Englisch lernen durch “Eintauchen” – Früher Fremdsprachenerwerb in Kindergarten und Grundschule

Prof. Dr. Henning Wode

Einige Kinder wachsen zwei- oder mehrsprachig auf. In manchen Familien ist das so, weil die Eltern, bzw. ein Elternteil eine andere Muttersprache als deutsch spricht. Es kann aber auch sein, dass Eltern ihre Kinder besonders fördern möchten und so auf eine zweisprachige Erziehung schon im jungen Kindesalter Wert legen. Der Autor beschreibt Möglichkeiten des Lernens für Kinder und Forschungsergebnisse. Außerdem zeigt der Beitrag auf, wie Kinder sich beim Fremdsprache lernen entwickeln.

 

Deutsch – Englisch im zweisprachigen Kindergarten und in der Grundschule 

Seit 1996 werden die Kinder ab 3 Jahren in der AWO-Kindertagesstätte (Kita) in Altenholz bei Kiel nach dem Prinzip „eine-Person-eine-Sprache“ betreut. Eine Erziehungskraft spricht die Muttersprache der Kinder, die andere – ausschließlich – die neue Sprache, in diesem Fall Englisch.

In der Grundschule wird Englisch mit der Immersionsmethode weiter gefördert: bis auf das Fach Deutsch wird der gesamte Unterricht auf Englisch vermittelt. Das mündliche Klassengespräch animiert die Kinder zum Sprechen. Der erste Jahrgang hat im Sommer 2001 die 2. Klasse beendet. Wie sich die Fremdsprache der Kinder im Laufe der Zeit entwickelt hat, sollen drei Zeitschnitte zeigen:

1. Zeitschnitt: Ende der Kindergarten-Zeit und Beginn der 1. Klasse

Bis zum Ende des Kindergartens ist die Fähigkeit zu verstehen dem Sprechen beträchtlich voraus. Schon innerhalb von etwa 6 Wochen wird der Tagesablauf in der Kita in der neuen Sprache bewältigt. Besonders schnell lernen die Kinder formelähnliche Ausdrücke. Sie bezeichnen wiederkehrende Abläufe wie Grüßen, sich Verabschieden, Aufforderungen wie zum Beispiel die Zähne zu putzen. Natürlich durchschauen die Kinder die interne Struktur dieser Wendungen noch nicht. Sie verknüpfen mit ihnen jedoch Aspekte, die mit den typischen Situationen zu tun haben. Sie nehmen auch Vokabeln, die häufig benutzte Gegenstände oder Aktivitäten bezeichnen, sehr schnell auf. Dadurch entwickelt sich auch die Aussprache. Der Satzbau entwickelt sich wesentlich langsamer. Er bleibt bis zum Ende der Kindergartenzeit bruchstückhaft. Dass die Kinder selbst nach drei Jahren untereinander kaum Englisch verwenden, hat den einfachen Grund: Es besteht dafür kein zwingender Anlass. Die Kinder wissen, dass alle bis auf die fremdsprachlichen Erziehungskräfte bestens Deutsch sprechen.

Den Entwicklungsstand gegen Ende des Kindergartens zeigt ein Ausschnitt aus einem Test, der nach etwa 60 Tagen in der 1. Klasse durchgeführt wird. Die Kinder sollten Bilder von einem Jungen auf seinem Weg zur Schule beschreiben.

Beginn der zweisprachigen 1. Klasse:

Interviewer: Okay, so what’s happening?

Kind: Hmm.

Interviewer: Start at the beginning?

Kind: A dog.

Interviewer: A dog, mhm.

Kind: A book.

Interviewer: A book.

Kind: A bed.

Interviewer: Very good, mhm. Erzähl einfach, was du weißt, was Du siehst.

Kind: Hmm. Ich blätter mal weiter.
 

2. Zeitschnitt:

Man sieht, dass nach 60 Tagen Schule die aktive Sprache noch weitgehend dem Niveau bei Ende der Kita entspricht. Es fehlt vor allem jenes Wortmaterial, das für den Satzbau unerlässlich ist: Präpositionen, Konjunktionen, Verben. Fünf Monate später zeigt sich ein ganz anderes Bild. Dieser Test ist anspruchsvoller. Die Kinder sollen eine Bildergeschichte von einem Jungen
und seinem Hund erzählen, dem sein Frosch entläuft. Er wird gesucht und wieder eingefangen. Man beachte besonders die hervorgehobenen Verbformen.

