Die Kunst des Schenkens – Wie Eltern auf Kinderwünsche richtig reagieren

Elke Leger
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Unsere Kinder wachsen in einer Welt heran, in der Konsum und Besitz wichtiger als alles andere zu sein scheinen. Welche Wünsche sollten Eltern erfüllen? Wo sind die Grenzen?

Bitter arm waren die beiden, und da kam es ihnen gerade recht, dass eine Fee erschien und die Erfüllung dreier Wünsche in Aussicht stellte. Die Eheleute ließen sich Zeit mit dem Wünschen, sie wollten sicher gehen, dass sie auch das Richtige bekamen, das Schönste, Kostbarste sollte es sein. Denn sie waren so arm, dass die Kartoffeln, die die Frau in der Pfanne briet, allein auf die Teller kommen würden, ohne Fleisch. “Ach” , seufzte die Frau, “hätte ich doch eine Bratwurst zu den Kartoffeln!” Und augenblicklich lag da eine Wurst. Als der Mann sah, wie unnütz seine Frau den ersten Wunsch vertan hatte, wurde er zornig, und in seiner Wut rief er “Wäre dir doch die Wurst an der Nase angewachsen!” So geschah es, der zweite Wunsch war ausgesprochen, und um die Unglückliche davon zu befreien, musste auch der dritte und letzte Wunsch vergeben werden.

Es ist nicht einfach, “richtig” zu wünschen. Das wusste nicht nur Johann Peter Hebel, der diese Geschichte in seinem “Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes” erzählt. Das wissen auch alle, die ihr Geld für etwas hergegeben haben, von dem sie hinterher meinten, sie hätten es besser nicht kaufen sollen. Es braucht viel Erfahrung und eine Portion Bescheidenheit abzuschätzen, was man braucht und was darüber hinaus vertretbar ist. Viele Erwachsene tun sich schwer damit, und um wie viel schwieriger muss es erst für ein Kind sein, zu wissen, was “richtige” Wünsche sind und unwichtige von wichtigen zu unterscheiden. Woher soll ein Kind diese Weisheit nehmen, die nur auf Erfahrung gewachsen sein kann?

Viele Eltern beklagen die Maßlosigkeit ihrer Kinder. “Marcel will alles haben, was er sieht” , berichtet eine Mutter. “Und an Weihnachten sieht sein Wunschzettel aus wie ein Bestellschein” . Mit Katalognummern und Preisen schreibt Marcel alles auf, was ihm attraktiv erscheint. Seiner Mutter ist das nicht geheuer; sie fürchtet, einen Egomanen heranzuziehen, der seine Grenzen nicht kennt.

Doch Entrüstung ist hier fehl am Platz. Marcel und seine Altersgenossen wachsen in eine Konsumwelt hinein, wie sie frühere Generationen nicht kannten. Nahezu jede Fernsehsendung oder Kinderzeitschrift ist Plattform fürs Produkt-Marketing, in den Supermärkten und Kaufhäusern ruft es aus allen interessanten Abteilungen “Kauf mich!” . Wie soll ein Kind dem widerstehen? Die Erziehungskunst hat hier eine neue Dimension bekommen: Die Kunst des richtigen Schenkens. Deren Basis lautet: Das Kind darf sich alles wünschen, denn Wünsche sind grenzenlos. Wünsche haben ihre Heimat in der Fantasie, und dieses Reich ist kostbar und frei von Zensur. Die Aufgabe der Eltern – und sie ist nicht einfach – ist es, aus diesem uferlosen Wünscheland eine Auswahl zu treffen, die der Vernunft gehorcht. Was aber ist vernünftig, wenn wir doch unserem Kind eine Freude machen möchten, andererseits es nicht mit materiellen Dingen verwöhnen wollen?
 

