Schlafschwierigkeiten bei Kindern
Beate Weymann
Schlafprobleme sind weit verbreitet – sowohl bei Babys, Kindern als auch bei Erwachsenen. Mindestens eins von fünf Vorschulkindern zeigt gravierende und oft langwierige Schlafprobleme. Die Hälfte bis drei Viertel aller Kleinkinder weisen zumindest eine Weile Schlafschwierigkeiten auf. Die Tendenz ist, daß derartige Probleme bei Erwachsenen zunehmen. Bei Kindern bessern sich die Schlafprobleme meist mit zunehmendem Alter, schließlich müssen sie u.a. erst ihren Rhythmus bezüglich des Schlafens finden.
Einschlafstörungen
Fast alle Kinder haben irgendwann einmal Probleme mit dem Einschlafen. Als Ursachen kommen ein vergangener, aufregender Tag oder eine Unruhe (Ängstlichkeit) bezüglich eines noch bevorstehenden Erlebnisses in Frage. Es ist aber auch möglich, daß das Kind ganz einfach noch nicht müde ist (Dann den Mittagsschlaf streichen, für mehr Bewegung und frische Luft sorgen) und deshalb sowohl innerlich als auch äußerlich nicht ruhig werden kann. Auch Vorfreude stört die Schlafbereitschaft. Der Schlaf von kleinen Kindern wird von ganz ähnlichen Effekten beeinflußt wie der von Erwachsenen. Nicht vergessen sollte man, daß das Zubettgehen immer auch mit einem Abschied von den Eltern verbunden ist, was kleineren Kindern Probleme bereitet. Kinder meinen, etwas zu verpassen, wenn sie ins Bett müssen. Läuft da nicht gerade ein spannender Film im Fernsehen? Falls die Eltern “nur” lesen oder handarbeiten z.B. wird dieses den Kindern bald zu langweilig. Im Unterschied zu Erwachsenen schlafen Kinder erst dann ein, wenn sie vom Schlaf überwältigt werden!
Einschlafprobleme findet man verstärkt im 3.- 4. Lebensjahr. In diesem Zeitraum wird dem Kind zunehmend bewußter, daß es eine ganz individuelle Persönlichkeit darstellt (von Mutter und Vater getrennt, mit denen es sich vorher noch sehr vereint gefühlt hat). Dieses Gefühl des Getrenntseins von den Eltern löst Ängste aus. V.a. Einzelkinder fühlen sich abends abgeschoben, wenn sie ins Bett sollen.
Dem Kind helfen
Hilfreich sind: ein Licht brennen lassen im Flur, Tür offen stehen lassen, Stofftiere im Kinderbett, leises Reden der Eltern aus dem Nebenzimmer, das Vertrautheit vermittelt. Eine zur Verfügung gestellte Taschenlampe kann Kindern ab 4 Jahren ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, denn fast alle Kinder fürchten sich vor der Dunkelheit. Auch eine eigene Nachtlampe kann hilfreich sein. Der vergangene Tag sollte noch einmal besprochen werden: Ist etwas passiert, was das Kind belastet? Gibt es noch etwas, das es erklärt haben möchte? Bei Sorgen und Kummer helfen sehr gut körperliche Berührungen: in den Arm nehmen, streicheln. Ratsam ist der Hinweis auf das Erfreuliche des zukünftigen Tages. Die Temperatur im Schlafzimmer sollte nicht zu hoch sein: 16° C maximal! Wenn möglich, das Fenster offen lassen (gekippt, sonst besteht Unfallgefahr). Die Schlafbekleidung sollte aus Baumwolle bestehen. Die Mahlzeit abends darf nicht zu reichlich ausfallen. Kohlensäure führt zu Blähungen, worauf man Rücksicht nehmen sollte. Es ist wichtig, daß eine ausreichende Luftfeuchtigkeit im Raum vorhanden ist: Notfalls mit feuchten Handtüchern auf der Heizung nachhelfen. Ansonsten muß darauf geachtet werden, daß Kinder genügend Bewegung tagsüber bekommen – mindestens 1 – 2 Stunden jeden Tag an der frischen Luft spielen.
Das Zubettgehen darf niemals mit Strafe belegt werden, denn sonst assoziiert das Kind das Schlafen mit etwas Negativem! Das Bett sollte stattdessen ein Ort sein, an dem man Bilderbücher ansehen, Musik hören, spielen kann, um so eine positive Einstellung entstehen zu lassen. Dieses ist auch für die Eltern von Vorteil: Die Kinder liegen im Bett, und sie haben Zeit für sich selbst. Über diesen spielerischen Umgang läßt sich leicht Entspannung erreichen. Zwingt man das Kind dagegen, das Bett nur als Ort des Schlafens anzusehen, so lastet ein Druck auf dem Kind, dem es nicht gewachsen ist. Es ist nicht in der Lage, sich bewußt zu entspannen! Unter Zeitdruck (“jetzt schlaf endlich, es ist schon so spät!”) kann das Kind überhaupt nicht in den Schlaf finden.
