Was Kinder über Lügen aus Höflichkeit denken

Prof. Dr. Renate Valtin und Prof. Dr. Sabine Walper
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Kinder entwickeln sich erst allmählich und zumeist in charakteristischen Stufen in sozial und moralisch kompetente Personen. Aufschluss über den Entwicklungsstand des Kindes geben seine Vorstellungen zu wichtigen Begriffen wie Lügen und Höflichkeit. Dieser Artikel berichtet über Ergebnisse einer Interviewstudie mit Kindern im Alter von 5 bis 12 Jahren.

Kindermund tut Wahrheit kund – dies ist als Volksweisheit bekannt. Viele Eltern leiden jedoch darunter, wenn Kinder in der Öffentlichkeit völlig unbekümmert und lautstark Kommentare über das Aussehen anderer Leute abgeben (“Der Mann hat ja einen Busen, gell Mami?”) oder unbefangen auf fremde dicke Leute zugehen (“Kommt aus deinem Bauch auch ein Baby rausgekrabbelt?”). Jüngeren Kindern fehlt noch das Feingefühl und das Gespür dafür, dass ihre Äußerungen für andere verletzend sein können.

Kinder lernen erst allmählich, ihre Zungen zu zügeln oder gar die Wahrheit zu beschönigen, um anderen Peinlichkeit und Scham zu ersparen. Lügen aus Höflichkeit sind – zumindest unter Erwachsenen – eine bewährte Strategie, die Klippen unangenehmer Wahrheiten zu umschiffen. Wie Kinder Höflichkeitslügen beurteilen, ist jedoch noch wissenschaftliches Neuland. Bislang wurde kaum untersucht, wie Kinder jenes Spannungsverhältnis begreifen, das zwischen der Norm, ehrlich zu sein, und der, höflich zu sein, besteht.

In unserer Untersuchung wollten wir herausfinden, ob bzw. von welchem Alter an Kinder mögliche positive Funktionen der Lüge verstehen, wie sie diese bewerten und vor allem: wie sie sich selbst in Situationen verhalten würden, die eine Höflichkeitslüge nahe legen können. Auch interessierte uns, ob und von welchem Alter an Besonderheiten der Situation in den Urteilen der Kinder eine Rolle spielen.

Zum einen ging es um Statusunterschiede, wie sie durch das Altersgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern gegeben sind, die – stärker als in der Interaktion mit Gleichaltrigen – Höflichkeit seitens der Kinder “gebieten” . Zum anderen wurde die Situation als Gast, die ein Höflichkeitsgebot beinhaltet, der wechselseitigen Vertrautheit innerhalb der Familie gegenübergestellt.

Außerdem interessierte uns, wie Kinder das Spannungsverhältnis zwischen den Geboten der Ehrlichkeit und der Höflichkeit sehen.

Den Text des Fachartikels finden Sie hier.

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Erstellt am 21. November 2001, zuletzt geändert am 26. Januar 2014