Wie können wir die Lernmotivation von Kindern fördern?

Detlef Träbert
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Ausgehend vom Fallbeispiel Daniel erläutert der Artikel den Begriff der Leistungsmotivation als erlerntes Persönlichkeitsmerkmal. Es wird in den ersten drei Lebensjahren grundgelegt und ist anschließend nur noch schwer veränderbar. Trotzdem können Eltern ihr Schulkind unterstützen und sowohl seine Anstrengungsbereitschaft als auch die situativen Arbeitsbedingungen positiv beeinflussen. Der Artikel beschreibt ausführlich motivationsfördernde Maßnahmen und motiviert Eltern zu einem entsprechenden Verhalten.

Daniel hat keine Lust – Was ist Leistungsmotivation?

„Daniel, komm jetzt, wir müssen die Hausaufgaben machen!“ Fast täglich ruft Frau M. so nach ihrem Sohn. Nach dem Mittagessen gönnt sie ihm eine längere Pause zum Verdauen und Ausruhen, aber gegen halb drei, findet sie, sollte der Junge seine Hausaufgaben machen. Es ist ja auch kein großes Pensum zu erledigen. Daniel ist jetzt im zweiten Schuljahr; in einer halben Stunde wäre alles zu schaffen, wenn er nicht so trödeln würde.

„Daniel!“ Frau M. ruft jetzt energischer. „Wenn wir jetzt nicht anfangen, kommst du nicht mehr zum Spielen! Du wolltest dich doch noch mit deinen Freunden treffen, oder nicht?“ Daniels Trödeln und Mutters „Ziehen und Zerren“ führen regelmäßig ins Tal der Tränen. Am Ende sind zwei bis drei Stunden vergangen und das Ergebnis im Heft sieht so traurig aus, wie die Stimmung der beiden ist. In Hunderttausenden von Familien geht es täglich so zu. Was steckt hinter diesem Phänomen?

(vgl. Träbert 2016, S. 14 f.)

Der Begriff Leistungsmotivation stammt aus dem Lateinischen: motivum bedeutet Beweggrund oder Antrieb. In der Alltagssprache der Schule wird häufig auch von Anstrengungsbereitschaft gesprochen.

Die Leistungsmotivation ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das Kinder in ihrer soziokulturellen Umwelt erlernen. Die Grundlagen dafür werden schon sehr früh in den ersten Lebensjahren gelegt, weshalb diese Eigenschaft relativ stabil ist. Sie drückt sich in aktivierenden oder hemmenden Einstellungen und Verhaltensweisen aus.

Die Leistungsmotivation eines Kindes kann man erst dann beobachten, wenn Eltern, Kindergarten oder Schule Leistungsanforderungen stellen, die auch für andere gelten. In der situationsbezogenen individuellen Auseinandersetzung mit solchen normativen Leistungsanforderungen zeigt es sich, ob ein Kind mit Hoffnung auf Erfolg oder mit Furcht vor Misserfolg reagiert. Je nach dieser (positiven oder negativen) Erwartungshaltung an sich selbst ist es zur Leistungserbringung mehr, weniger oder gar nicht motiviert.

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Wie kommt es aber zu einer positiven oder negativen Erwartungshaltung? Das ist in starkem Maße vom Erziehungsstil und den Erziehungspraktiken in der Familie abhängig. Bereits im Vorschulalter lassen sich individuell unterschiedliche Ausprägungen beobachten. Wenn sich die Kleinen vom ersten Lebensjahr an als Verursacher ihres Verhaltens erleben, wirkt sich das günstig auf die Entwicklung ihrer Leistungsmotivation aus. Die Erfahrung, etwas aus eigener Anstrengung heraus erreicht zu haben, stärkt die Hoffnung auf Erfolg. Solche Erfahrungen machen bereits Babys, etwa beim Greifen und Bewegen. Kinder, denen von ihren Eltern schon früh selbstständiges Verhalten und eigene Entscheidungen zugemutet werden, sind später eher zur Leistung motiviert als zu stark behütete Kinder. Loben und Ermutigen fördern die Erfolgszuversicht und damit die Bereitschaft, sich für ein Ziel anzustrengen, zusätzlich.

