Verantwortungsvoll mit dem Mobiltelefon umgehen

 Dr. Angela M. T. Reinders
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Studien zur Mediennutzung bei Jugendlichen zeigen, dass insgesamt 97 Prozent der Zwölf- bis Neunzehnjährigen mit eigenem Handy oder Smartphone ausgestattet sind. Für fast alle in der Altersgruppe stellt sich die Frage nach guten Umgangsformen bei mobiler Kommunikation, für viele auch danach, wie man auf Cybermobbing richtig reagiert. Auch bei der Nutzung von Handyfotos sind rechtliche Vorgaben zu beachten.

Ungeklärter Herkunft ist das Zitat: “Der richtige Umgang mit dem Mobiltelefon wird unsere Kinder in Zukunft mehr beschäftigen als die Frage, ob man den Fisch mit dem Messer schneiden darf oder nicht.”

Das Zitat spielt auf den Knigge, auf Benimmregeln an. Zum “richtigen” Umgang mit dem Mobiltelefon gehört sicher eine gute Portion an Umgangsregeln. Sie geht wegen der Mobilität des Mediums in zwei Richtungen: Wertschätzung verdienen die Menschen, mit denen ich über das Gerät kommuniziere, verdienen aber auch diejenigen, in deren Nähe ich mich räumlich befinde. Denn Handyanrufe, SMS- und WhatsApp-Nachrichten oder Snapchats platzen in den Alltag wirkungsvoll hinein. Es ist auch ein Erziehungsthema, ob sich ein persönliches Gespräch davon stören und unterbrechen lassen darf.

Wer nutzt Handys und Smartphones wie?

Die JIM-Studie „Jugend, Information, (Multi-)Media 2014“ weist aus, dass 88 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen Smartphones nutzen. Bezieht man herkömmliche Mobiltelefone in die Zählung ein, so sind es insgesamt 97 Prozent der Jugendlichen mit eigenem Handy oder Smartphone. Am häufigsten werden die Geräte zum Musikhören genutzt (78 Prozent), am zweithäufigsten, um das Internet mobil zu nutzen (75 Prozent), dann erst zum Telefonieren (70 Prozent).

Wertschätzung der Kommunikationspartner

Bei einem Anruf sieht man auf dem Display, wer Kontakt aufnimmt. Das führt manche dazu, ihren Namen und eine Begrüßung gleich ganz wegzulassen, wenn ein guter Freund, eine gute Freundin anruft. Wie Soziologen beobachtet haben, verwischen sich dabei die üblichen Umgangsformen. Nach und nach verlernt eine Gesellschaft, wie Kulturpessimisten fürchten, elementare Umgangsformen wie das Begrüßen und Abschiednehmen beim mobilen Telefonieren. Auch wenn Eltern das Gefühl haben, auf taube Ohren zu stoßen: Dass es Standards gibt, sollten Sie ihrem Kind dennoch immer wieder vermitteln. Spätestens, wenn es mit einem ihm fremden Menschen telefonieren muss, wird es Ihnen das danken. Denn im Berufsleben zeugt es später von gutem Stil, so Benimm-Experte Dr. Hans-Michael Klein, dass Menschen „sich am Mobiltelefon immer mit Vornamen und Nachnamen melden – egal wer anruft“.

Spontane Verabredungen werden per Smartphone noch leichter möglich als per Telefon – allerdings auch unverbindlicher: Galten früher Verabredungen als getroffen, so werden sie heute kurzfristig abgesagt, wenn sich noch spontaner eine noch attraktivere Gelegenheit bietet. Es wird zwischen Eltern und ihren Kindern ein Thema sein, wie verbindlich sie mit den Freunden umgehen.

Mittlerweile gibt es ein breites Spektrum von Themen und Anlässen, bei denen das Smartphone das Kommunikationsmittel der Wahl ist. Doch im allgemeinen Bewusstsein tabu ist, was viele Jugendliche dennoch praktizieren: Mit dem Freund, der Freundin Schluss machen per Kurznachricht.

Wertschätzung der Umgebung

Gemeinsame Mahlzeiten der Familie sollten handyfrei gestaltet werden. Wer zusammen isst, tauscht sich auch im Gespräch aus. Manche Familien treffen jedoch Sonderregelungen, z.B. einen Blick auf das Telefon zu einem verabredeten Zeitpunkt bei Tisch, wenn jemand Sorge hat, eine wichtige Nachricht zu verpassen.

