Grenzen setzen in der Erziehung

Klaus Fischer
Kfischer

 

Grenzen setzen gehört zum erzieherischen Alltag in jeder Familie. Grenzen schränken nicht nur ein und sind daher mit unangenehmen Gefühlen verbunden, sie geben auch Sicherheit und Orientierung. Der Artikel gibt einen Überblick, warum Grenzen notwendig sind und wie Eltern ihren Kindern klar und sicher Orientierung geben können.

Die Einstellung von Erwachsenen Kindern gegenüber und die Frage, was Kinder an „Erziehung und Förderung gebrauchen, um lebenstüchtige Menschen zuwerden, hat sich über die Jahrhunderte hinweg grundlegend gewandelt.

Von der absoluten Verfügungsgewalt bis hin zum Tötungsrecht über verschiedenste Formen der „Aufzucht“, die in der Regel gekennzeichnet waren durch ein hierarchisches Grundmuster bis hin zu liberalen, demokratischen stärker auf kindliche Bedürfnisse ausgerichtete Einstellungen hat es sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber gegeben, was denn nun „richtig“ ist.

Der Einstellungswandel und der Wandel der Erziehungsvorstellungen verliefen immer parallel zu entsprechenden gesellschaftlichen Umbrüchen und Veränderungen und waren häufig ein Spiegelbild gesellschaftlicher Prozesse oder deren Auswirkungen.

Auch in der aktuellen gesellschaftlichen Situation, die gekennzeichnet ist durch eine starke Konsumorientierung, durch stark individuumsbezogene Werteveränderungen und ein hohes Maß an Individualisierung ist die Frage, was Kinder an elterlicher Unterstützung gebrauchen, sinnvoll und notwendig.

Gerade bezogen auf das Thema Grenzen, Strafen, Konsequenzen erleben viele Eltern eine große Unsicherheit ihrer eigenen Rolle. Diese Unsicherheit führt dann oft zu widersprüchlichen halbherzigen unklaren Hinweisen und Verhaltensweisen, die Kindern keine Orientierung geben, sondern verunsichern.

Grundsätzlich gilt:

Kinder kommen mit Bedürfnissen zur Welt aber nicht mit einem Weltbild. Sie sind von Geburt an noch keine Wesen, die sich an Spielregeln mitmenschlichen Zusammenlebens orientieren können, sondern die sich an ihren Bedürfnissen orientieren. Sie brauchen auch zunächst die Befriedigung ihrer Bedürfnisse um Grundsicherheit zu erlangen, müssen dann aber auch lernen, dass es andere Menschen mit anderen Bedürfnissen gibt.

Wenn wir uns hier mit dem Thema „Grenzen“ beschäftigen, heißt dies, dass Grenzen eingebettet sein müssen in liebevolle Beziehungen, in verantwortliches erwachsenes Handeln.

„Kinder brauchen Grenzen“ heißt nicht, dass Erwachsene ihre Ausraster, ihre willkürlichen und unreflektierten Machtdemonstrationen, ihre Übergriffe rechtfertigen mit dem Argument, dass Kinder eben nicht anders lernen.

Grenzen aufzeigen heißt, verantwortlich Orientierung geben, wohlüberlegt Einhalt gebieten und Kindern Werte und Regeln des Zusammenlebens vorleben und vorgeben mit dem Bewusstsein, dass Grenzen Halt und Sicherheit geben.

Kinder brauchen und suchen die Erfahrung von Grenzen. Gerade weil Kinder sehr stark bedürfnisorientiert sind, brauchen sie auch nach und nach die angemessene Erfahrung des Versagens von Wünschen.

Grenzen setzen erfordert aber auch und vor allem Klarheit und Standfestigkeit der Eltern. Gerade aus der Verunsicherung darüber, was richtig ist und was nicht, erleben wir heute oft eine große Hilflosigkeit vieler Eltern. Aus Angst davor, die Liebe ihrer Kinder zu verlieren, im Konkurrenzkampf mit anderen Eltern (Spielzeug Taschengeld) oder aus eigener leidvoller Erfahrung mit rigiden unsinnigen und nicht angemessenen Grenzen verlieren Eltern oft die nötige Klarheit und vermeiden Grenzen da, wo sie angebracht sind.