In der Schule kommt dem Anfangsunterricht bei Schülern mit unterentwickelter Leistungsmotivation eine wichtige kompensatorische (= ausgleichende) Aufgabe zu. Pädagogische Konzepte, bei denen alle Schüler eine Chance bekommen, durch sach- und problembezogene Aufgabenstellungen (wie zum Beispiel im Projektunterricht) das eigene Können zu erfahren, und individualisierende Unterrichtsformen, die ein Lernen im eigenen Tempo mit unterschiedlichen Materialien erlauben (wie zum Beispiel Freie Arbeit oder Stationenlernen), fördern die intrinsische Motivation, also das Lernen um der Sache willen. Als negativ erweisen sich Lernbedingungen wie Leistungskonkurrenz, Notendruck und Misserfolgserlebnisse, denn sie hemmen die Misserfolgsängstlichen zusätzlich. Darum sind die zensurenfreien Jahrgänge in der Grundschule besonders bedeutsam für die Entwicklung der Leistungsmotivation.

Leistungsmotivation ist veränderbar

Natürlich ist die Sache mit der Leistungsmotivation im Alltag nicht ganz so einfach, wie das Modell mit den beiden Polen Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg aussieht. Und vor allem gilt: Auch wenn das Persönlichkeitsmerkmal Leistungsmotivation durch frühe Prägungsvorgänge relativ stabil ist, so ist es doch nicht unveränderlich.

Es gibt immer und in jedem Alter die berechtigte Hoffnung auf Verbesserungen, wenn Schülerinnen oder Schüler „null Bock“ auf Schule, Hausaufgaben und Lernpflichten haben.

Aber weder treten solche Verbesserungen von alleine ein, denn Leistungsmotivationsstörungen geben sich nicht einfach so, noch kann allein guter Unterricht ohne die aktive Mitarbeit der Eltern Motivationsdefizite ausgleichen. Manchmal allerdings bewirken zufällige Einflüsse eine Motivationssteigerung, doch verlassen kann man sich auf sie natürlich nicht. Schließlich bedeuten sie gelegentlich auch eine Beeinträchtigung, beispielsweise wenn man zufällig einen neuen Lehrer bekommt, der im Unterricht jeden Fehler mit hämischen Äußerungen kommentiert.

Beispiele:

  • Karla hat bislang in Mathematik immer ordentliche Leistungen erbracht; zuletzt hatte sie eine „3“ im Zeugnis. Ihr neuer Lehrer in Klasse 7 ist jedoch davon überzeugt, dass Mädchen in Mathe nicht gut sein können. Entsprechend entmutigend äußert er sich bei mündlichen Beiträgen oder Bemühungen an der Tafel, die nicht auf Anhieb perfekt sind. Seither fühlt sich Karla in Mathematik „wie gelähmt“, wie sie sagt. Sie arbeitet kaum noch im Unterricht mit, strengt sich bei den Hausaufgaben nicht an und kann sich kaum dazu überwinden, für eine Klassenarbeit zu lernen.
  • Bei Bianca war es umgekehrt. Sie hatte in Klasse 9 einen Französischlehrer, der ihr sagte: „Du wirst das Abitur in Französisch niemals schaffen!“ Daraufhin entwickelte sie eine Trotzreaktion, denn diesem Lehrer wollte sie es zeigen. Sie wechselte die Schule und schaffte das Abitur – mit Französisch, ohne zwischendurch sitzenzubleiben.
  • Timo war in den ersten beiden Klassen stets gerne in die Schule gegangen. Die Lehrerin hatte mit seiner lebhaften und chaotischen Art gut umgehen können, obwohl er als ADHS-Kind anstrengend ist. Doch die neue Lehrerin im dritten Schuljahr mahnt, tadelt und straft ihn ständig, weil er häufig ihre Regeln verletzt. Nun möchte er am liebsten nicht mehr in die Schule gehen.
  • Christina ist überzeugt, dass ihr Geschichte „nicht liegt“. Seit sie dieses Fach hat, kämpft sie ständig gegen die „Fünf“, meistens mit wenig Erfolg. Sie kann sich die Jahreszahlen, Orte und Ereignisse einfach nicht merken, die zu pauken sind. Doch in Klasse 9 ändert sich das ganz plötzlich, weil ihre neue Geschichtslehrerin sie zu begeistern versteht. Seit einem Projekt „Modenschau im Mittelalter“ ist sie in kürzester Zeit zu einer richtigen Expertin für diese Epoche geworden.

