Das Grundkonzept der Eltern-Kind-Gruppenarbeit in Familienbildungsstätten

Angelika Tuschhoff und Rita Daude

Eltern-Kind-Gruppen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Seit vielen Jahren besuchen Eltern, meist die Mütter, mit ihren Kleinkindern diese Gruppen.

Die Familienbildungsstätten als Hauptanbieter von Eltern-Kind-Gruppen haben unter der Leitung einer pädagogisch ausgebildeten Fachkraft ein qualifiziertes, familienbegleitendes Angebot im Programm.

Das Konzept Eltern-Kind-Gruppe für Eltern mit Kindern von ein bis drei Jahren, das hier in seiner Arbeitsweise vorgestellt wird, knüpft an die direkte Lebenssituation der Familien an. Es orientiert sich gleichermaßen an den Bedürfnissen der Eltern und Kinder.

Ziele und Möglichkeiten der Eltern-Kind-Gruppenarbeit

In der Eltern-Kind-Gruppe treffen sich Eltern und Kinder um gemeinsam zu spielen und neue Erfahrungen zu machen. Eltern haben hier Gelegenheit Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen, Elternrolle und Erziehungsaufgabe zu bedenken und zu diskutieren. Ein spezifisches Merkmal der Eltern-Kind-Arbeit ist die gleichzeitige Anwesenheit zweier Adressatengruppen, der Erwachsenen und der Kinder. Die gleichwertige Beachtung der unterschiedlichen Bedürfnisse beider Gruppen erfordert differenzierte Wahrnehmung und deren praktische Umsetzung in die Kursarbeit.

Ziele in Bezug auf die Erwachsenen sind:

  • Kontakte knüpfen und Freude erleben mit anderen Kindern und Erwachsenen
  • Probleme thematisieren
  • durch Erfahrungs- und Informationsaustausch verschiedene Handlungsmöglichkeiten kennenlernen
  • durch Erwerb realistischer Einsichten in das altersentsprechende Verhalten des Kindes Handlungsmöglichkeiten entwickeln und in der Gruppe zulassen können
  • Befähigung, das Kind als Individuum anzunehmen und erste Loslösungsprozesse zulassen
  • die Gruppe als vertrauten Ort erleben, in dem sich alle verstanden und begleitet fühlen
  • Erwartungen, Wünsche und Gefühle erkennen, äußern und umsetzen lernen
  • Erziehungsverhalten reflektieren, Eigeninitiative entdecken und aufbauen
  • partnerschaftliches Verhalten untereinander einüben
  • praktische Anregungen für die Gestaltung der Beziehung zum Kind und für die Beschäftigung mit dem Kind erwerben
  • Informationen und Diskussionsraum über pädagogische, psychologische, gesellschaftliche und politische Zusammenhänge mit Blick auf die Familie ermöglichen.

Ziele in Bezug auf die Kinder sind:

  • Kinder in ihrer ganzheitlichen Entwicklung durch mannigfaltige Spielsituationen und Angebote zu den unterschiedlichsten Entwicklungsbereichen unterstützen
  • Möglichkeiten der Kontaktaufnahme der Kinder untereinander innerhalb und außerhalb der Gruppensituation
  • Kontaktaufnahme der Kinder zu anderen Erwachsenen ermöglichen.

Rolle und Funktion der Gruppenleiterin

Die Rolle der Gruppenleiterin ist die einer Begleiterin der Gruppe. Sie muss die jeweilige Situation und die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen reflektieren und in den Angeboten berücksichtigen. Sie sollte Eltern und Kinder in der jeweiligen Lernsituation unterstützen und auf die jeweiligen Fragen und Probleme der einzelnen eingehen können. Voraussetzung dafür ist, alle Teilnehmenden ernst zu nehmen. Nur so kann die Gruppenleiterin ihre Rolle als Begleiterin zur Zufriedenheit von Eltern und Kindern und zu ihrer eigenen Zufriedenheit ausfüllen.