Die Bereitschaft, auch Grenzen zu setzen, bedeutet für Eltern aber auch, den unangenehmen Teil der Erziehung zu übernehmen, sich u.U. auch mal unbeliebt zu machen und die Wut und den Ärger der Kinder auszuhalten. In einer Welt, die anscheinend so perfekt ist, in der alles auf Knopfdruck funktioniert, erleben verantwortungsvolle Eltern gerade bei der Frage des Umgangs mit Grenzen, wie komplex Erziehung ist, wie vielfältig der Alltag mit Kindern ist und wie sehr Eltern letztendlich als Person gefordert sind.

Zu oft und zu viel sind Eltern in den letzten Jahrzehnten durch verschiedenste Ratgeber und pädagogische Strömungen mehr verunsichert und verwirrt worden als das sie tatsächlich unterstützt wurden. Das Gefühl dafür, was denn richtig oder nicht richtig ist, haben wir häufig regelrecht verlernt. Eltern müssen wieder lernen, ein Gespür dafür zu bekommen, was richtig ist, der eigenen erzieherischen Kompetenz vertrauen und dann verantwortungsvoll handeln.

Klassische Fallen:

Es gibt eine Reihe typischer Verhaltensweisen, die genau nicht das bewirken, was sie bewirken sollen sondern eher dazu führen, dass Kinder nicht zuhören, ihre Eltern nicht ernst nehmen, nicht gehorchen…

1. Fragen, bitten, betteln

  • „Meinst du nicht auch, dass Du genug Süßigkeiten gegessen hast?“
  • „Glaubst Du nicht, dass Du genug ferngesehen hast?“
  • „Findest Du nicht, dass Kinder in Deinem Alter um diese Uhrzeit ins Bett müssen?“

Hinter diesen Fragen steht in der Regel eine klare elterliche Vorstellung davon, was denn angebracht ist. Um nicht autoritär zu erschienen, geben sie ihren Kinder aber nicht die klare Botschaft sondern die Frage, weil sie insgeheim hoffen, dass die Kinder zustimmen und dass dadurch ein möglicher Konflikt vermieden wird.

Hilfreicher und Erfolg versprechender ist eine klare Botschaft:

  • „Ich möchte, dass Du aufhörst, zu naschen. Du hast genug Süßes gegessen.“
  • „Stell bitte den Fernseher aus!“
  • „Es ist spät genug. Ich möchte, dass du jetzt ins Bett gehst!”

2. Aufforderungen aus dem Hintergrund

Während die Kinder mit irgendetwas beschäftigt sind (spielen, basteln, fernsehen, streiten…) kommen die elterlichen Aufforderungen aus dem Hintergrund, d.h. aus einem anderen Raum, ohne Kontakt, vor allem ohne Blickkontakt zu den Kindern aus der Küche, dem Keller usw.:

„Räumt jetzt auf! „Häng Deine Jacke auf“ „Hört auf zu streiten“…

Kinder haben eine verständliche Tendenz, unangenehme Dinge zu überhören und zu ignorieren, weil ihre Aufmerksamkeit dem aktuellen Tun gewidmet ist. Außerdem können Kinder gut einschätzen, wie „ernst“ die Aufforderung aus dem Hintergrund ist und ob es „gefahrlos“ möglich ist, sie zu überhören.

Hilfreicher und Erfolg versprechender ist, Kontakt herzustellen:

Gerade bei unangenehmen Forderungen heißt dies: Kontakt herstellen (zum Kind hingehen, auf Augenhöhe gehen, evt. Anfassen) und klar und eindeutig sagen, was zu sagen ist.

