Wie soll unser Kind heißen?
Angela M. T. Reinders
Noch bevor das Kind auf dem Standesamt gemeldet wird, sind schon die Großeltern neugierig auf den Namen. Da haben die Eltern sich aber noch gar nicht geeinigt. Hintergründe zu Trend- und Traditionsnamen, Information zu rechtlichen Regelungen, Hinweise für Eltern mit Zuwanderungsgeschichte oder bei Adoptionen geben Entscheidungshilfen.
Die Eltern des neu geborenen Heinz-Josef ernteten ähnliche Reaktionen wie Mama und Papa der kleinen Mafalda kurz nach deren Geburt: ungläubiges Staunen und nur mühsam unterdrückte Erheiterung.
Familientradition in der Namensgebung
Es gibt alte Namen, die wieder neu “im Kommen” und auf der Hitliste der Vornamen zu finden sind. Manch traditioneller Name jedoch ist heute in Vergessenheit geraten und klingt deshalb ungewöhnlich. Wer sein Kind mit einem solch ungebräuchlichen Namen benennt, knüpft damit meist an die Familientradition an. Der Opa aus dem Rheinland, die Oma aus Italien sollen in der Erinnerung der Familie lebendig bleiben.
Das Kind nach einem (Ur-)Großelternteil zu benennen ist eine wunderbare Geste des Familienzusammenhalts. Sie wird seltener, weil “lebenslange” Beziehungen von Eltern seltener werden. Angesichts der steigenden Zahl zerbrechender Ehen und der Zunahme von Patchworkfamilien wagen es weniger Menschen, die Namen Verwandter auszuwählen. Wer möchte schon, dass sein Sohn nach dem Schwiegervater Wilderich heißt – der aber in zwanzig Jahren vielleicht der Ex-Schwiegervater ist, mit dem die Mutter nichts mehr verbindet? Die kleine Katharina nach ihrer Großmutter zu benennen, bedeutet als Eltern auch zu bejahen: Wir wollen zusammenbleiben. Das erfordert Mut und fordert Respekt.
Es ist abzuwägen, ob ein Name aus der Ahnengalerie der Familie tatsächlich der Rufname des Kindes sein soll. Namen begleiten das ganze Leben – im schlimmsten Falle auch als Ballast, wenn sie steter Quell der Belustigung für die Umgebung sind. Soll das Kind nach einem Vorfahren genannt werden, der einen nun sehr ungebräuchlichen Namen trug, dann ist die Lösung elegant, dem Rufnamen einen zweiten oder auch dritten Vornamen beizufügen.
Trendnamen
Andererseits macht es auch keinen Spaß, wenn ganze Kindergartengruppen nur noch aus Dustins, Maras, Sophies und Maximilians bestehen. Die Orientierung an Trendnamen kann dem Kind das Leben erleichtern. Wer wie alle anderen heißt, wird nicht anecken. Die Persönlichkeit wird darunter nicht leiden. Der Name jedoch ist ein wichtiges Medium dazu, die eigene Identität zu finden. Kleine Kinder sprechen von sich selbst zunächst nicht als “ich” , sondern setzen ihren Vornamen ein. Sie sind es gewohnt, so angesprochen zu werden, und reden daher über sich wie über jemand anderen: “Carla hat…” , “Tobias geht…” .
Wie heißen wir und wie heißt du?
- Welcher Vorname gefällt uns – und zwar in erster Linie uns und nicht den werdenden Großeltern?
- Passt der gewählte Vorname zum Klang des Nachnamens? Ganz unpassende Kombinationen sind zu vermeiden.
- Welcher Vorname wird uns voraussichtlich auch in mehreren Jahren noch gefallen?
- Passt der Name, für den wir uns entschieden haben, in den Kulturkreis, in dem wir leben?
- Erwarten wir für unsere Familienbiografie beruflich bedingte Ortswechsel außerhalb des deutschen Sprachraums? Dann ist ein Name wie Lisa geeigneter als beispielsweise Hildegard – das Kind soll Freunde finden, die es beim Namen rufen können.
Was ein Name sagt
“Der Name ist ein Stück des Seins und der Seele”, hat der Schriftsteller Thomas Mann gesagt. Der Rufname ist mehr als ein Unterscheidungsmerkmal. Er ist ein Begleiter durch das Leben. Ihr Kind wird ihn ungezählte Male hören, liebevoll geraunt und – leider auch – missbilligend gerufen. Es wird seinen Namen wer weiß wie oft schreiben, Koseformen selbst finden oder von anderen finden lassen, auch Spitznamen über sich ergehen lassen müssen, die sich von seinem Namen ableiten.