Tipps fürs richtige Schenken

  • Versuchen Sie, die Wichtigkeit und Dringlichkeit des Wunsches herauszubekommen. Es gibt Herzenswünsche und Nebenbei-Wünsche. Echte Wünsche sind es wert, erfüllt zu werden; Nebenbei-Wünsche sind eher ein Strohfeuer, das schnell wieder erlischt. Aber wie unterscheidet man Herzens-Wünsche von Strohfeuer-Wünschen? Herzenswünsche trägt das Kind eine Weile mit sich herum, sie sind von Dauer. Ein Herzenswunsch kann eine bestimmte CD sein, die der Freund/die Freundin in Kindergarten oder Schule besitzt und die ein bestimmtes Statussymbol in sich trägt. Ein Herzenswunsch kann auch das neue Outfit für die Barbie sein, mit das Kind so gern spielt. Ein paar neue Schienen für die Eisenbahn. Oder ein ganz bestimmtes T-Shirt mit dem modischen Aufdruck. Unterschätzen Sie nicht den Status, den ein Geschenk vor den Freunden hat. Ein Kind, das sich behaupten muss in seinem Freundeskreis, ist eher abhängig von Statussymbolen, es wird sich vielleicht etwas wünschen, das es als “in” erscheinen lässt. Auch wenn Sie meinen, dass Sie in diesem Konsumterror-Spiel nicht mitmachen wollen: Ihr Kind muss mit den anderen Kindern auskommen, und Freundschaften laufen eben heute – leider – auch über attraktiven Besitz. Geben Sie dem – in Maßen – nach.
  • Erwarten Sie nicht, dass Ihr Kind seine Wünsche nach dem Verstand richtet. Verstand brauchen Sie als Eltern, um die grenzenlosen Wünsche zu kanalisieren. Ihr Kind ist noch nicht erfahren genug, um “hochwertig” von “minderwertig” zu unterscheiden. Es weiß noch nicht, dass der Kaufmannsladen aus Naturholz pädagogisch wertvoller ist als das Plastikmonster aus dem Kaufhaus. Kaufen Sie ihm ruhig hochwertiges Spielzeug – aber erwarten Sie nicht, dass es ausschließlich damit spielt. Oft haben Spielsachen, die den Pädagogen die Haare zu Berge stehen lassen, keinen geringeren Spielwert als die gut gemeinten teuren Dinge. Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn Ihr Kind mit Dingen, die in keiner Empfehlungsliste stehen, kreativ spielt. Das beste Beispiel ist die Barbie: von Pädagogen verpönt, von aufgeklärten Eltern schamhaft verschwiegen, wohnt sie dennoch fast in jedem Kinderzimmer. Und die Kinder basteln ihr Kleidchen, nehmen sie mit in die Badewanne, schneiden ihr die Haare ab oder bemalen sie bunt mit Filzschreiber. Die Barbie hat sicherlich bisher mehr Kinderseelen beflügelt als verbogen. Beobachten Sie Ihr Kind, dann finden Sie heraus, woran sein Herz hängt.
  • Nehmen Sie Ihr Kind in seinen Wünschen ernst. Lachen Sie nicht darüber, wenn sich Ihr Sohn eine Puppe oder Ihre Tochter ein Lego-Raumschiff wünscht. Gerade “unkonventionelle” Wünsche sind häufig “echte” Wünsche. Machen Sie sich frei von dem Gedanken, wie Ihr Sohn oder Ihre Tochter zu funktionieren hat. Schauen Sie auf Ihr Kind, nehmen Sie es in seiner Persönlichkeit wahr. Wichtiger als das Preisschild auf einem Geschenk ist die Freude in den Augen Ihrer Kinder. Sinnvoll sind auf jeden Fall Geschenke, die ergänzend zu den Spielsachen gekauft werden, mit denen sich das Kind gern beschäftigt.
  • Drücken Sie ein Auge zu, wenn Ihr Kind sich etwas wünscht, das Ihnen nicht gefällt. Ihr Kind wird es überleben, auch mal mit weniger hochwertigem Spielzeug zu spielen. Oft wird sogar ein Spielzeug, das man bislang nur beim Freund benutzen durfte und das dadurch den Nimbus des Unerreichbaren hatte, schnell langweilig, wenn es im eigenen Kinderzimmer liegt. Denken Sie daran: Schenken heißt Freude bereiten. Das Schenken soll den Beschenkten im Blickfeld haben, nicht pädagogische Richtlinien bedienen. Wo Sie die Grenze setzen bei Kriegsspielzeug und ähnlichen Scheußlichkeiten, fühlen Sie selbst. Bei Spielzeug, das ihrem Ästhetik-Empfinden oder ihrer Überzeugung extrem zuwider läuft, sollten Sie den Mut zum “Nein” haben. Ihre innere Überzeugung schenkt Ihrem Kind Orientierung.