3. Zu schneller Kontaktabbruch

In der Hektik des Alltages verhalten sich Eltern häufig nach folgendem Muster: Die Aufforderung („Häng bitte Deine Jacke auf!“) wird dem Kind gesagt, dann wendet sich der Erwachsene ab und geht wieder einer anderen Tätigkeit nach und wundert sich dann, wenn die Jacke noch da liegt und das Kind verschwunden ist.

Hilfreicher und Erfolg versprechender ist, zu warten, bis das Kind reagiert:

Auf das Beispiel bezogen heißt dies, dass der Erwachsene nach der Aufforderung: („Häng bitte Deine Jacke auf!“) stehen bleibt und wartet, bis das Kind der Aufforderung nachkommt. Damit wird die Eindeutigkeit und Bedeutung der Aufforderung klarer, gleichzeitig bietet es die Gelegenheit, angemessen zu reagieren, d.h. zu loben, wenn das Kind der Aufforderung nachkommt oder die Aufforderung zu wiederholen, wenn das Kind ihr nicht nachkommt.

4. Verbote, statt Anweisungen

  • “Hört auf, zu streiten!”
  • “Hample nicht so rum!”
  • “Schmier nicht so!”

Erwachsene sagen Kindern häufig, was sie nicht tun sollen, was sie lassen sollen, was unangemessen ist, was stört. Sie lenken damit die Aufmerksamkeit auf die negative Seite der Verhaltensmöglichkeit. Die Kinder bekommen aber durch diese Form noch keine klaren Hinweise, was denn von ihnen erwartet wird.

Hilfreicher und Erfolg versprechender ist, positiv formulierte klare Erwartungen zu äußern:

  • “Überlegt Euch, wie Ihr das regelt.”
  • “Setz Dich bitte hin!”
  • “Iss bitte mit dem Löffel, statt mit den Händen.”

Die Kinder bekommen einen klaren Hinweis darüber, was von ihnen erwartet wird.

5. Anordnungen ohne Vorwarnungen

  • “Auf der Stelle hörst Du auf.”
  • “Sofort kommst Du hierher.”

Kinder sind in der Regel sehr intensiv mit den Dingen beschäftigt, die ihnen am Herzen liegen. Sie können nicht so schnell umschalten, wie Erwachsen gerne möchten und brauchen eine „Vorlaufzeit“.

Hilfreicher und Erfolg versprechender ist, Vorlaufzeiten einzuplanen:

  • “In 5 Minuten essen wir, spielt schon mal zu Ende.”
  • “In 10 Minuten müssen wir los.”
  • “Wenn Du zu Ende gespielt hast, fang nichts Neues an, wir müssen gleich zum Zahnarzt.”

6. Warum-Fragen

“Warum hast Du dies gemacht?”
“Warum weinst Du jetzt schon wieder?”
“Warum hast Du mich belogen?”
“Warum streitet ihr schon wieder?”

Warum-Fragen dienen nicht tatsächlich der Ursachenforschung, sondern dienen eigentlich dazu, dass Kinder Schuldgeständnisse ablegen und Fehlverhalten zugeben. Sie fühlen sich häufig in die Ecke gedrängt und versuchen mit Ausflüchten („Weiß ich nicht“), die Situation zu überstehen, manövrieren sich aber oft in weitere aussichtslose Positionen: („Wieso weißt Du das nicht?“). Das Ganze endet für Eltern und Kinder unbefriedigend.

Hilfreicher und erfolgversprechender ist, nach Lösungen zu suchen:

  • “Bring das bitte wieder in Ordnung.”
  • “Was könnt ihr tun, damit ihr miteinander zurechtkommt.”
  • “Hast du eine Idee, wie du das Problem lösen kannst.”
  • “Seht ihr eine Möglichkeit, wie ihr ohne Streit die nächste Stunde miteinander verbringen könnt.”

Die Kinder geraten nicht in die Defensive sondern werden unterstützt beim Versuch, Probleme zu lösen, statt sie zu ergründen. Außerdem wird unterstellt, dass sie dazu in der Lage sind.