Für die Gruppenleiterin ergeben sich dabei folgende Aufgaben:

  • Sie sorgt für den äußeren Rahmen der Gruppe (Zeit, Raum, Material).
  • Sie sorgt für Angebote, die die jeweilige Situation der Kinder, der Eltern, der Gruppe berücksichtigen.
  • Sie ist Ansprechpartnerin für Eltern und Kinder.

Kursorganisation- Vorbereitung

Die organisatorische Vorbereitung der Kurse wird vom Träger in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachbereichsleitung und der Gruppenleiterin übernommen. Dazu gehören:

  • Werbung
  • Bekanntgabe von Kursort, Terminen und Gebühren
  • Bereitstellung von geeigneten Räumen und Materialien
  • Sicherstellung der Finanzierung

Die fachliche Vorbereitung übernimmt die Gruppenleiterin.

Durchführung

  • Die Zahl der Teilnehmerinnen liegt bei acht bis zehn Erwachsenen mit den dazugehörigen Kindern.
  • Der Kurs sollte für ein bis zwei Jahre geplant werden.
  • Diese Zeit kann in mehrere Kurseinheiten von zehn bis 15 Treffen aufgeteilt werden. Die Gruppe trifft sich jeweils einmal wöchentlich für zwei Unterrichtsstunden (nachmittags oder vormittags).
  • Die Ausschreibung sieht oft eine Eingrenzung des Alters der Kinder vor, um möglichst homogene Gruppen zu erreichen. Vor allem in den Außenstellen kommt es aber zu altersgemischten Gruppen. Hier gibt es einen häufigeren Wechsel der Teilnehmenden, da die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten das Kindergartenalter erreichen.
  • Die gemeinsamen Veranstaltungen für Eltern und Kinder werden durch begleitende Elternarbeit ergänzt.

Begleitende Elternarbeit

Viele Situationen und Fragen, die in den Eltern-Kind-Gruppen erfahren und angeschnitten werden, sollten nicht im Beisein der Kinder diskutiert werden. Ebenso ist das Bedürfnis der Mütter und Väter oft sehr groß, sich einmal ohne Kinder zu unterhalten, so dass Elterngesprächsabende eine sinnvolle Ergänzung zur Eltern-Kind-Gruppe sind. Gleichzeitig besteht an den Elterngesprächsabenden die Möglichkeit, auch die Elternteile in die Gruppe einzubeziehen, die, meist aus beruflichen Gründen, am Tage nicht teilnehmen können.

Die Elterngesprächsabende unterscheiden sich durch drei inhaltliche Schwerpunkte:

  1. aktuelle Gruppensituationen (situationsorientierte Elternabende)
  2. Organisation und Zusammenhalt der Gruppe
  3. Erziehungs- und Entwicklungsfragen.

Die Dauer eines Abends beträgt ungefähr zwei Stunden. Ort des Treffens kann ein gemütlicher Raum in der Einrichtung sein, besonders dann, wenn inhaltlich gearbeitet werden soll.

Räumliche Ausstattung

Als Eltern-Kind-Gruppenraum ist ein heller, freundlicher, möglichst großer Raum geeignet. Der Fußboden sollte leicht zu reinigen sein. Heizungen müssen so beschaffen sein, dass sie die Kinder nicht verletzen können. Steckdosen werden mit Kindersicherungen verschlossen. Sanitäre Anlagen müssen sich in unmittelbarer Nähe befinden. Es ist wichtig ist, dass der Raum viel freie Bewegungs- und Spielfläche bietet, also wenig Mobiliar enthält, eventuell nur Kindertische und- stühle. Besonders schön sind Matten zum Toben und Ausruhen, Kissen und Kästen! Neben einigen gekauften Spielsachen lässt sich auch vieles selbst herstellen. Mit leeren Kartons, Schachteln und Dosen kann ebenso fantasievoll gearbeitet werden wie mit Materialien, die in der Natur zu finden sind wie zum Beispiel Kastanien, Eicheln, Blätter oder Steine. Auch einfache Haushaltsgegenstände sind bei den Kindern sehr begehrt.