Natürlich wird im Unterricht das Gerät ausgeschaltet. Schulen haben als Ausnahmen feste Zeiten und Zonen, in denen das Smartphone genutzt werden darf. Ein wesentlicher Grund für schulisches Handyverbot ist neben der Ablenkung und Geräuschbelästigung auch, dass niemand eine Lehrperson, Mitschülerinnen oder Mitschüler unentdeckt filmen und das Ergebnis später zur Bloßstellung verwenden kann. Tabuzonen sind auch Museen, Theater, das Kino, Kirchen – insbesondere beim Gottesdienst.

Wer in einer lauten Umgebung telefoniert, dessen Stimme wird dennoch über das Gerätetelefon in verständlicher Lautstärke zum Gesprächspartner übertragen. Es muss also niemand ins Telefon brüllen.

Zur guten Gestaltung der Umgebung gehört auch eine bewusste Entsorgung alter Geräte. Gerätemüll wird in weniger entwickelte Länder transportiert, dort belasten die Wertstoffe den Boden der Müllhalden. In Gebieten mit großer Armut bauen vornehmlich Kinder die Altgeräte auseinander, um die darin ehemals verbauten Stoffe Gewinn bringend zu verkaufen – zum Schaden ihrer eigenen Gesundheit. Eine Alternative dazu bieten Hilfswerke etwa mit der Möglichkeit, die Altgeräte zur CaritasBox einzuschicken. Ebenso kann man alte Handys noch zum Verkauf anbieten, den Erlös wahlweise dann auch spenden.

Soziale Vernetzungen sozial nutzen

Jugendliche kommunizieren durchgängig in mehreren Gesprächssträngen über ihre Mobilfunkgeräte und gestalten ihre soziale Kommunikation mit unterschiedlichen Apps. Die JIM-Studie zeigt so genannte Messenger-Apps (z.B. WhatsApp) weit vorne, 86 Prozent nutzen sie. Kostenlose Übermittlung von Text-, Sprach- und Bildnachrichten, die damit möglich ist, hat die SMS-Kommunikation weitgehend abgelöst. Dass bei dieser Art der Kommunikation Smilies und Abkürzungen an die Stelle ganzer Sätze treten, muss Eltern nicht erschüttern: Ein „Netzjargon“ entsteht, der „hugs“ (Umarmungen, O) und „kisses“ (Küsse, X) eben lieber mit XO ausdrückt, als das Ganze auch noch umständlich auszuschreiben.

Mit 46 Prozent sind soziale Netzwerke (z.B. Facebook) bei den Apps vertreten. An dritter Stelle (mit 26 Prozent) stehen Apps, mit denen sich Bilder bearbeiten und teilen lassen, hier vor allem kostenlose Foto-Communities „eine schnelle, schöne und spannende Möglichkeit, dein Leben mit Freunden und Familie zu teilen“, wie sie z.B. beworben werden.

Aber was schön und spannend ist, das ist nicht in jedem Fall zum Teilen auch geeignet – und viele teilen zu schnell …

Film und Foto: Was ist zu beachten?

Kinder und Jugendliche gehen mit den Bildern, die sie mit dem mobilen Gerät machen, sehr unbefangen um. Dass sie ein natürliches Gespür dafür haben, was das Kunsturheberrecht regelt, dass nämlich jeder Mensch ein Recht am eigenen Bild besitzt, ist nicht automatisch zu erwarten, sondern muss vermittelt und gelernt werden. Bei Selfies fängt es an – man lichtet sich selbst allein oder in kleinen Gruppen ab –, bei Schnappschüssen und Filmen in unerwünscht unangenehmen Situationen hört es auf. Gefahren stellen insbesondere Fotos dar, auf denen Jugendliche leicht bekleidet oder nackt in sexuellen Kontexten dargestellt werden, so genanntes „Sexting“.

Beugen Sie im Gespräch vor. Bestärken Sie Ihr Kind darin, eigene Gefühle zurückzuhalten und den eigenen Körper, die eigene Sexualität zu schützen. Sprechen Sie mit dem Kind über die Beziehungen zu Freunden und sprechen Sie auch an, das Vertrauen missbraucht werden kann. Eine Erziehung zu gutem Sozialverhalten ermutigt, soziale Netzwerke nicht asozial zu nutzen.

Mobbing per Mobiltelefon

Die Vernetzung per Handy und Smartphone führt bei mancher Kommunikation zu Missverständnissen. Bei der Übermittlung sehr reduzierter Nachrichten fehlen wesentliche Zwischentöne, Gesichtsausdruck und andere körpersprachliche Signale. Die Übermittlung in kurzen Botschaften ist abstrakter als direkter Austausch. Was als kurze Nachricht den Sender verlässt, kommt beim Empfänger häufig als unfreundliche Ansage oder gar kleine Drohung an, auch wenn es nie so gemeint war. Ermuntern Sie Ihr Kind immer zur persönlichen Klärung von schwierigen Situationen im direkten Gespräch.

Das Mobbing per Handy gehört in den Bereich des „Cybermobbings“ allgemein, also dem Mobbing, das durch Möglichkeiten der virtuellen Datenübertragung erst ermöglicht und befördert wird. Es wirkt ähnlich wie andere Formen des Schülermobbings, doch wird eher von älteren Schülerinnen und Schülern ausgeübt, wie eine Langzeitstudie „Cybermobbing an Schulen“ des Institut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster zeigt. Denn die Technik macht möglich, dass es die Jugendlichen in jeden Lebensbereich hinein verfolgt und große Kreise zieht, weil vernichtende Aussagen und Bilder mit anderen geteilt werden. Es hängt von der Persönlichkeit der oder des Betroffenen ab, wie sehr sie oder er davon beeinträchtigt wird.

Wichtig ist im Fall von Cybermobbing vor allem, dass Sie Ihrem Kind helfen, sich eine Lobby zu schaffen. Andere Bezugspersonen werden informiert und in die gestörte Kommunikation eingebunden. Ihr Kind muss den Mut finden, Drohungen und Druck nicht nachzugeben, sondern mit Ihrer Hilfe und mithilfe anderer starker Partner dagegen anzugehen. Öffentlichkeit entzieht dem Mobbing den Boden. Eine neue Mobilnummer, ein neues Gerät, ein neuer Telefonvertrag markieren einen Schnitt zu den alten Vorgängen..

Bei der Polizei gibt es Jugendsachbearbeiter, die beratend zur Seite stehen, wenn Drohungen und Nötigung strafrechtlich geahndet werden müssen. Dort gibt es auch Unterstützung bei der Löschung von Daten, mit denen die Person Ihres Kindes zu seinem Nachteil dargestellt wird – so weit das möglich ist, denn es gilt: „Das Internet vergisst nichts.“ Die Polizei gibt die Broschüren „Klicks-Momente“ heraus, unter anderem auch Sicherheitstipps für die Nutzung von Smartphones.

Handy-Viren

Kein spezifisch jugendliches Problem ist die üble Übermittlung von Viren, die das Display oder das gesamte Innenleben des Handys ausschalten. Bei den Anbietern oder auch im Internet ist zu erfahren, wie man sich schützen und wie man Schaden reparieren kann.

Eltern-Handy-Knigge

Wenn Sohn oder Tochter mit dem eigenen Handy loszieht, dann gilt auch für Eltern ein “Handy-Knigge” .

  • Trauen Sie Ihrem Kind seine Selbstständigkeit zu. Texten und klingeln Sie nicht hinter ihm her, wenn es nicht unbedingt notwendig ist – es geht um das Image Ihrer Tochter oder Ihres Sohns. Von ihren Eltern per Handyruf oder -nachricht “verfolgte” Kinder genießen eher den Ruf von Hätschelbabys und werden dementsprechend leichtere Opfer des Mobbings durch ihre Gleichaltrigen.
  • Auch, wenn Sie der Empfehlung folgen, regelmäßig die Sicherheitseinstellungen am Gerät und innerhalb der Apps beim Handy oder Smartphone Ihrer Kinder zu überprüfen: Lassen Sie Ihrem Kind seine Privatsphäre. Widerstehen Sie der Versuchung, digitale Gespräche Ihrer Kinder auszuspionieren – es sei denn, Ihr Kind bittet Sie darum, weil es unter Gesprächsprozessen leidet. Lassen Sie die Daten auch dann ruhen, wenn Sie das Handy bezahlen – das Briefporto würden Sie ja auch für Sohn oder Tochter übernehmen.
  • Gehen Sie unbefangen mit technischem Gerät um und mit dem Umgang, den Ihr Kind mit dem Handy an den Tag legt. Das Handy muss nicht immer zum Gesprächsthema werden.

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Dr. Angela M. T. Reinders, Jahrgang 1965, Dipl.-Theologin, Redakteurin beim Bergmoser + Höller Verlag AG, Aachen

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Purweider Winkel 10
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Erstellt am 11. März 2002, zuletzt geändert am 11. Dezember 2014