ausgestellt, können die Familien ihn beim Kulturamt, Jugendamt, bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung bzw. der Einwohnermeldeabteilung beantragen. Unabhängig von der Antragstellung sollten in den genannten Stellen und weiteren öffentlichen Einrichtungen Informationsblätter ausliegen, um die Familien auf das Angebot aufmerksam zu machen.

Erste Voraussetzung für den Erhalt des Familienpasses ist der Hauptwohnsitz in der Stadt oder Gemeinde. Eine Überprüfung der weiteren Förderungsvoraussetzungen sollte über die Vorlage von Zahlungsbelegen und/oder Kindergeldbescheiden erfolgen.

6. Zuständigkeiten und rechtlicher Rahmen

Die kommunalen Gebietskörperschaften betreiben Familienförderung im Rahmen entsprechender Haushaltsplanansätze, indem sie für entsprechende Programme und Maßnahmen Satzungen und Richtlinien erlassen. In der Wahl der Rechtsformen sind die Kommunen weitgehend frei. Sie können sich öffentlich-rechtlicher wie privatrechtlicher Förderungsmethoden (z.B. Verträge) bedienen.

Rechtliche Rahmenbedingungen für kommunale Familienförderung finden sich ferner in den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit der Kommunen, der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, im Subsidiaritätsgrundsatz und im Äquivalenzprinzip.

So gilt auch für Familienförderungsmaßnahmen prinzipiell der Kostendeckungsgrundsatz. Die kommunalen Gebietskörperschaften können dem Ziel der finanziellen Entlastung von Familien dennoch Rechnung tragen, indem sie Deckungslücken, die sich infolge verminderter Entgelte für Familien ergeben, durch Zuführungen des Sozialetats zu den betreffenden Einzelhaushalten ausgleichen.

Für die Inanspruchnahme von Angeboten der Jugendarbeit, der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie und der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen sind die Kommunen nach KJHG (siehe § 90 KJHG) nicht verpflichtet, kostendeckende Teilnahmebeiträge oder Gebühren festzusetzen.

7. Zur Entwicklung der Familienpässe

Eine Recherche im Rahmen des “Netzwerkes für örtliche und regionale Familienpolitik” im Frühjahr 1997 ergab, dass der Familienpass sehr verbreitet ist und sich als fester Bestandteil finanzieller Familienförderung auf kommunaler Ebene etabliert hat. Das zeigt sich auch darin, dass einige Städte und Gemeinden bereits auf eine langjährige Praxis hinweisen können, und es spricht von daher alles eher für eine Weiterführung dieser kommunalen Angebote. Es zeichnen sich jedoch Modifikationen im Leistungsangebot bzw. in Bezug auf die familiären Zielgruppen ab.

Die “Überschaubarkeit der Kosten” ist ein wichtiger Faktor bei der Beschlussfassung über die Weiterführung der Maßnahmen in den Kommunalverwaltungen. In diesem Zusammenhang ist auch die Forderung von Akteurinnen und Akteuren kommunaler Familienpolitik nach einem Familienförderungsbudget in den Haushaltsansätzen zu sehen. Die Vorgehensweise hängt dabei von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und Reformschritten ab. Zwei prinzipielle Anknüpfungspunkte gibt es:

  • Einflussnahme auf die Definition von Maßnahmen der Familienförderung als “Produkte” im Leistungsangebot der Verwaltung oder/und
  • Einflussnahme auf die Liste der bei der internen Kostenerfassung zu berücksichtigenden kommunalen Leistungen und Leistungsträger, damit Familienförderung zukünftig als eigenständiger Leistungsbereich Beachtung findet.

Letztlich wird der Familienpass von den Kommunen auch als Mittel im interkommunalen Wettbewerb gesehen. Hauptsächlich im Bereich der Angebote zur Förderung der Wohneigentumsbildung von Familien durch Familiendarlehen oder die Gewährung von Preisnachlässen beim Erwerb von gemeindeeigenen Baugrundstücken bzw. der Ermäßigung von kommunalen Gebühren (Wassergebühren, Abfallbeseitigung, Energiekosten) sollen deutliche Impulse für die Standortwahl von Familien gegeben werden.

8. Ausgewählte Beispiele

Aus der Vielzahl von Familienpässen hier einige Beispiele:

Quelle

Netzwerk-Info-Text Nr. 4 April 2001 und überarbeitete Fassung 2004; Netzwerk für örtliche und regionale Familienpolitik, Kontakt-, Informations- und Beratungsservice im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der beteiligten Länder; Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH an der Universität Hannover.

Autorin

Johanna Zierau, Dipl.-Volkswirtin
Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung an der Universität Hannover GmbH
Lister Str. 15
30163 Hannover

Tel.: 0511/3997254

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Erstellt am 25. Juni 2001, zuletzt geändert am 11. November 2022