Hilfe – mein Kind nervt!

Beatrice Bachmann
Bachmann

Anstrengend empfundenes Verhalten von Kindern – nicht warten können, ständige Forderungen, ungeduldiges Zerren an den Hosenbeinen, Streit unter Geschwistern – können Eltern endlos Nerven kosten. Meist zunächst als Nebenthema in die Ehe- und Familienberatung eingebracht, stellt sich oft heraus, dass kindliches Verhalten Eltern so viel Kraft kostet, dass Ehe und Familienleben darunter leiden. Welche Möglichkeiten es gibt, “nervendes” Verhalten auf ein angemessenes Maß zu reduzieren, kann ein Einblick in die Erziehungsberatung zeigen.

“Nerven” genau definieren: Welches Verhalten stört mich?

Frau F. hatte mich am Telefon vorgewarnt, dass bei Laura wahrscheinlich nichts helfe; sie sei mit ihr bereits beim Kinderpsychologen gewesen: Er habe wider Erwarten keine Hyperaktivität diagnostiziert. Sie rutscht unruhig hin und her, während sie einen ausführlichen Bericht der Aktionen ihrer 4 ½ jährigen Tochter gibt. “Laura nervt einfach,” endet sie mit einem Seufzer. Nerven ist ein sehr allgemeiner Ausdruck und der nächste Schritt beinhaltet die Klärung des Begriffs: Was bedeutet er für Frau F. persönlich? Kurze Zeit später hat sie erarbeitet, was ihr persönliches Problem ist: “Es macht mich verrückt, wenn Laura mir dauernd ins Wort fällt, es macht mir Stress, wenn sie das Essen herunter fallen läßt, es kostet mich unnötig Kraft, ihr ständig alles zu erklären… mit einem Wort, “nerven” bedeutet doch: Ein Verhalten ist mir zu anstrengend, macht mich wütend, ist mir zu viel, geht über meine Kraft und meine Grenzen!”

Welches (eigene) Verhalten kann ich abstellen, welches nicht?

“Ein paar Dinge, die Sie anstrengen, haben Sie bereits genannt. Sehen wir doch einmal nach, welches Verhalten Lauras Sie stört!” Frau F. erarbeitet eine detaillierte Liste der störenden Aktionen Lauras. Anschließend wird die Liste in zwei Kategorien unterteilt: “Was können Sie abstellen, was ist unvermeidlich?” Vor der Aufgabe fordere ich Frau F., die schon viel gelöster wirkt, auf, sich in ihre Tochter hinein zu versetzen: Was kann ein kleines Mädchen ihres Alters bereits verstehen? Was noch nicht? Was kann es bereits, was noch nicht? Auf diese Weise arbeitet die Mutter heraus, was sie abstellen kann und was sie aufgrund des Entwicklungsstands ihrer Tochter ohne Groll und böse Worte akzeptieren sollte. Sie schreibt hinter jeden Punkt auf der Liste ein Plus für “Kann ich abstellen” und ein Minus für “ist unvermeidlich”.

Frau F. beweist viel Einfühlungsvermögen: “Essen kann sie halt noch nicht so gut – völlig unnötig, dass ich mich aufrege, wenn ihr etwas hinunter fällt.” An der Telefonleitung ziehen? “Es stimmt schon, manchmal rede ich sehr lang. Aber es gibt diesbezüglich auch keine Regel. Laura weiß nicht genau, was ich mag und was ich nicht mag.” Endlose Erklärungen? “Kann ich mir sparen, sie versteht die Hälfte nicht oder es verwirrt sie!” Immer wieder auf den Staubsauger klettern, wenn Mutter saugen will? “Muß nicht sein – aber sie tut es halt so gern, und manchmal finde ich es auch lustig, aber nicht immer.” Macht nichts, auch solche Situationen kann es geben – mal ist ein Verhalten o.k., mal nicht, je nachdem, wie man gerade in Form ist. Künstlich rigide Grenzen zu ziehen, ist nicht Sinn der Sache. “Aber wenn es mich stört, muss ich das klarer ‘rüberbringen – sonst kommt es an einer anderen Stelle als Wut wieder ‘raus!” Frau F. macht sich persönliche Notizen hinter jeden Punkt.