Wer ein Kind mit dem Namen anspricht, gibt ihm die Chance, es selbst zu werden mit allen Ecken und Kanten – und nicht eine “Süße”, ein “Häschen” oder “Fröschlein” werden zu müssen, damit man es liebenswert findet. Die ausschließliche Verwendung von Kosenamen engt ein Kind auf ein Verhaltensmuster ein.
Ein Name ist mehr als ein “Etikett”. Folgen Sie nicht gleich den spontanen Einfällen, auch wenn Sie den ersten Namen, der Ihnen in den Sinn kommt, auch später als richtig für Ihr Kind empfinden. Prüfen Sie ihn besser noch einmal durch, sprechen Sie ihn ein paarmal vor sich hin in unterschiedlichen Situationen, schreiben Sie ihn auf, auch in Kombination mit dem späteren Familiennamen.
Wenn Sie religiös sind, hat der Vorname einen besonderen Stellenwert. Nach christlichen Glauben ist er es, mit dem Gott selbst ihr Kind ruft: “Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, mein bist du”, sagt Gott zu dem Propheten Jesaja (Jes 43,1). Der Vorname ist hier der Taufname, mit dem die Eltern stellvertretend für ihr Kind eine Gottesbeziehung eingehen und besonderen Beistand erhoffen. Muslimische Eltern geben ihrem Kind einen muslimischen Namen, um die besondere Gottesbeziehung auszudrücken. In manchen muslimischen Vornamen ist der Gottesname oder der Name des Propheten verkürzt enthalten.
Ein Zusammenhang von Vorname und Charakter sollte mit Vorsicht hergestellt werden. Der Vorname sagt über den Charakter eines Kindes nichts, sehr viel aber über seine Herkunft und über die Wünsche, die seine Familie für es hat. Nicht mehr und nicht weniger.
Wie wird der Name amtlich?
Das genaue Vorgehen bei der Anmeldung eines neugeborenen Kindes nach Krankenhaus- oder Hausgeburt ist in den Kommunen klar geregelt. Die Standesämter geben Auskunft ebenso wie die Krankenhäuser. Üblich ist, dass ein Formular ausgefüllt wird – meist schon bei der die Geburt begleitenden Hebamme –, mit dem beide Elternteile die Namensgebung dokumentieren. Es ist sinnvoll, dieses Formular im Krankenhaus oder gleich nach der Hausgeburt gemeinsam auszufüllen, da für die amtliche Anmeldung die Unterschrift beider Elternteile erforderlich ist. Allein stehende Mütter entscheiden für ihr Kind.
Auf dem Standesamt überträgt der Beamte oder die Beamtin den gewählten Namen auf die Geburtsurkunde, die dem Stammbuch der Familie eingegliedert wird. Ungewöhnliche Vornamen werden erst geprüft. Mädchen bekommen nur Mädchennamen, Jungen nur Jungennamen. Vornamen wie Kim oder Robin sind beiden Geschlechtern zuzuordnen. Darum ist in diesen Fällen ein weiterer Vorname notwendig, der das Kind eindeutig als Mädchen oder Junge identifiziert.
In den allermeisten Fällen werden die Kinder bereits mit ihrem Vornamen angemeldet. Wenn es Unklarheiten über die Namensgebung gibt, der gewählte Name beispielsweise nicht zulässig ist oder die Eltern sich noch nicht auf einen Namen einigen konnten, dann ist eine Anmeldung des Kindes auch ohne Vornamen gestattet. Die Anmeldung mit Vornamen muss innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Geburt erfolgen.
Eltern mit Zuwanderungsgeschichte
Jeder Staat hat sein eigenes Namensrecht. Haben Sie als Mutter oder Vater nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, dann müssen Sie zusätzlich prüfen, ob das Heimatrecht Ihres Herkunftslandes die Namensgebung einschränkt. Sind Sie unsicher darüber, ob Sie Ihrem Kind den Namen, den Sie ausgesucht haben, nach Ihrem Heimatrecht auch erteilen können, so setzen Sie sich am besten schon vor der Geburt Ihres Kindes mit der Vertretung Ihres Herkunftlandes in Verbindung.
Eine Hilfe ist die Liste von Andreas Ismail Mohr für muslimische Vornamen in ihren Schreibweisen für deutschsprachige Gebiete.
Von Anakin Skywalker bis Schaklyn – was alles (nicht) geht
Pepsi-Carola oder Pumuckl: Immer wieder geistern abstruse Namen durch die Medien, mit denen Eltern ihre Kinder benennen wollen. Die Standesbeamten sind befugt, einen Vornamen zu akzeptieren oder ihn zurückzuweisen – der Trend geht dahin, mehr zu erlauben. Mithilfe des Internationalen Buches der Vornamen, das den Standesämtern vorliegt, wird geklärt, welches Kind welchen Geschlechts wie heißen darf. Hierzu gibt es eindeutige Entscheidungen.