Solche Beispiele lassen sich beliebig ergänzen. Sie zeigen, dass Beziehungseinflüsse in jedem Alter höchst wichtig für die Motivausprägung sind. Freundlich-annehmende Lehrkräfte, die an den Stärken der Kinder ansetzen und auf der Basis einer vertrauensvollen Beziehung behutsam und konstruktiv kritisieren, können das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und damit die Erfolgszuversicht erheblich stärken. Aber auch ganz simple Sympathien oder Antipathien beeinflussen die Motivation. Das Interesse für ein Fach kann geweckt werden, wenn ein besonders sympathischer Lehrer den Unterricht übernimmt; Verliebtheit in einen Mitschüler kann zu Begeisterung für ein neues Interessengebiet führen. Der Urlaub in England motiviert eher zum Vokabelpauken, wenn man dort Menschen kennen lernt, mit denen man in Kontakt bleiben möchte.

Persönliche, aber auch situative Einflüsse wirken auf uns und können damit unsere Leistungsmotivation positiv oder negativ verändern:

  • Sympathie und Antipathie bis hin zu Liebe bzw. Hass
  • Vergleiche mit anderen
  • dauerhafte Über- oder Unterforderung
  • Anregungen aus der Umwelt, Interessen
  • Gewalt und Mobbing
  • Angst

Außerdem gibt es Faktoren im Kind selbst, die seine Leistungsmotivation beeinflussen. Negativ wirken sich aus: Antriebsarmut aufgrund von Konstitution, Schlafstörungen, Vitamin- und Mineralstoff-Mangelzuständen oder einer Erkrankung, Depressionen (haben bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen!), psychosomatische Störungen, Medikamentenmissbrauch oder Drogenkonsum. In solchen Fällen ist der Mangel an Leistungsmotivation selbst nur ein Symptom für eine dahinter verborgene körperliche oder psychische Störung.

Was Eltern tun können

Am Ende des Unterrichtsvormittags schreibt die Lehrerin die Hausaufgaben an die Tafel und erklärt sie den Kindern. Entsetzt ruft Colin aus: „Was – so viele Hausaufgaben? Das schafft Mama nie im Leben!“

Erinnern Sie sich noch an das Fallbeispiel von Daniel am Anfang? Für Daniel ist es selbstverständlich geworden, dass seine Mutter die Verantwortung für die Hausaufgaben hat. Wissenschaftliche Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Leistungsentwicklung solcher Schüler günstiger verläuft, die sich selber für ihre Hausaufgaben als zuständig ansehen und denen niemand dabei hilft. Elterliches Interesse an den Hausaufgaben ist wichtig und nützlich, aber nicht die elterliche Verantwortung für sie. Der bekannte Entwicklungspsychologe Jean Piaget drückte das so aus: „Wer einem Kind die Lösung eines Problems sagt, betrügt es um seine eigenen Erfahrungen.“

Erfolgszuversicht heißt übersetzt: „Ich weiß, dass ich zum Erfolg komme, wenn ich mich anstrenge“. Diese Überzeugung des „LM+ – Typs“ kann im Kind nur wachsen, wenn es Gelegenheiten hat sich anzustrengen. Verwöhnende oder ängstlich-behütende Erziehung enthält Kindern solche Gelegenheiten in einem schädlichen Ausmaß vor – schädlich nicht nur für die Entwicklung der Leistungsmotivation, sondern auch für die gesamte Entwicklung. Kinder brauchen Fürsorge für Ernährung, guten Schlaf, einen rhythmisierten Tagesablauf mit Ritualen sowie Anregungen für Interessen und Aktivitäten, aber nicht mehr an Hilfestellung und Schutz als unbedingt nötig.

a) Stärkung des Leistungsmotivs

Um das Leistungsmotiv des Kindes oder Jugendlichen zu stärken, können Eltern folgende Punkte berücksichtigen:

Regelmäßigkeit

Für die Schule zu arbeiten, also Hausaufgaben zu erledigen, zu üben und zu lernen, fällt leichter, wenn es in ritualisierter Form erfolgt. Feste Arbeitszeiten, ein fester Arbeitsplatz, eine festliegende und planvolle Abfolge der Arbeitsschritte führen zur Gewohnheitsbildung. An regelmäßige Pflichten kann man sich nicht nur gewöhnen, man kann sie sogar irgendwann schätzen lernen nach dem Motto: „Ich tu nicht nur, was ich mag, sondern ich mag, was ich tu.“

Verlässlichkeit

Schüler brauchen Eltern, die ihre Rechte wie auch Pflichten gegenüber der Schule ernst nehmen. Es hilft Kindern, wenn sie um die gute Eltern-Lehrer-Beziehung wissen. Es fördert Schüler, wenn Eltern an Klassenklima und Schulleben mitwirken. Bei Lern- und Leistungsproblemen brauchen sie Eltern, die sich um Ursachen und mögliche Hilfestellungen Gedanken machen, die nötigen Gespräche in der Schule führen oder erforderlichenfalls Beratung in Anspruch nehmen. Gerade gering motivierte Schüler brauchen das regelmäßige elterliche Interesse, Aufmunterung und manchmal auch (vereinbarte, aber konsequente) Kontrolle.

Persönliche und emotional positive Zuwendung

Eine gute Eltern-Kind-Beziehung ist mit das Kostbarste und Wichtigste, was Eltern gestalten können. Sie trägt auch durch die manchmal schwierige Pubertätszeit hindurch. Gerade weil Schule so häufig den Familienfrieden belasten kann, sollten Eltern danach trachten, mit ihren Kindern im Freizeitbereich Gemeinsamkeiten zu pflegen: ein regelmäßiger Spieleabend in der Woche, gemeinsam ins Museum, in die Bibliothek gehen, gemeinsame sportliche Aktivitäten wie Schwimmen oder Radfahren usw. Das Interesse für den Schulalltag sollte gleichfalls seinen Stellenwert haben.

Leistungserlebnisse in der Gruppe

Gerade dann, wenn Schülerinnen oder Schüler in der Schule Leistungsprobleme haben, brauchen sie für ihr Selbstwertgefühl die Erfahrung von Erfolgen in der Gruppe. Dabei können Freizeitaktivitäten durchaus förderlich sein. Deswegen wäre es fatal, etwa dem Zwölfjährigen sein geliebtes Fußballtraining zu streichen, weil die Noten derzeit nicht stimmen. Gerade im Sport liegt die Erfahrung auf der Hand: Wenn ich trainiere und mich anstrenge, komme ich zum Erfolg. Vielleicht kann der Trainer dann unterstützend wirken, wenn es um die Übertragung dieser Erfahrung auf schulisches Lernen geht.

Direkt für die Schule hilfreich kann die Teilnahme an einer Hausaufgaben-Gruppe sein oder das private Organisieren eines oder mehrerer Hausaufgaben-Partner.

Förderung der Selbstständigkeit

Selbstständigkeitserziehung ist die Quelle von Erfahrungen für das Kind. Sie ermöglicht ihm wahrzunehmen, was es schon alles kann und was (noch) nicht. Darum ist auch die Förderung der Selbstständigkeit bei Hausaufgaben und Lernen vom ersten Schuljahr an wichtig. Wenn sie bislang vernachlässigt wurde, kann die Beratung durch einen Beratungslehrer oder Schulpsychologen hilfreich sein.

Schaffen von Erfolgserlebnissen

Jeder Sporttrainer weiß: Nichts motiviert mehr als der Erfolg! Eltern sollten gemeinsam mit den Lehrkräften versuchen, Erfolgserlebnisse zu schaffen. Dazu gehört es, ganz bewusst darauf zu achten und dem Kind rückzumelden, wenn es durch Anstrengung einen Erfolg erzielen konnte, und sei er auch klein und nicht benotet. Zeigen Sie Ihrem Kind beispielsweise auf, was es jetzt im Vergleich zu letzter Woche kann, und versuchen Sie es ganz konsequent beim Richtigen zu erwischen statt bei den Fehlern.

Lob und Bestätigung

Einen misserfolgsorientierten Schüler kann man nicht zu viel loben, wenn man es richtig macht: ohne Übertreibung und in erster Linie für das Bemühen anstatt für das Resultat. „Du hast das Wort jetzt richtig geschrieben, weil du dich konzentriert hast.“ – „Deine Schrift zeigt, dass du dir Mühe gegeben hast.“ – „Prima, dass du deine Hausaufgaben erledigt hast, obwohl dir die Schule im Moment wenig Spaß macht.“

b) Mit dem Kind ins Gespräch kommen

Selber die Verantwortung für das Lernen übernehmen – das ist die Haltung leistungsmotivierter Schüler und Ziel der Motivationsförderung. Nun ist aber gerade das schwierig, wie Eltern immer wieder erleben. Einfach nur ins Gewissen zu reden ist meistens fruchtlos. Auf ein wirkliches Gespräch jedoch, auf einen Dialog, lassen sich Kinder mit Motivationsdefiziten nur ungern ein. Zu groß scheint ihnen die Gefahr, dass sie einen Mangel bei sich selbst zugeben müssten. Ihre Zurückweisung aller Sorgen („Keine Sorge, ich schaffe das schon noch“) oder Kritik („Das ist doch meine Sache, lass mich in Ruhe!“) dient der Vermeidung von Blamage und Gesichtsverlust. Gleichzeitig kennen sie durchaus die Angst, dass sie es allein möglicherweise doch nicht schaffen, die Leistungsanforderungen der Schule zu erfüllen. Sie befinden sich in einer regelrechten Zwickmühle. Also sollten Eltern versuchen, ihre Kinder auf eine Weise ins Gespräch zu ziehen, die die Angst vor dem Gesichtsverlust berücksichtigt.

Dafür kann ein Blatt mit Satzergänzungsaufgaben hilfreich sein. Darauf steht zum Beispiel (vgl. Hennig / Keller 1993, S. 18):

  • Wenn ich an die Schule denke, bekomme ich Angst, weil …
  • Schule würde mir viel mehr Spaß machen, wenn …
  • Das Fach …/… macht mir am meisten/wenigsten Spaß, weil …
  • Hausaufgaben …
  • Wenn ich Lehrer wäre und wollte die Schüler zum Lernen anregen, dann würde ich …

Sie sollten dieses Blatt selbst gestalten, dann ist es näher an Ihrer realen Situation und Sie können solche Aspekte besonders hervorheben, die Ihnen auch besonders wichtig sind. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zum Einsatz solcher Satzergänzungen, z.B.:

  • Lassen Sie Ihr Kind die Sätze ergänzen und fragen Sie anschließend nach, um über seine Begründungen ins Gespräch zu kommen und auch die Gründe zu erforschen, warum seine Motivation derzeit schlecht ist.
  • Denken Sie an eine (vielleicht schwache?) Phase Ihrer eigenen Schulzeit und ergänzen Sie die Sätze entsprechend. Dann können Sie Ihr Kind zum Vergleich mit seiner Sichtweise auffordern. Sie werden möglicherweise mehr Verständnis aufbringen, wenn Sie sich in die eigene Schulzeit zurückversetzen.
  • Fordern Sie Ihr Kind zur Satzergänzung auf und sagen Sie ihm gleichzeitig, Sie werden das Blatt auch ausfüllen, und zwar so, wie Sie vermuten, dass es antworten würde. Beim Vergleich stellen Sie dann fest, ob oder wie gut Sie sich in es einfühlen können. Das bietet die Chance, die Sichtweise von Eltern und Kind wieder einander anzunähern.

Der Sinn derartiger Eltern-Kind-Gespräche ist es in erster Linie zu erkennen, worauf das Kind seine Motivationsprobleme zurückführt. Welche Begründungen gibt es für Erfolg oder Misserfolg an? Welche äußeren Umstände nennt es (Lehrer, Mitschüler, Klassensituation,…)? Seien Sie auch darauf gefasst, dass Sie selbst oder familiäre Umstände kritisiert werden könnten (Leistungsdruck, „Für dich zählt ja nur…“, Geschwisterkonkurrenz, …).