Zum Ende der Sitzung gebe ich ihr eine Frage mit, die sie sich in der entsprechenden Situation jeweils stellen kann: “Will ich das – oder will ich das nicht?” Die Beantwortung der Frage kann ihr Klarheit geben, ob das Verhalten ihrer Tochter erwünscht ist oder ihr Stress verursacht. Die Klarheit über ihre Gefühle ist Voraussetzung, dass sie Laura gegenüber ein klares Ja oder Nein ausdrücken und sich gegen das “Nerven” des Kindes in der jeweiligen Situation schützen kann. Den meisten Eltern ist bereits die Definition und die Erarbeitung der Verhaltensweisen, die sie abstellen können, eine große Erleichterung. Entlastend ist auch die Erkenntnis, dass das “Nerven” des Kindes nicht länger eine unübersichtliche Masse ungewollter, zufälliger Ereignisse im Tagesablauf darstellt, die Eltern am Ende des Tages todmüde ins Bett sinken lassen, sondern mit Hilfe der Liste greifbar und Punkt für Punkt zu bewältigen ist.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Nicht alle Eltern haben einfühlsames Verständnis für ihr Kind wie Frau F. Viele Paare bekommen erst Kontakt zu Kindern, wenn die eigenen kommen und empfinden bereits ganz normales kindliches Verhalten als “nervend”. So Herr und Frau S.-G.: “Das gibt’s doch nicht, was Daniel alles herunter fällt. Man kann nicht fünf Minuten Zeitung lesen, weil er sich ständig an den Hosenbeinen hochzieht. Man kann ihn einfach nicht abstellen!” Dazu kommen nicht kindgerecht eingerichtete Wohnungen: “Die weiße Couch sieht von seinen Händen aus wie ein Albtraum!” In solchen Fällen setze ich auf Humor und erwidere: “Wissen Sie, mein Schwiegervater pflegt zu sagen: “Einrichten kann man sich erst, wenn die Kinder aus dem Haus sind – bloß kommen dann die Enkel!” Hier gilt es behutsam, Verständnis für Bedürfnisse und Eigenarten von Kindern herzustellen, manchmal keine leichte Aufgabe bei Eltern, die den Großteil ihres Lebens allein oder zu zweit verbracht haben.

Schuldgefühle als Auslöser “nervenden” Verhaltens

Ein weiteres Hindernis zum Abstellen nervenden Verhaltens können Schuldgefühle sein: “Können wir Mario wirklich in einen Laufstall einsperren?” fragt mich Herr K. entsetzt. “Das kommt darauf an. Ihr Kind orientiert sich an ihren Gefühlsäußerungen: Er sieht sich ihr Gesicht an, während sie ihn hinein setzen. Je nachdem, was Sie Mario vermitteln, wird es für ihn wahrscheinlich angenehm oder unangenehm sein,” erwidere ich. “Praktisch wäre das schon,” so Frau K. Da Mario für sein Alter groß gewachsen und im Tragetuch für Frau K. inzwischen zu schwer geworden ist, hat das Ehepaar für bestimmte Situationen keine Alternativen parat. So beschließen sie, es einfach mal auszuprobieren, nachdem ich ihnen versichern konnte, dass uns keine durch den Aufenthalt im Laufstall verursachten seelischen Schäden bekannt sind.

Für eine andere “nervende” Situation wiederum erarbeiten die Eltern eine Alternative: Um störendes Verhalten Marios bei der Hausarbeit zu vermeiden, wird er mit einbezogen und kindgerecht angelernt. So erhält er von klein an entwicklungsgerechte Aufgaben, die zum Familienleben beitragen. Dafür gibt es bei Kleinkindern eine sensible Phase im Alter von etwa 1 ½ bis 2 Jahren. “Ein Tipp, der uns sehr geholfen hat,” so Ehepaar K. vier Wochen später. “Aber es ist nicht ganz einfach – man muss dran bleiben.”