Nach 7 Monaten in der zweisprachigen 1. Klasse:

Kind: There was a boy with a and a dog, and a boy WANTS to CATCH some water
things in the water. And the boy is SEEING a frog and the boy is RUNNING to the
frog. Now the boy ehm fff the ba .. the boy is … is JUMPING and the boy is FALLING
in the water. And now the boy c/ ca/ the boy is LOOKING at a frog and the frog is
la/LOOKING at the boy. Now the boy can’t SEE anymore and the frog is JUMPING
away…

Im Laufe des ersten Schuljahres hat sich eine explosionsartige Entwicklung vollzogen. Nach nur 7 – 8 Monaten haben die Kinder einen enormen Sprung nach vorn gemacht. Jetzt sind Subjekt und Prädikat meist klar erkennbar. Für die Verbindung mit and finden sich viele Beispiele. Auch andere Satzbausteine sind in beträchtlicher Zahl vorhanden. Das Kind benutzt bereits verschiedene Verbformen, wenn auch nicht alle zielgerecht.
 

3. Zeitschnitt:

Gegen Ende des 2. Schuljahres sollen die Kinder erneut die Bildergeschichte mit dem Frosch erzählen. Wieder sieht man weitere, außerordentlich große Fortschritte: die ing-Form herrscht nicht mehr vor. Es finden sich nun auch die übrigen Verbformen vermehrt. Der Satzbau ist beträchtlich komplexer geworden. Fehler nach dem Muster von sleeped, felled oder ranned zeigen, dass die Kinder das Regelhafte an den verschiedenen Verbformen erkannt haben.

Ein anderes Kind am Ende der zweisprachigen 2. Klasse:

Kind: There are, in a room, a dog, a boy, and a frog. The frog was in a glass. It was
night. The boy GOES SLEEPING, and the dog, too. The frog ehm GOES out of the
glass and out of ehm of the room. Next morning, ehm the boy and the dog LOOKED
in the glass and the frog was not there. The window was OPENED. The boy LOOKED
in the shoe/ in / in or sh/ in her shoe, and the dog LOOKED in the glass with his
ehm, was heißt Kopf?

Interviewer: head

Kind: head, ehm, in the glass. Then the boy OPENED the window again and ehm
CRIED: Ehm, where is, ehm no, where are you, frog? The dog, with the head in the
glass, ehm FELL out of the window. And the boy CLIMB out of the window and ehm
TAKE the dog out of the glass, eh, no, the glass is in ten thousand, was heißt
Scherben?

Interviewer: pieces….

Die Beispiele sprechen auch ohne wissenschaftliche Analysen für sich. Bei Immersion unterbleibt jegliches Erklären, Korrigieren oder Üben zur Förderung der sprachlichen Korrektheit. Das Lernen ist dem Kind überlassen. Dies stellt sicher, dass es nicht überfordert wird. Einige Kinder sind in der Grundschule neu hinzu gestoßen ohne vorherigen Kontakt zu der Zweitsprache Englisch. Auch diese Kinder haben erstaunlich schnell gelernt.
 

Im internationalen Vergleich zeichnet sich ab, dass die Altenholzer Kinder bereits gegen Ende des 1. Schuljahres ein sehr hohes Sprachniveau erreichen. Sie sind nach dieser sehr kurzen Zeit genauso weit wie zum Beispiel italienische Schüler an der Europaschule in Varese, Italien, im Alter von 10-11 Jahren. Die Kinder in Italien haben aber viel länger, nämlich 3-4 Jahre lang intensiven herkömmlichen Unterricht von täglich mindestens einer Stunde ab dem 1. Schuljahr gehabt.

Damit dürfte ein Verbund zweisprachiger Kindergarten + zweisprachige Grundschule wie in Altenholz weltweit zu den besten Sprachlernmodellen zählen.

Wo bekommt man weitere Informationen?

Verein für frühe Mehrsprachigkeit an Kindertageseinrichtungen und Schulen FMKS e.V.

A. Lommel
Steenbeker Weg 81
24106 Kiel
Telefon 0431 / 3 89 04 79
E-Mail

Website 

Prof. Dr. Henning Wode
Vorstandsmitglied FMKS und wissenschaftliche Beratung
Olshausenstr. 40
24089 Kiel
Telefon: 0431 / 880 -22 45
 

E-Mail

 

Erstellt am 17. Oktober 2002, zuletzt geändert am 31. März 2010

Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz
Logo: Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz