Beruf und Kinder – wo bleibt die Zeit zum Leben?

Beatrice Bachmann
Bachmann

Eltern arbeiten überdurchschnittlich viele Stunden am Tag: Beruf, Haushalt, Kinder, Elternpflege, Garten: Vielerlei verschiedenartige Aufgaben benötigen ihre Zeit und Aufmerksamkeit. In der Beratung haben wir immer wieder mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun: Häufig bleibt (zu) wenig Zeit für den Partner und die Kinder, was zu Schuldgefühlen oder schlechten Beziehungen führen kann.

Claudia B. in der Beratung: „Ich bin echt nervlich am Ende, in unserer Ehe läuft nichts mehr, und wir haben als Familie schon lange nichts mehr gemeinsam gemacht!“ So oder ähnlich lauten die Klagen, die Symptome von Überlastung sind. Wir sehen uns daraufhin detailliert den Alltag der Familie an und stellen gemeinsam fest, wo ungenutzte Ressourcen schlummern, um Zeit zum Leben zu gewinnen.

Gut geplant ist halb entlastet

Leider wird es noch zu wenig im praktischen Alltag verwendet: Das Zeitmanagement. Eine Zeiteinteilung, die hilft, Arbeitsabläufe zu strukturieren beginnt mit einer Arbeitszeiterhebung: Jedes Familienmitglied notiert die Zeit, die es wöchentlich für Beruf und Haushalt tatsächlich benötigt. Hier kann man auch nach Jahreszeiten und Arbeitsgebieten ermitteln: Wie viel Zeit brauche ich wöchentlich fürs Kochen, für den Garten, für die Wäsche, für die Verwaltung der Familienangelegenheiten? Stellen sich hierbei dauerhafte Überlastungen heraus, kann man Gegenmaßnahmen ergreifen, bevor Ehe- und Familienleben darunter leiden.

Strukturiert durchatmen

Anhand der Arbeitszeiterhebung kann ein – ggf. saisonal wechselnder – Wochenstundenplan, ähnlich dem der Schulkinder angelegt werden. Hier werden alle anfallenden Aufgaben zeitlich eingeplant, so dass niemand zu kurz kommen muss: Z.B. wird festgesetzt, wann Mittag gegessen wird, von wann bis wann die Hausaufgaben zu erledigen sind, wie lange Freizeit genossen werden darf und wann und mit wem welches Kind welche Aufgaben zu erledigen hat. Auch werden mit dem Partner gemeinsam zur Erholung verbrachte Zeit oder gemeinsame Unternehmungen mit der ganzen Familie eingeplant. Mit dem Blick auf die anstehenden Aufgaben kann man Termine bewusst zu den Zeiten setzen, wenn sie nicht stören. Es passiert einem nicht so leicht, dass man sich von anstehenden Terminen von seinen Aufgaben abbringen lässt und man gewinnt so mehr Struktur und letztendlich Zeit. Ist z.B. der Donnerstagabend der gemeinsame Eheabend eingetragen, fällt es leichter, andere Termine zu verschieben oder abzusagen.

Wer macht was?

Eine klare Aufgabenteilung erspart zeitraubende Diskussionen und Verstimmungen, wenn jemand aus einer anderen Aufgabe oder seiner (vermeintlichen) Freizeit heraus gerissen wird. Kinder wie Erwachsene sollten dazu angeleitet werden, ihre Aufgaben selbstverantwortlich durchzuführen. Das bedeutet auch einen Vorschuss an Vertrauen: Erst dann etwas zu sagen, wenn die Aufgabe bis zum vereinbarten Zeitpunkt nicht erledigt wurde und nicht etwa nachzufragen, ob sie schon erledigt wurde. Damit jeder seine Aufgaben mitbestimmen kann und dann auch besser durchführt, bietet sich die Familienkonferenz an, in der die Aufgaben innerhalb der Familie gemeinsam verteilt werden. Dabei gilt es, den altersgemäßen Entwicklungsstand der Kinder zur berücksichtigen.

Kinder von Anfang an für Aufgaben anleiten

Eltern haben ein Recht auf die Hilfe ihrer Kinder. Viele Eltern haben jedoch Hemmungen, dieses Recht einzufordern: Sei es, dass sie durch aktuelle Ideologien verunsichert sind oder sich vorgenommen haben, die Kinder besser zu behandeln als sie es von ihren Eltern erfahren haben und dabei ins Gegenteil verfallen. Andere wieder haben Schuldgefühle ihren Kindern gegenüber, sei es, weil sie ihnen nicht das bieten können, was sie von sich selbst unter dem Druck der Konsumgesellschaft erwarten, sei es, weil sie ihnen zu wenig Zeit widmen können. Viele Eltern versäumen es, ihre Kinder zur Arbeitsfähigkeit zu erziehen. Wenn die Kinder klein sind, erscheint es oft einfacher, eine Aufgabe „schnell mal eben“ selbst zu machen statt ein Kind anzuleiten, die Aufgabe selbständig auszuführen.