“Wer sein Haus verkommen lässt, erntet Wind!” (Bibel, Sprichw. 11, 29)

Eine Einsicht, die man so früh wie möglich umsetzen sollte: Kinder kosten Kraft durch Selbstdisziplin und Konsequenz, die man sich auch nach einem langen Arbeitstag abnötigen sollte. Häufig überfordern Eltern sich und ihre Kinder durch verfrühte oder zu anstrengende Berufstätigkeit, was keine Kraft für die Erziehung der Kinder lässt und dazu führt, dass häusliche Stress-Situationen als übermäßig anstrengend empfunden werden. Dazu kommt, dass Kinder nicht zur Hausarbeit angelernt werden, da es einfacher scheint, alles selbst zu erledigen. Es entwickelt sich ein negativer Kreislauf, wenn Kinder sich mit zunehmendem Alter als unangemessen unselbständig erweisen: Da nach der Arbeit und am Wochenende viel Hausarbeit wartet, bleibt keine Kraft und Zeit für die Kindererziehung, was dazu führt, das die Kinder in ihrer Unselbständigkeit als anstrengend (“nervend”) empfunden werden, was wiederum keine Zeit lässt für die Erziehung zur Selbständigkeit etc. Ein aus Müdigkeit ausgesprochenes “Nein” oder eine Anweisung, deren Ausführung jedoch nicht weiter verfolgt wird, lässt Kinder an der Ernsthaftigkeit ihrer Eltern zweifeln. Nach wie vor ist Reden in der Erziehung nicht alles. Spricht man ein Nein aus, sieht jedoch nicht auf seine Einhaltung, werden von den Eltern ausgesprochene Worte wertlos. Die Folge: Das Kind nimmt Anweisungen der Eltern nicht mehr ernst.

Klare Botschaften sind Orientierungshilfen

Die Eltern von Samy (6) beklagen sich, dass er überhaupt nicht gehorche – er nerve ohne Ende, mache was er wolle und höre nicht auf sie. Wir verbringen die folgende Stunde gemeinsam beim Mittagessen, um durch Beobachtung das Problem, das sich im Gespräch ohne ihn nicht feststellen ließ, zu klären. Im Lokal liegt ein Stapel Malblätter vor Samy, er malt zunächst, zieht es anschließend vor, mit der Hand Wasser aus dem Glas zu schöpfen und das bemalte Blatt damit zu beschmieren. Seine Eltern, völlig in ihre Unterhaltung vertieft, werden erst durch mich aufmerksam und reagieren heftig und mit ironischen Bemerkungen: “Also Samy, echt toll, du bist doch ein Ferkel!” so der Vater. Samy wendet die Augen kaum vom Blatt, patscht unbeirrt weiter. Die Mutter: “Meine Güte, Samy, das kostet doch alles Geld! Spielst du den Maler, echt einmalig. Das muss wirklich nicht sein.” Beider Tonfall ist halb ernst, halb ironisch und bleibt ohne Wirkung: Samy reagiert nicht im Geringsten, sondern weicht in aller Ruhe weiter das Blatt mit Trinkwasser ein. Ich mache mir Notizen, stelle fest, dass die Eltern sich wieder ihrem Gespräch zuwenden.

In der folgenden Stunde begrüße ich sie und gebe ihnen folgende Botschaft in ironischem Tonfall: “Sie sind wirklich klasse, einmalig! Das muss echt nicht sein, kostet doch alles Geld.” Beide Eltern sehen verwirrt zu Boden, geben keine Antwort. Ich reiche ihnen Zettel und Stift mit der Bitte, aufzuschreiben, was meine Botschaft in ihnen für Gefühle ausgelöst hat: “Die Heftigkeit war schon verwirrend,” so Herr E., “ich habe nicht verstanden, worum es überhaupt geht!”

Beide Eltern sind unsicher, was Erziehung betrifft. Sie wissen nicht, wie weit sie in die Aktionen des Kindes eingreifen dürfen, ohne “es fürs Leben zu schädigen”. Aus dieser Unsicherheit reagieren sie teils sehr heftig, teils mit Ironie. Ich weise sie auf die kleine Szene im Gasthaus hin und bitte sie, ihre Gefühle auf die Welt des Kindes zu übertragen. Sie reagieren sehr verblüfft: “Samy versteht uns nicht – er weiß gar nicht, was wir von ihm wollen!”