Wenn solche Gespräche trotz Ihrer Bereitschaft und Bemühungen nicht zustande kommen oder unbefriedigend verlaufen, sollten Sie nicht zögern, sich bei einer schulpsychologischen (Adressen unter www.schulpsychologie.de) oder einer Erziehungsberatungsstelle (Adressen unter www.bke.de) beraten zu lassen. Die Eltern-Kind-Beziehung ist für die Persönlichkeitsentwicklung zu wichtig, als dass Eltern es hinnehmen sollten, wenn sie mit ihrem Kind nicht (oder nicht mehr) reden können.

c) Tipps für die Lernmotivation

Während das Leistungs-Motiv die Haltung oder Einstellung zum Leisten-Wollen beschreibt, stellt die Motivation den aktuellen Spannungszustand in Bezug auf eine Aktivität dar und ist stärker von situativen Bedingungen abhängig.

  1. Angenehme Arbeitsatmosphäre: Der Arbeitsplatz sollte zwar spielzeugfrei, sachlich und aufgeräumt sein, aber dennoch darf man ihn sich angenehm gestalten. Tischplatte mit Folie in der Lieblingsfarbe bezogen, etwas zum Trinken (optimal: Wasser!) am Platz, Kerze oder Duftlampe, wenn man das mag, und leise konzentrationsfördernde Hintergrundmusik sind nicht nur erlaubt, sondern hilfreich. Wenn Eltern Zweifel haben, gilt der Grundsatz: Was nach 14 Tagen Probezeit nicht zu einer Verschlechterung der Hausaufgaben- und Lernqualität geführt hat, sollte erlaubt sein.
  2. Das Arbeiten selbst sollte gleichfalls angenehm sein, indem man es abwechslungsreich gestaltet und mit Bewegung verknüpft. Mündliche Aufgaben lassen sich auch im Gehen, Stehen und Liegen erledigen. Schreiben kann man nicht nur im Sitzen, sondern zumindest auch am Stehpult; das in jedem Haushalt vorhandene provisorische Stehpult ist sogar höhenverstellbar: Ihr Bügelbrett! Manche Kinder schreiben gerne auch auf dem Fußboden liegend. Wenn die Schrift nicht darunter leidet, spricht nichts dagegen. Bewegung, beispielsweise das Einmaleins beim Seilspringen aufsagen oder Vokabeln beim Hin- und Herwerfen eines Balles im Frage-Antwort-Rhythmus abfragen, bringt nicht nur mehr Spaß, sondern verbessert auch die Konzentration. Dem gleichen Zweck dienen die regelmäßigen einminütigen Minipausen, die – je nach Konstitution – alle 5 bis 20 Minuten eingelegt werden sollten (vgl. Träbert 2012).
  3. Mehrkanaliges Lernen macht mehr Spaß als stures Pauken, weil es abwechslungsreicher und „gehirngerechter“ und damit gleichzeitig erfolgreicher ist. Die Erfahrungen mit meiner „Schubs“-Methode zum Trainieren des Rechtschreibens haben zahlreiche Schüler und Eltern erkennen lassen, wie motivierend eine Übungsform sein kann, die gehirngerecht angelegt ist, selbst wenn der zu übende Stoff bisher starke Ablehnung hervorgerufen hatte (vgl. Träbert 2017). Deshalb: Vokabeln nicht nur lesend lernen, sondern lesen, schreiben, laut sprechen, in die Luft schreiben, am PC üben oder mal wieder den alten Kassettenrekorder einsetzen; den Stoff in Geschichte, Bio oder Geografie nicht nur lesen, sondern Fragen dazu formulieren, ein Quiz spielen, eine Mind Map („Gedankenlandkarte“) aufmalen.
  4. Belohnungen: Eigenbelohnungen sind sinnvoller als Fremdbelohnungen, denn sie machen unabhängig. Schülerinnen und Schüler können sowohl Aktivitätsverstärker (schwimmen gehen, mit den Freunden spielen, eine Fernsehsendung anschauen, eine Computerspiel spielen usw.) als auch materielle Verstärker (Süßigkeiten u.a.) einsetzen. Aktivitätsverstärker sind im Allgemeinen vorzuziehen, vor allem, wenn sie den Kontakt mit anderen einbeziehen. Das gilt auch für den Fall, dass Eltern den Arbeitsfleiß ihres Kindes mit Belohnungen anregen möchten. Miteinander etwas zu unternehmen ist allemal wertvoller als (ungesunde) Süßigkeiten oder Geldgeschenke. Wie man Belohnungen sinnvoll und systematisch nach einem Verstärkungsplan einsetzen kann, erklären Ihnen Schulpsychologen oder auch Mitarbeiter einer Erziehungsberatungsstelle gerne.
  5. Selbstermutigung: Wenn Eltern sich mit Hilfe der Vorstellung eines blinkenden, blitzenden Badezimmers zum Putzen desselben motivieren können, können Schülerinnen und Schüler auch von der Vorstellung profitieren, wie es sich anfühlen wird, wenn beispielsweise die Mathe-Hausaufgaben erledigt sind. Zur Unterstützung kann man sich einen Reim ausdenken und an der Pinnwand anhängen oder ins Mäppchen legen, etwa: Ist Mathe erst einmal getan, fühlt sich der Tag viel besser an.
  6. Zeitplanung: Durch Zeitmanagement lassen sich schon mit geringfügigen Veränderungen große Fortschritte erzielen. Es fällt Kindern natürlich viel leichter, Prinzipien des Zeitmanagements anzunehmen, wenn sie sie im Familienalltag erleben. Wo ein Familien-Terminkalender neben dem Telefon liegt und täglich benutzt wird, ist die Bereitschaft zum Führen eines „Schüler-Timers“ oder eines Hausaufgabenheftes größer. Wo ein „Pflichtenplan“ an der Pinnwand hängt, auf dem die täglichen oder wöchentlichen Pflichten aller Familienmitglieder notiert sind und abgehakt werden, wird auch ein Wochenplan für Hausaufgaben und Lernen eher akzeptiert (vgl. Träbert 2016, S. 48 ff.).