7. Appelle an die Einsicht

  • “Du musst doch einsehen, dass dieser Film nichts für dich ist.”

Mit langatmigen wiederholten Appellen versuchen Erwachsen Kinder zu bewegen, die Sicht der Erwachsenen zu übernehmen, ohne zu akzeptieren, dass Kinder aus ihrem Erleben heraus anders wahrnehmen und empfinden als Erwachsene.

Hilfreicher und Erfolg versprechender ist, klar zu erklären, was man als Erwachsener erwartet und dies auch zu begründen.

  • “Ich möchte, dass du den Fernseher ausstellst, weil ich der Meinung bin, dass dieser Film für dich nicht geeignet ist.”

8. Androhung von unrealistischen Strafen

  • “Wenn du den Fernseher nicht ausschaltest, bekommst du 6 Wochen Hausarrest.”
  • “Wenn du nicht pünktlich nach Hause kommst, nehmen wir dich nicht mit in den Urlaub.”
  • “Wenn du den Teller nicht leer isst, bekommst du nichts mehr zu essen.”

Durch solche oder ähnliche Drohungen werden Kinder entweder verängstigt und verunsichert oder sie durchschauen, dass die Erwachsenen leere und damit wirkungslose Drohungen aussprechen.

Hilfreicher und erfolgversprechender ist, realistische und angemessene Konsequenzen aufzuzeigen.

  • “Wenn du den Fernseher anmachst, obwohl wir es untersagt haben, darfst du deine Lieblingssendung an dem Tag nicht sehen.”
  • “Wenn du nicht pünktlich nach Hause kommst, machen wir uns Sorgen, wo du bist. Du musst dann am nächsten Tag zuhause bleiben.”
  • “Wenn du keinen Hunger hast, brauchst du es nicht aufzuessen, Du bekommst allerdings auch keine Süßigkeiten nach dem Essen.”

Was können noch Eltern tun, damit ihre Kinder auf sie hören, sie ernst nehmen, gehorchen…?

Über diese Anregungen, anders auf typische Alltagssituationen zu reagieren, hinaus haben Eltern noch andere Möglichkeiten, in angemessener Form Erziehungskompetenz unter Beweis zu stellen.

1. Vorbeugung

Achten sie mehr auf das Gute, Lobenswerte, Richtige …

“Schön, dass du pünktlich bist.”
“Prima, dass du mir geholfen hast…”
“Gut, dass du daran gedacht hast…”
“Toll, wie du das gemacht hast.”

Kinder, die genügend Aufmerksamkeit für angemessenes Verhalten erhalten, brauchen nicht durch auffälliges Verhalten Aufmerksamkeit erzwingen.

2. Vereinbarungen, statt Verordnungen

  • “Lass uns überlegen, wie wir die Frage des Aufräumens klären können. Das Zimmer muss aufgeräumt werden, ich möchte aber mit dir gemeinsam überlegen, wie wir das am besten regeln.”

Gemeint sind mit Vereinbarungen Absprachen, bei denen beide Seiten ihre Wünsche und Vorstellungen einbringen und in Form eines Vertrages oder einer Abmachung festlegen. Diese wird möglichst schriftlich festgehalten. Sie soll die unterschiedlichen Vorstellungen angleichen und eine verbindliche Regelung schaffen.

Wichtig ist, darauf zu achten, dass tatsächlich eine Vereinbarung getroffen wird, die von beiden Seiten akzeptiert wird.

Eltern verwechseln häufig Vereinbarungen mit Verordnungen, die sie ausgegeben haben. „Wir haben doch vereinbart, dass …“ wird von Eltern häufig dann gesagt, wenn sie eigentlich sagen müssten: „Ich habe dir doch gesagt, dass …“ Verständlicherweise reagieren Kinder auf diese Form der „Absprache“ höchst empfindlich.(Siehe Kapitel: Du musst doch einsehen, dass …)

Eine Vereinbarung kann auch gekoppelt werden an eine Form von Belohnung oder Verstärkung bei Erfüllen der abgesprochenen Schritte oder an den Entzug von Vergünstigungen bei Nichteinhalten.