Ihre Gefühle sind Wegweiser für Ihre Grenzen

In der folgenden Stunde erarbeiten wir, wer die Verantwortung für Samys Erziehung trägt: “Das würde ja bedeuten, wir wären das Maß aller Dinge!” ruft Herr E. überrascht aus. “Andererseits – wer sollte sonst unser Kind erziehen – wenn nicht wir?” Nach dieser Vorarbeit gehen wir in gewohnter Weise weiter mit der Definition von “Nerven” und der Erarbeitung, was die Eltern am Verhalten des Kindes genau stört und welche Gefühle durch das Verhalten bei ihnen ausgelöst werden: So ist es Frau E. peinlich, dass Samy in der Öffentlichkeit die Hand ins Wasserglas steckt. Anschließend lernen die Eltern, klare Ich-Botschaften in ernsthaftem Tonfall zu äußern, wie: “Samy, es ist uns peinlich, wenn du hier vor allen Leuten mit Wasser panschst.” Sollte Samy nicht reagieren, behalten sich die Eltern vor, seine Hand zu nehmen bzw. das Wasserglas zu entfernen. Denn Worten müssen Taten folgen, an denen Kinder sehen: “Was Mama sagt, meint sie ernst.” Erst dann schenken elterntaube Kinder den Eltern erneut Gehör.

Das Beispiel mag extrem klingen, aber nicht wenige Eltern, die uns aufsuchen, sind derart verunsichert über ihre Verantwortung für die Erziehung ihres Kindes. Da wir in der Regel nicht gelernt haben, Gefühle auszudrücken, ist es zunächst schwierig, aber mit etwas Übung erlernbar.

Wer zu spät kommt…

Dennoch ist es durchaus normal, dass Kinder nicht hören. Wir Erwachsenen sind ja nicht besser! Hier eine Möglichkeit, die dagegen hilft, sie lautet: “Jeder trägt die Konsequenzen seines Handelns selbst.” Das bedeutet: Wer den Bio-Mülleimer nicht ausleert, muss zusätzlich den Boden wischen, wenn die Abfälle heraus fallen. Wer etwas kaputt macht, repariert es (ggf. mit Hilfe der Eltern). Wer etwas schmutzig macht, macht es wieder sauber. Derartige Konsequenzen sind lebensnah und lehrreich und wir wissen aus eigener Erfahrung, dass man damit schon ab 1 ½ Jahren anfangen kann. Dennoch gibt es Bereiche, wo Kinder vor den Konsequenzen ihres Handelns geschützt werden müssen, z.B. kann ein kleines Kind nicht ohne Jacke ausgehen, weil es den Zusammenhang zwischen der Kälte heute und dem Fieber morgen nicht herstellen kann. Hier sollten Erwachsene sich ihrer Verantwortung gegenüber der Gesundheit bzw. gegen Gefahren für das Kind bewußt sein und entsprechend eingreifen.

Streit als Dauernerver

“Ich kriege noch einen Nervenzusammenbruch. Meine beiden liegen sich permanent in den Haaren!” ruft Frau Z. Nervenzermürbende Streitigkeiten der Kinder lassen sich nicht immer durch Trennen der Kinder – jeder geht in sein Zimmer – lösen. Machmal müssen tiefer liegende Ursachen gefunden werden. Geschwisterliche Eifersucht kann eine Ursache für Dauerzwist sein, Spannungen in der elterlichen Beziehung, eine vorausgegangene Trennung oder Scheidung eine andere. Hier hilft es, mit den Kindern die als angespannt oder verwirrend empfundene Situation anzusprechen und sie auch über ihre Gefühle sprechen zu lassen, indem man sich selbst darüber äußert, etwa so: “Du bist eifersüchtig auf deine kleine Schwester und hättest am liebsten alle Spielsachen für dich allein” oder im anderen Fall: “Ich bin auch traurig, dass Papi weg ist.” Unterdrückte Gefühle können zu Aggressionen werden. Hier ist einfühlsames Zuhören gefragt, was schon Entspannung bringen kann.