Wenn Sie einen ungewöhnlichen Namen für Ihr Kind aussuchen möchten, damit aber beim Standesamt abgewiesen werden, spricht die Namenberatungsstelle an der Universität Leipzig als Anlaufstelle für Deutschland Empfehlungen zur Eintragungsfähigkeit von Vornamen aus. Sie bietet Gutachten zu Vornamen an und hilft auch bei der Aussprache und Schreibweise von Vornamen.
Ein L oder zwei P? – der Ärger mit den Schreibweisen
Phillip, Philipp oder Philippe – bei mehreren Vornamen häufen sich mögliche Schreibweisen. Die Standesämter können helfen: mit einem Namensverzeichnis, in dem alle gebräuchlichen Schreibweisen eines Namens aufgelistet sind. Zwar empfiehlt die amerikanische Trendforscherin Faith Popcorn, die erst spät zu ihrem – selbst gewählten – auffälligen Nachnamen kam, sich durch originelle Namen oder originelle Schreibweise des Namens von der Menge abzusetzen. Unter Marketinggesichtspunkten mag dieser Ratschlag Gold wert sein. Beispielsweise in der Schule aber stören solche Eskapaden den einfachen Ablauf – und schlimmstenfalls die problemlose Eingliederung Ihres Kindes in den Klassenverband. Wer schon bei der simpelsten Anwesenheitsüberprüfung Aufmerksamkeit erregt und den Laden durcheinanderbringt, wird von anderen Kindern nicht unbedingt gleich gemocht…
Verbindlich wie beim Vornamen ist generell auch die Schreibweise bei Bindestrichnamen. Marcus-Frédérique und Hanna-Charlotte werden ihr Leben lang bei offiziellen Papieren ihre beiden Vornamen in dieser Kombination verwenden müssen. Wägen Sie als Eltern gut ab, ob Sie das Ihrem Kind antun möchten.
Leider ist es auch bei Pannen auf Seiten des Staates verpflichtend, dass rechtsgültige Schriftstücke immer mit dem geburtsurkundlich belegten Namen unterzeichnet werden. Weil der Standesbeamte das letzte E beim Eintrag vergaß, muss Beatrice H. wichtige Dokumente immer als “Beatric” signieren.
Adoptiv– und Pflegekinder und ihre Namen
Bei einer Adoption erlöschen alle Verwandtschaftsbeziehungen zur leiblichen Mutter und zu deren Familie. Die Adoptiveltern allein sind berechtigt, ihrem Kind einen Namen zu geben.
Die Frau, die ein Kind zur Adoption freigibt, wird zuvor von einer Adoptionsvermittlungsstelle beraten und legt in einem Vertrag schriftlich die Entscheidungen nieder, die von ihr abhängen. Ein Punkt darin legt fest, ob die leibliche Mutter dem Kind einen Namen geben möchte. Die meisten Adoptionsberaterinnen und -berater begrüßen das, weil ein Vorname, den das Adoptivkind durch seine leibliche Mutter erhalten hat, für die spätere Identitätsfindung wichtig sein kann. Der Vorname, den die leibliche Mutter dem Kind gegeben hat, kann in den Adoptivfamilien auch als zweiter Vorname für das Kind geführt werden, wenn die Adoptiveltern dem Kind einen eigenen Rufnamen geben möchten.
Pflegekinder kommen in Familien und bringen ihren Namen schon mit. Innerhalb der Pflegefamilie passt der Vorname des Pflegekindes vielleicht nicht oder ist nicht gerade der “Traumvorname” der Pflegeeltern. Doch ein Vater zweier Pflege- und mittlerweile Adoptivkinder meint dazu: “Wir wollten die Kinder annehmen, wie sie sind – der Name gehörte entscheidend zu ihnen dazu.”
Links
- Rund um die Vornamen – über Suchmaschinen und Webkataloge finden Sie Hitlisten und Bedeutungen von Vornamen.
- Vornamen findet man auch unter www.kindername.de/ oder im
- Vornamen-Lexikon
Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
- Warum sollen Eltern ihre Kinder religiös erziehen?
- Kleiner Glaubensleitfaden der geöffneten Arme
- Kinder auf religiösen Abwegen
- Vertrauen - Wie Kinder erste Glaubenserfahrungen machen
- Stillen - ein Ratgeber für Väter
- Verantwortungsvoll mit dem Mobiltelefon umgehen
- Wird unser Kind eingeschult?
- Wenn mein Kind Läuse hat …
- Wie entwickeln Kinder Wertvorstellungen?
Autorin
Angela M. T. Reinders, Jahrgang 1965, Dipl.-Theologin, Redakteurin beim Bergmoser
+ Höller Verlag AG, Aachen
Kontakt
Angela M. T. Reinders
Purweider Winkel 10
D – 52070 Aachen
Erstellt am 6. Mai 2002, zuletzt geändert am 11. Dezember 2014