Es ist günstig, wenn das Spiel bei schönem Wetter draußen im Freien in einer ruhigen, kindgemäßen Umgebung stattfinden kann.

Strukturierungsmöglichkeiten für die Eltern-Kind-Gruppentreffen

Sich wiederholende Ablaufmuster der Gruppenstunden helfen kleinen Kindern sich in der Situation zurechtzufinden. Wiederkehrende Strukturen signalisieren gleichzeitig Regeln und Grenzen und lassen das Gemeinschaftsgefühl wachsen.

Begrüßungsspiel

Das Begrüßungsspiel setzt einen deutlichen Anfangspunkt. “Jetzt geht es los” , “wir beginnen mit unserer Gruppe.” Das Begrüßungslied hilft, Gruppengefühl zu entwickeln. Enthält diese Anfangsrunde die Begrüßung jedes einzelnen Kindes, so fühlt sich jedes Kind als eigenständiges Individuum ernst genommen und als wichtiges Mitglied der Gruppe. Folglich kann dieses Spiel eine Steigerung des Selbstwertgefühls bewirken.

Freies Spiel

Im Freispiel entscheiden die Kinder, was oder mit wem sie spielen wollen. Im Unterschied zum Freispiel zu Hause bietet die Eltern-Kind-Gruppe vielfältige Anreize die Kontaktfähigkeit zu erproben und weiterzuentwickeln. Die Kinder erleben und lernen den Umgang mit Gleichaltrigen und Erwachsenen und haben die Sicherheit, dass ihre Mütter oder Väter in erreichbarer Nähe sind. Aus der Perspektive der Kinder sind die Eltern ein “sicherer Hafen” . Dorthin können sie sich jederzeit zurückziehen, zum Ausruhen und Beobachten, zum “Auftanken” .

Anregung / Angebot (das in freies Spiel übergeht)

Es ist wichtig, den Kindern verschiedene Materialien und Dinge des täglichen Lebens anzubieten, die ihre eigene Fantasie anregen und sie kreativ werden lassen, ohne dass vorgegeben wird, wie gespielt werden soll. Während im Freispiel jedes Kind seinen spontanen, individuellen Interessen nachgeht, wird mit dem Angebot die Aufmerksamkeit wieder auf die Gruppe und eine gemeinsame Sache gelenkt. Auch hier entscheidet das Kind selbst, ob und wie lange es sich beteiligt.

Die Angebote in der Gruppe werden von den Kindern und auch den Müttern/Vätern unterschiedlich angenommen. Der einen Mutter macht es mehr Freude, sich mit Fingerfarben zu beschäftigen, während eine andere sich wohler fühlt, wenn sie mit den Kindern Ball spielt. Genauso unterschiedlich verhalten sich die Kinder in der Gruppe.

Jede Eltern-Kind-Gruppe hat eine eigene Dynamik, eigene Schwerpunkte und Eigenarten, die durch die Kinder und Eltern bei der gemeinsamen Beschäftigung zum Ausdruck kommen.

Im Freispiel kann jedes Kind seinen spontanen, individuellen Interessen nachgehen. Hierbei wechselt das Spiel zwischen zuschauen und Einzelspiel und dem gemeinsamen Tun der Kinder untereinander. Es wechselt zwischen Bewegung und ruhigeren Phasen, zwischen dem Selbstausprobieren und den ergänzenden Anregungen der Eltern und der Gruppenleiterin und vielleicht dem erneuten Einzelspiel.

Die Eltern beobachten die Kinder beim freien Spiel mit einfachen Spielmaterialien und bei ersten Kontakten miteinander und lassen sich darauf ein, den Kindern Spielpartner zu sein. Es sollte versucht werden, spontane Aktivitäten von Kindern und Eltern aufzugreifen und weiterzuführen.
Beim gemeinsamen Spiel werden Fingerspiele, Kreisspiele, Lieder und Verse ausprobiert, einfache Geschichten erzählt, erste Erfahrungen im Umgang mit der Natur und mit Farben gemacht und einfache Gestaltungsmöglichkeiten entsprechend dem Interesse und Kindesalter in der jeweiligen Gruppe entdeckt.