Oft wird der Einwand erhoben, dass Eltern durch das Einlösen von Belohnungen für die Hausaufgaben erpressbar werden, oder dass Kinder lernen, nur noch für materielle Belohnung zu arbeiten.

Übersehen wird, dass Eltern Kinder durch ihre Reaktionen immer belohnen oder bestrafen, auch Lob oder Kritik sind Formen sozialer Verstärkung oder Bestrafung. Mit dem gezielten Einsatz (oder dem Entzug) von Verstärkern wird elterliches Verhalten nur transparenter und nachvollziehbarer.

3. Verstärker, Belohnungen, Lob für angemessenes Verhalten

Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder erwünschtes Verhalten (Hausaufgaben zufrieden stellend anfertigen) häufiger zeigen, wird durch lobende Unterstützung und positive Verstärkung deutlich vergrößert.

Grundregel:

Wenn man unerwünschtes Verhalten tadelt (nicht pünktlich sein), sollte man erwünschtes Verhalten auch loben (pünktlich sein).

Wenn Eltern sich vornehmen, mehr oder gezielt zu loben und positive Rückmeldungen zu geben, sollten sie Folgendes beachten:

  • Loben Sie Ihr Kind gelegentlich in Alltagssituationen, so dass es merkt, dass Ihnen das Zusammensein mit dem Kind gefällt.
  • Ihr Lob muss aufrichtig sein, nicht taktisch oder strategisch eingesetzt.
  • Sprechern Sie Ihr Kind direkt an: „Das hast du gut gemacht!“ und nicht
  • indirekt: „Das ist schon gut.“
  • Loben Sie Ihr Kind, sobald es einer Aufforderung folgt.
  • Drücken Sie Ihr Lob auch nonverbal aus (Mimik, Gestik, Körperkontakt…).
  • Loben Sie Ihr Kind, wenn es sich an Regeln hält und Aufforderungen nachkommt.
  • Loben Sie Ihr Kind besonders, wenn es eine Aufgabe erfüllt hat, ohne dass Sie es direkt darum gebeten haben.
  • Verzichten Sie beim Lob auf kritisches oder abwertendes „Beiwerk“, das die Wirkung des Lobes zunichte macht. (Das hast du gut gemacht, warum klappt das denn nicht gleich so!)

Lob erzeugt Stolz

Tadel erzeugen schlechte Stimmung

Lob motiviert zur Weiterarbeit

Tadel können Versagensängste erzeugen

Lob richtet die Aufmerksamkeit auf das, was das Kind schon kann

Tadel richten die Aufmerksamkeit auf die Fehler, nicht auf die richtigem Lösungen

Lob stärkt die Selbständigkeit

Tadel können der Anfang einer Spirale in Richtung Machtkampf sein

4. Aufstellen von Regeln

  • Beim Essen ist der Fernseher ausgeschaltet.
  • Jeder räumt sein dreckiges Geschirr in die Spülmaschine.
  • Im Haus werden Hausschuhe getragen.

Klare Regeln, die für alle Gültigkeit haben, erleichtern das Zusammenleben und ersparen überflüssige und immer wieder aufkommende Auseinandersetzungen. Wichtig ist, dass Regeln immer wieder daraufhin überprüft werden, ob sie noch zu der aktuellen Familiensituation passen oder aufgrund von Lebensveränderungen angepasst werden müssen. Regeln könne sowohl Ergebnis familiärer Gespräche und Absprachen (Vereinbarungen) sein als auch von Eltern vorgegeben.