Und was ist mit den Geschenken, die wir so wohlmeinend unseren Kindern kaufen, weil wir ihnen etwas Gutes tun wollen? Die sündhaft teure Ostheimer-Burg, die Waldorf-Püppchen, das Bewegungs-Spielzeug? Das alles darf sein, ist pädagogisch wertvoll und stützt unser Gewissen. Doch sollten wir uns bewusst sein: Ein Kind, das mit seinem teuren, pädagogisch ausgefeilten Spielzeug allein gelassen wird und damit einsam in seinem Kinderzimmer sitzt, hat nichts von seinem hochwertigen Ambiente. Um spielen zu können, braucht das Kind ein Gegenüber, jemanden, der sich mit Freude in die Fantasiewelt einladen lässt, der Zeit hat. Zeit und Zuwendung: das ist vielleicht das kostbarste Geschenk, das wir unseren Kindern machen können.

Kauf-Tipps

Eine Grundregel heißt: Je kleiner das Kind ist, desto größer sollte das Spielzeug sein. Wenn die Hände noch ungeschickt sind, will das Kind große, überschaubare Formen fühlen. Ein Ball soll groß genug sein, dass ihn die Hände greifen und festhalten können; jedes Spielzeug soll der noch groben Motorik des Kindes entgegen kommen.

Im Kleinkindalter wie auch später gilt: Besser als jede Imitation ist das Original. Ihr Kind möchte dabei helfen, die Wäsche aufzuhängen oder den Boden zu staubsaugen? Sie können natürlich Wäscheklammern im Miniformat kaufen und einen kleinen batteriebetriebenen Staubsauger. Auch ein kleines Bügeleisen vielleicht, das an dem sich Ihr Kind nicht verletzen kann. Aber all das ist Zeitvertreib. Ihr Kind eifert Ihnen nach, möchte tätig sein wie Sie, und das kann es nicht mit Plagiaten. Es will das Gleiche tun wie Sie, mit den gleichen Werkzeugen. Und wo es nicht gefährdet ist, sollten Sie das auch erlauben. Kein Spielzeug im Miniformat kann das ersetzen.

Auskunft über die Qualität eines Spielzeugs gibt das “CE” -Zeichen. Es bedeutet: Certificate European und ist ein Gütesiegel für Sicherheit. Über den Spielwert sagt es allerdings nicht aus; jedes Stoff-Äffchen von der Kirmes trägt dieses Siegel. Wenn Sie gutes, pädagogisch sinnvolles Spielzeug suchen, sollten Sie auf das “spiel gut” -Siegel achten; es wird nur Spielsachen verliehen, deren Material und Spielwert einwandfrei sind.

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Autorin

Elke Leger, Psychologin, Journalistin, Buchautorin, Mutter von zwei Kindern, viele Jahre Redakteurin einer Familienzeitschrift

Anschrift

Elke Leger
Journalistin – Autorin – Psychologin
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Erstellt am 15. April 2003, zuletzt geändert am 6. August 2014

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