Eine weitere Ursache kann sein, dass ein Kind versucht, das andere zu erziehen und sich damit auf die Eltern-Ebene erhebt, eine Position, die ihm im Familiengefüge nicht zusteht und es auf Dauer überfordern würde. Bei Familie Z. ist das der Grund: Der ältere Dirk versucht die kleine Schwester zu erziehen, die sich vehement gegen diese Übergriffe wehrt. Gleichzeitig nimmt er sich Rechte heraus, die ihm nicht zustehen: So teilt er sich mehr und besseres Spielzeug zu, was die Schwester nicht hin nimmt. Frau Z. erarbeitet Strategien, den Sohn aus der Eltern-Rolle heraus zu nehmen, indem sie in entsprechenden Situationen zu ihm sagt: “Du brauchst Silke nicht zu erziehen. Das ist meine Aufgabe. Geh du nur einfach spielen!” In der Beratung wird Frau Z. klar, dass Dirk die Rolle eingenommen hat, die sein Vater nicht ausfüllt. Auf unseren Rat kommt Herr Z. zur Beratung und erhält im Einzelgespräch von Mann zu Mann Impulse über seine Rolle in der Familie. Nach nicht ganz drei Monaten hat sich die Situation entspannt: “Unser Haussegen hängt endlich gerade!”

Streitigkeiten können auch rascher zu behebende Ursachen haben: Zu wenig Bewegung, Aggressionen nach Computer- und Fernseh-Genuss. Hier helfen Regeln wie: “Jeder muß nach einem Film / Computerspiel zum Toben mindestens eine Stunde an die frische Luft.” Besonders Jungen können Eltern mit ihrem Bewegungsdrang, der sich durch Dauerstreitigkeiten oder Unachtsamkeit in der Wohnung Bahn bricht, anstrengen. Beengte Wohnverhältnisse sind jedoch kein Grund, das hinzunehmen: Bei Familie R. entspannte sich die Situation maßgeblich, seit die drei Söhne in einem Sportverein regelmäßig trainieren.

Selbstbeschäftigung muss erlernt werden

Eltern fühlen sich von Kindern genervt, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu beschäftigen: “Timo streicht um mich herum wie eine Katze. Er kann sich einfach nicht allein beschäftigen, braucht ständig meine Aufmerksamkeit!” Zum einen darf man selbständiges Spiel nicht zu früh von Kindern erwarten, zum anderen ist Selbstbeschäftigung eine anspruchsvolle Leistung, die nur durch soziales Lernen, also durch die Anleitung eines Vorbilds erlernt werden kann. Meine Mutter lehrte uns, unseren Spieltieren Stimmen zu verleihen und sie agieren zu lassen, und ich gab dieses Wissen automatisch meinem Sohn weiter, der – geschwisterlos, wie er zunächst blieb – diese Spiele hingebungsvoll allein ausübte, bis er sie in den Kindergarten einbrachte. Besonders erste und Einzelkinder brauchen geduldige Anleitung zur Selbstbeschäftigung.

Unaufgeräumte Zimmer können ein Grund sein, warum Kinder an Erwachsenen “kleben”. Frau E., Mutter von vier Kindern im Alter von 2 bis 10 Jahren: “Wenn ihre Zimmer unordentlich sind, fühlen sich die Kinder nicht wohl und fangen an, sich bei mir in der Küche herum zu drücken. Räume ich mit ihnen auf, spielen sie vergnügt weiter.”

Schlechtes Benehmen? – Nein, danke!

Schlechtes Benehmen wie Schmatzen und mit vollen Backen sprechen, ins Wort fallen etc. kann nerven – schlechte Angewohnheiten auch! Erziehung heißt unter anderem Anleitung, Korrektur und Orientierung zu geben, damit Kinder später in der Lage sind, sich in ein soziales Umfeld zu integrieren statt anzuecken und durch entsprechende Gegenreaktionen der Umwelt verletzt zu werden. Auch hier heißt es Geduld und Ausdauer zu bewahren.