5. Wirkungsvolle Aufforderungen

Auch wenn Eltern durch entsprechende vorbeugende Maßnahmen viele Konfliktpunkte im Vorfeld ausräumen können, bleiben Situationen, in denen es darum geht, Kindern durch klare und eindeutige Aufforderungen eine Orientierung zu geben. Aufforderungen sind dann wirkungsvoll, wenn Eltern folgende Punkte beachten:

  • Stellen sie nur Aufforderungen, wenn Sie bereit (und in der Lage) sind, sie auch durchzusetzen.
  • Bevor Sie Aufforderungen aussprechen, überlegen Sie sich positive oder negative Konsequenzen, die sie u. U. folgen lassen können.
  • Verringern Sie Ablenkung, bevor Sie Aufforderungen geben. (Kinder vorm Fernseher, Video, Computer nehmen Sie nicht wahr )
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind aufmerksam ist, wenn Sie mit ihm sprechen. (Blickkontakt, Körperkontakt….)
  • Äußern Sie ihre Aufforderungen eindeutig und nicht als Bitte!
  • Geben Sie immer nur eine Aufforderung zur gleichen Zeit. (Bitten Sie Ihr Kind, die Aufforderung zu wiederholen.)
  • Bleiben Sie in unmittelbarer Nähe, bis Ihr Kind ihrer Aufforderung nachkommt.

6. Strafen und logische Konsequenzen

Immer wieder betonen Eltern, dass all die Versuche, Kinder an bestimmte Regeln zu gewöhnen, vergeblich gewesen seien und dass Strafen das einzige Mittel seien, Kinder daran zu gewöhnen, sich an elterliche Vorgaben zu halten.

Wenn Eltern von der Notewendigkeit von Strafen überzeugt sind, sollten sie folgende Empfehlungen beherzigen:

Erwachsenes Verhalten – auch bei der Erziehung von Kindern in Krisensituationen – ist gekennzeichnet durch

  • Respekt u. Würde,
  • Affektkontrolle,
  • Besonnenheit,
  • Gelassenheit.

Wenn Strafen einen Sinn haben sollen, sind dementsprechend folgende Grundsätze zu beachten:

  • Ich behandle mein Kind so, wie ich selbst auch behandelt werden möchte! (Respekt und Würde)
  • Bevor ich strafe, atme ich 5 mal tief durch und zähle bis 20 (Affektkontrolle)
  • Ich denke daran, dass ich erwachsen bin. (Besonnenheit)

Besonders, wenn im Alltag häufige Situationen auftauchen, in denen Eltern strafen, sollten sie sich fragen, wie ihre eigene psychische Verfassung ist.

Die meisten Strafen verhängen Eltern nämlich dann, wenn sie selbst gestresst sind. Das heißt, dass die Frage, ob ein Kind bestraft wird oder nicht, in hohem Maße vom elterlichen Gemütszustand und erst danach vom tatsächlichen (Fehl)verhalten des Kindes bestimmt wird.

Beispiel:

Stellen Sie sich folgende Situation vor:

Seit 1 Woche ist schlechtes Wetter. Sie haben an ihrem Auto einen langen Kratzer entdeckt. Mit ihrem Partner/ihrer Partnerin haben Sie in den letzen Wochen viele Auseinandersetzungen gehabt, gerade haben Sie Post bekommen, dass Sie viel Steuer nachzahlen müssen, über Nacht ist die Kühltruhe kaputtgegangen……

In diesem Moment wirft ihr 3–jähriges Kind aus Versehen ein Glas Orangensaft auf den Fußboden.

Wie werden Sie wahrscheinlich reagieren?

Stellen sie sich die Situation nun so vor:

Draußen ist wunderschönes Wetter. Sie haben unerwartet eine Steuerrückzahlung bekommen. Mit ihrem Partner/ihrer Partnerin haben Sie sich in den letzen Wochen so gut verstanden, wie lange nicht. Sie freuen sich auf eine Veranstaltung, zu der sie unerwartet noch eine Eintrittskarte bekommen haben….

In diesem Moment wirft das gleiche 3–jährige Kind aus Versehen das gleiche Glas Orangensaft auf den Fußboden.

Wie werden Sie wahrscheinlich reagieren?