Abschiedsspiel (Kreis)

Während das Begrüßungsspiel einen deutlichen Anfang macht, setzt das Abschiedsspiel einen deutlichen Schlusspunkt. Erwachsene und Kinder nehmen bewusst Abschied voneinander.

Das entscheidende Merkmal dieses Ablaufschemas ist es, alle am Gruppenprozess beteiligten Faktoren gleichermaßen zu beachten und zu würdigen:

  • jedes Kind und jeden Erwachsenen mit den individuellen Interessen
  • das Spiel, das Gespräch in der Gesamtgruppe.
  • Die gemeinsame Beschäftigung, die gemeinsame Sache ist die Grundlage der Treffen.

Planung, Vorbereitung und Ablauf der Eltern-Kind-Gruppe

Einen wichtigen Teil der Arbeit für die Gruppenleiterin bildet bereits die Planung und Vorbereitung der Eltern-Kind-Gruppe. Dabei ist es hilfreich, sich an den Überlegungen zur Rolle der Gruppenleiterin und an den Zielen im Hinblick auf die Kinder, die Erwachsenen und die Eltern-Kind-Beziehung zu orientieren.

Überlegungen in Bezug auf die Kinder:

  • Aufbau des Vertrauensverhältnisses
  • Regeln aufstellen und Grenzen setzen
  • Rolle als Impulsgeberin
  • Maßnahmen zur Förderung der Selbstständigkeit
  • Möglichkeiten intensiven Spielens schaffen
  • Angebote entwicklungsadäquater Aktivitäten

Überlegungen in Bezug auf die Eltern:

  • Ansprechpartnerin bei aktuellen Fragen
  • Rolle als Vertrauensperson
  • Anregung zur Beobachtung
  • Elternkompetenz stärken

Überlegungen in Bezug auf das Eltern-Kind-Paar:

  • Beziehung stabilisieren
  • Loslösung ermöglichen
  • Begleiten statt Leiten

Planung von Gruppenstunden bedeutet also, sich anhand der Gruppensituation zu überlegen, was wann, wie und warum getan werden sollte. Jede Planung sollte als Rahmen gedacht sein, in den die Eigenaktivitäten und der Ideenreichtum der teilnehmenden Eltern und Kinder eingebracht werden können. Der tatsächliche Verlauf der Gruppenstunde muss sich stets an der aktuellen Situation der Teilnehmerinnen orientieren.

Literatur

  • Evers, Margit (1994): Das Spielgruppenbuch, Beschäftigungen, Spiele und Lieder für Kinder ab 2 Jahren, Weinhei.
  • Guhl-Schubert, Annette (1980): Spielgruppe, Freiburg.
  • Hillebrand, Margret (1994): Mutter-Kind-Gruppen. Düsseldorf.
  • Münchmeier, Anne-Bärbel (1982): Kleinkindertreff, Reinbeck bei Hamburg.
  • Schaefer, K./Schmidt, H.J. (1979): Lernen, Familie zu leben. Eltern-Kind-Arbeit an Familienbildungsstätten. Stein bei Nürnberg.
  • Wesserle, Christa (1994): miteinander spielen – miteinander lernen. Eltern-Kind Gruppen auf neuen Wegen. Ein Handbuch für Gruppenleiterinnen und Eltern. München.
  • Brigitte Wilmes-Mielenhausen, Brigitte (1994): Eltern-Kind-Gruppen Kursbuch, Freiburg im Breisgau.

Weitere Beiträge von Angelika Tuchhoff hier in unserem Familienhandbuch

Autorinnen

Angelika Tuschhoff / Rita Daude
Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Familienbildungsstätten
Prinz-Georg-Str. 44
40477 Düsseldorf

Tel.: 0211/44992-45

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Erstellt am 21. Januar 2003, zuletzt geändert am 23. März 2010