Nicht unerwähnt lassen möchten wir, dass es Eltern nerven kann, wenn sie Angewohnheiten oder Eigenarten an ihrem Kind entdecken, die ihnen an der eigenen Person nicht gefallen oder die sie an sich selbst nicht bemerken: “Mich nervt vor allem”, so Herr D., “dass Lars-Benedict seine Sachen immer im Bad liegen lässt.” Seine Frau ruft spontan: “Wie? Das machst du doch selbst!”. Herr D. lacht mit ihr, doch fällt es ihm schwer, ihr zu glauben. Hier hilft nur eins: Hilfe zur Selbsthilfe! In diesem Fall läßt sich nervendes Verhalten weit besser durch ein gutes Vorbild abstellen, als durch Veränderung am Kind – leider…!

Tipps: So können Sie “Nerven” verringern

  • Definieren Sie das Nerven: Was wird mir zu anstrengend, zu viel? Wo geht es über meine Kräfte, über meine Grenze? Welche Situation genau? Welches Verhalten genau? Schreiben Sie sich die einzelnen Situationen auf.
  • Definieren Sie für jede Situation: Was kann ich abstellen, was nicht? Was kann ein Kind dieses Alters schon, was versteht es bereits, was nicht? Versetzen Sie sich in die Lage des Kindes und unterscheiden Sie, welches Verhalten Sie abstellen können und was Sie einfach (noch) akzeptieren sollten.
  • Erarbeiten Sie Strategien, wie Sie auf anstrengend empfundene Situationen und Handlungen reagieren: Jetzt wissen Sie bereits, was Sie ändern möchten: Erarbeiten Sie sich – ggf. mit dem Partner, einer Freundin, einer erfahrenen Mutter – alternative Handlungsstrategien: Welche Gefühle löst das betreffende Verhalten bei mir aus? Hilft eine klare Ich-Botschaft? Wie sollte sie lauten? Sind entsprechende Handlungen nötig, wie das Entfernen der Hand, eines Gegenstandes, zeitweise Entlastung durch Hilfe oder Laufstall etc.?
  • Fragen Sie sich nach Schuldgefühlen: Wo hindern mich Schuldgefühle, mich vor anstrengend empfundenen Situationen zu schützen? Habe ich Ängste, das Kind in seiner Freiheit zu beschneiden oder Probleme, anzuerkennen, dass ich die Verantwortung für seine Erziehung trage? Machen Sie sich bewusst bzw. geben Sie sich im Gebet ab.
  • Fragen Sie sich nach selbst auferlegten Überlastungen: Mache ich mir selbst Stress / Druck in Arbeit oder Privatleben, der dazu führt, dass meine Toleranzwerte gegenüber häuslichen Stress-Situationen sinken?
  • Dauerstreit: Klären Sie Ursachen für Dauerstreit zwischen Geschwistern (ggf. durch Beratung) und entwickeln Sie entsprechende Strategien, diesem zu begegnen (Zimmer aufräumen, Ummöblieren, Gefühle ausdrücken, Kinder trennen, für Bewegung sorgen, Konflikte zwischen Kindern klären etc.).
  • Selbstbeschäftigung: Leiten Sie – vor allem erste und Einzel-Kinder – ausdauernd und liebevoll an, sich selbst zu beschäftigen.
  • Seien Sie diszipliniert und ein gutes Vorbild: Nach wie vor gilt: Für Kinder sichtbare Handlungen bringen mehr Erfolg als Worte!
  • Informieren Sie die Kinder altersangemessen über die Grundlagen ihrer Entscheidungen, so dass sie nicht jede Aktion einzeln begründen müssen.

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Beatrice Bachmann, M.A., leitet den Verein für Christliche Ehe- und Familienarbeit e.V.  mit dem Ziel der Scheidungs-Prävention. Dieser bietet nach biblischem Konzept Ehe-Beratung, Ehe-Seminare und Seminare zum Ehe-Berater.

Bücher: „Handbuch der Ehe- und Familienberatung“, “Zeit-Management für die Familie” u.a.

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Beatrice Bachmann, M.A.
Christliche Ehe- und Familienarbeit CEF e.V.
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Erstellt am 9. Dezember 2003, zuletzt geändert am 19. Februar 2016