Wenn Sie auch unter Berücksichtigung all dieser Faktoren von der Notwendigkeit einer Strafe überzeugt sind, beachten Sie Folgendes:

Strafen, die wirksam sein sollen,

  • haben möglichst einen Sinnzusammenhang mit dem Vergehen,
  • erfolgen möglichst unmittelbar im Anschluss und nicht irgendwann,
  • sind für das Kind berechenbar,
  • sind vorher abgesprochen,
  • sind dem Vergehen angemessen,
  • richten sich nicht gegen das Kind,
  • sondern gegen sein Tun,
  • kommen nie ohne Vorwarnung.

Was immer Eltern auch tun, sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass willkürliche, unbedachte, unangemessene Strafen die Beziehung zu den Kindern vergiften.

Sie sollten daran denken, dass sie auch Kinder waren und wie es ihnen ergangen ist, wenn sie von ihren Eltern gestraft wurden. Manchmal hilft es, sich bewusst zu machen, was man selbst als Kind in vergleichbaren Situationen statt der Strafen der eigenen Eltern tatsächlich gebraucht hätte, was wirklich gut und hilfreich gewesen wäre.

  • Kompetente Eltern sind weder nachgiebig noch überstrengt.
  • Kinder erwarten zu Recht von ihren Eltern Lenkung und Leitung, Orientierung und Halt.

Dies setzt aber mehr an innerer Stabilität als an äußerer Machtdemonstration voraus.

Literatur

  • Aust-Claus, Hammer (1997): Auch das Lernen kann man lernen, Oberstebrink & Partner, Ratingen
  • Bastian, Maike und Till (1996): Die Angst der Eltern vor dem Kind, Beck`sche Reihe 1189, München
  • Döpfner, Manfred; Schürmann Stefanie, Lehmkuhl Gerd (1999): Wackelpeter und Trotzkopf, Beltz Verlag
  • Döpfner, Manfred; Schürmann Stefanie, und Fröhlich J. (1998): THOP – Therapieprogramm für Kinder… Beltz
  • Dreikurs, Rudolf; Grey Loren (1981): Kinder lernen aus den Folgen, Herder 612, Freiburg
  • Ehrensaft, Diane (2000): Wenn Eltern zu sehr…Klett-Kotta, Stuttgart
  • Hennig, Claudius; Ehinger Wolfgang (2000): Lösungsorientierte Beratung, Creasys Tübingen 3. Auflage
  • Jansen und Streit (1992): Eltern als Therapeuten, Springer-Verlag
  • Kast–Zahn, Anette (1997), Jedes Kind kann Regeln lernen, Oberstebrink & Partner, Ratingen
  • Otte, Horst Manfred (1995): Ohnmächtige Eltern, Borgmann, Dortmund
  • Rogge, Jan-Uwe (1995): Eltern setzen Grenzen, Rororo 1690, Hamburg
  • Rogge, Jan-Uwe (1997): Kinder brauchen Grenzen, Rororo 1490, Hamburg
  • Rotthaus, Wilhelm (1998): Wozu erziehen? Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg
  • Struck, Peter (1996): Die Kunst der Erziehung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt

Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch

Autor

Klaus Fischer, Dipl.Soz.päd., Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, Familientherapeut, Supervisor

Unter dem Leitthema: „Hilfen für Eltern“ sind folgende Broschüren direkt beim Autor zu beziehen:

  • Hilfen für Eltern 1: „Mein Kind kommt in die Schule“
  • Hilfen für Eltern 2: „Pubertät – Wenn die Eltern komisch werden“
  • Hilfen für Eltern 3: „Immer diese Hausaufgaben“
  • Hilfen für Eltern 4: “Grenzen setzen”
  • Hilfen für Eltern 5: “Konzentration”
  • Hilfen für Eltern 6: “Wie funktioniert eine Familie?”

Kontakt

Beratungsstelle f. Eltern, Kinder und Jugendliche
Oststrasse 42
57302 Schmallenberg
Tel.: 02972 2288

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Erstellt am 15. November 2002, zuletzt geändert am 30. Juli 2013