Lernphasen nützen

Kinder haben im Alter von 12 Monaten bis 4 Jahre eine Lernphase, in der sie Aufgaben Erwachsener nachahmen und liebend gern Aufgaben spielerisch übernehmen: Telefonieren, den Boden fegen, staubsaugen, den Tisch abwischen, unter dem Bett liegend den Papa nachahmen, wie er den Wagen repariert u. ä. Wer diese Lernphase nützt, indem er sein Kind anleitet und dem Kind signalisiert, dass seine Hilfe erwünscht und wertvoll ist, erzieht ein arbeitsfähiges Kind. Dieses Kind wird mit zunehmendem Alter Aufgaben übernehmen und zur Entlastung der Eltern beitragen. Das Gegenteil sind Teenies, die sich den ganzen Tag außerhalb von Haus und Hof vergnügen und den Eltern alle Arbeiten überlassen. Claudia B.: „Je früher ich also damit anfange, den Kleinen sorgfältig anzuleiten, umso besser! Eigentlich logisch. Und trotzdem habe ich das bisher nicht getan…“ Ihr fallen sofort eine Menge Dinge ein, in die sie ihren vierjährigen Sohn miteinbeziehen kann: Den Tisch abwischen und decken, die Dinge aus der Spülmaschine in die unteren Fächer und Schubladen räumen, beim Einkauf Aufträge geben, was er in den Einkaufswagen legen soll. In dem sie ihn beschäftigt, verhindert sie, dass sie von ihm aus Langeweile in Atem gehalten wird: „Jetzt bleiben mir auch die Szenen beim Einkaufen erspart!“

Wo dein Schatz ist, ist dein Herz

„Wo dein Schatz ist, ist dein Herz“ sagt die Bibel (Lukasevangelium, Kapitel 12, Vers 34). Das bedeutet übertragen: Wo Kinder ihre Arbeitskraft investieren, das wird ihnen wertvoll. Das Haus, der Familienbesitz, der Garten, die Familie selbst wird durch die Investition von Zeit und Kraft zu etwas Wertvollem in ihrem Leben. Sie erfahren dadurch den familiären Zusammenhalt und sind auch eher bereit, die Eltern im Alter zu unterstützen als Kinder, die viel Zeit mit Computerspielen, Fernsehen und Beschäftigungen außer Haus verbringen. Auch sie selbst erleben ihren Einsatz als wichtigen und wertvollen Beitrag, was ihr Selbstwertgefühl erhöht. Als wir Helmut B. über diesen Punkt informieren, sagt er erstaunt: „Dann tue ich den Kindern also sogar etwas Gutes!“

Das Leben ist kein Rummelplatz

Viele Eltern fühlen sich unter Druck gesetzt, weil heute unter gemeinsam verbrachter Zeit nur noch Ausflüge und Vergnügungen gesehen werden. Tatsächlich wird Zeit von den Kindern ebenfalls positiv gewertet, die sie von den Eltern in gemeinsame Aufgaben eingebunden werden: Wenn Sohn oder Tochter mit dem Vater den Garten versorgen oder den Wagen reparieren und sich dabei austauschen können: Den Zustand der Pflanzen oder des Autos, die anstehenden Aufgaben, worauf saisonal zu achten ist, was schief gelaufen oder kaputt gegangen ist. Hier kann im Gespräch eine Vertrautheit wachsen, die über das rein Sachliche hinausgeht: Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern Aufgaben bewältigen und dabei auch Austausch erfahren, bringen ihren Eltern gegenüber mehr Vertrauen entgegen als Kinder, die ihre Zeit nur mit Altersgenossen verbringen.

Zeit zum Zuhören

Auch haben hier Eltern Gelegenheit, sich im Zuhören zu üben: Was bewegt meinen Sohn, meine Tochter? Wie geht es ihm/ihr gerade? Hier kann man auch einfach mal Fragen stellen: „Wie geht es dir gerade? Wie läufts mit deiner Freundin? Hast du immer noch Ärger mit X. in der Schule? Kommst du jetzt mit Mathe klar?“ u. ä. Es ist ein Irrtum, zu glauben, das sich Kinder am liebsten nur mit Gleichaltrigen austauschen: In Umfragen beklagen die meisten Jugendlichen vor allem, dass ihre Eltern sich nicht um ihr emotionales Befinden kümmern und ihnen in schwierigen Lebenssituationen zu wenig Unterstützung durch gute Ratschläge gewähren. Eltern sind also für Jugendliche wichtiger, als sie selbst es einschätzen.

„Ja, jetzt kann ich wieder aufatmen!“ Nach vier Beratungsstunden lehnt sich Helmut B. zurück: „Vor allem hat uns geholfen, dass wir ein Recht darauf haben die Kinder in Arbeiten einzubeziehen. Ich hatte da vorher einfach Hemmungen.“ Seine Frau lächelt: „Ich bin froh, dass du jetzt strenger bist, da muss ich den Kindern nicht soviel hinterher sein! Davon abgesehen freue ich mich, weil wir nun auch wieder Zeit für uns haben.“

Literatur

Bachmann/Bachmann: „Mehr Zeit zum Leben!“ Zeit-Management für die Familie,

beziehbar unter Verein für Christliche Ehe- und Familienarbeit e.V.

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Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Beatrice Bachmann,M.A., Christliche Ehe- und Familienarbeit CEF e.V.

Bücher: „Handbuch der Ehe- und Familienberatung“, “Zeit-Management für die Familie” u.a.

Kontakt

Beatrix Bachmann, M.A.

Christliche Ehe- und Familienarbeit CEF e.V.
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88441 Mittelbiberach

Tel. 07351/300 37 36

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Erstellt am 24. August 2007, zuletzt geändert am 19. Februar 2016