Schlusswort

Wenn wir die Anstrengungsbereitschaft unserer Kinder und Jugendlichen stärken wollen, müssen wir Erwachsenen uns anstrengen. Das ist oft ein Schwimmen gegen den Strom des Zeitgeistes, der suggeriert, wir sollten stets mit dem geringstmöglichen Aufwand den größtmöglichen Effekt erzielen. Aber bitte bedenken Sie, dass nur tote Fische immer mit dem Strom schwimmen – lebendige haben die Wahl. Unsere Kinder brauchen lebendige, kraftvolle Erwachsene. Deswegen tun Sie sich bitte ab und zu auch etwas Gutes, z.B. mit diesem Gutschein:
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Literaturverweise

  • Hennig / Keller 1993: Claudius Hennig/Gustav Keller, Lehrer lösen Schulprobleme. Donauwörth (Auer)
  • Träbert 2017: Detlef Träbert, Rechtschreibtraining mit der Schubs®-Methode, Dreieich (MEDU-Verlag)
  • Träbert 2016: Detlef Träbert, Mehr Freude am Lernen!, Dreieich (MEDU-Verlag)

Weiterführende Literatur

  • Gustav Keller: Ich will nicht lernen. Motivationsförderung in Elternhaus und Schule, 5., überarb. Aufl., Bern (Hogrefe Verlag) 2016
  • Jochen Klein/Detlef Träbert: Wenn es mit dem Lernen nicht klappt. Schluss mit Schulproblemen und Familienstress, Weinheim (Beltz) 2009
  • Jutta Heckhausen/Heinz Heckhausen (Hrsg.): Motivation und Handeln, 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (Springer) 2018 (Lehrbuch im Medienverbund mit dem Internet; ein Standardwerk der Motivationspsychologie)

Materialienhinweis

Kopiervorlagen zum Buch „Null Bock auf Lernen?

Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch

Autor

Detlef Träbert ist nach 18 Jahren als Lehrer und Beratungslehrer in Baden-Württemberg seit 1996 freiberuflich tätig. Der Diplom-Pädagoge betreibt seinen Schulberatungsservice Schubs® in Köln, von wo aus er Elternvorträge und –workshops sowie Fortbildungen für ErzieherInnen und Lehrkräfte in ganz Deutschland anbietet.

Er ist Autor zahlreicher Bücher im pädagogischen Bereich und seit 2016 Ehrenvorsitzender der Aktion Humane Schule e.V.

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Dipl.-Päd. Detlef Träbert
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Erstellt am 4. August 2015, zuletzt geändert am 27. Juni 2019

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