Empfehlenswert ist eine gewisse Regelmäßigkeit der Zubettgehenszeit, schon um Feilschereien wegen der Uhrzeit aus dem Wege zu gehen. Ausnahmen bei besonderen Gelegenheiten sind gestattet (z.B. Geburtstag, Hochzeitsfeier, Ferien, Geburt eines Geschwisterchens, etc). Es ist kein Geheimnis mehr, daß abendliche Zubettgeh-Rituale die besten Einschlafhilfen darstellen. Hiermit ist gemeint, daß jeden Abend die gleichen Dinge in genau der gleichen Reihenfolge erledigt werden: zuerst Badezimmer, dann Geschichte erzählen, beten, Lied vorsingen, zudecken, Kuß u.ä. Übrigens ist es entlastend, wenn auch mal der Vater statt immer nur die Mutter die Kinder ins Bett bringt, v.a. wenn es Probleme bezüglich des Schlafens gibt. Leider ist es immer noch so, daß vorwiegend Mütter dieser Aufgabe nachgehen. Väter meckern dafür in der Mehrzahl, wenn die Mutter nicht so viel Erfolg in Bezug auf das Schlafen der Kinder aufweisen kann. Angebracht wäre es sicherlich, den anderen zu unterstützen, v.a. bei Schwierigkeiten, anstatt ihm zusätzlich Steine in den Weg zu werfen. Betont sei hier, daß die Bedürfnisse aller Familienmitglieder genügend gewürdigt werden müssen. Es ist nicht vorteilhaft, eine Lösungsmöglichkeit durchzusetzen, mit der der Vater z.B. nicht einverstanden ist.
Schlafen im Elternbett
Es ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, daß viele Eltern ihre Kinder mit ins Elternbett nehmen. Dies kann sehr erleichternd und erfolgversprechend sein. Die Mehrzahl aller kleinen Kinder schläft am liebsten im Elternbett. Die meisten Eltern nehmen das hin, sind aber der Meinung, daß es eigentlich nicht richtig ist, schämen sich ein bißchen dafür, weshalb auch nicht gerne darüber gesprochen wird. Dies kann aber sehr erleichternd und erfolgversprechend sein. Einigen Eltern macht es aber nichts aus, wenn die Kinder die ganze Nacht bei ihnen im Bett schlafen. Im Gegenteil: Sie genießen es und finden es sehr gemütlich. Allen Erfahrungen nach gehen die Kinder irgendwann von selbst in ihr eigenes Bett.
Schlafzeiten von Kindern
Meistens wird das Schlafbedürfnis von Kindern überschätzt. Die folgende Auflistung soll die durchschnittliche Schlafdauer des Kindes deutlich machen. Allerdings hat jedes Kind (auch jeder Erwachsener) ein ganz individuelles Schlafbedürfnis!
Bis zu 3 Monaten: 16 – 18 Stunden
4- 5 Monaten: 14 – 15 Stunden
6- 12 Monaten: 13 Stunden
1- 4 Jahren: 12 Stunden
5- 6 Jahren: 11,5 Stunden
7- 9 Jahren: 11 Stunden
10- 11 Jahre: 10,5 Stunden
12- 13 Jahre: 10 Stunden
14- 16 Jahre: 9 Stunden
Probleme mit einem Baby
Die ersten Wochen mit einem Baby sind sehr anstrengend, teilweise gibt es auch noch schwerwiegende Probleme mit 6 Monaten bis zu 1 Jahr. Kaum etwas ist für die Eltern so schwer zu verkraften wie der folterartige Schlafentzug. Vom 2. Monat an entwickelt sich das Kind allmählich zum Nachtschläfer. Kurz nach der Geburt war es so, daß es gleichmäßig viel am Tage und in der Nacht schlief. Mit 6 Monaten schläft das Baby durchschnittlich schon 11 von 14 Stunden in der Nacht. Die Fähigkeit durchzuschlafen ist im ersten Lebenshalbjahr von der Reifung des Gehirns abhängig. Die Erbinformationen bestimmen zum überwiegenden Teil darüber, ob das Kind viel oder weniger Schlaf braucht, ob es Früh- oder Spätaufsteher wird. Eine Umfrage der Zeitschrift Eltern und des Freiburger Schlafforschers Dr. Ullrich Rabenschlag brachte zu Tage, daß 40% der Kinder unter 3 Jahren unter Einschlafschwierigkeiten leiden. 55% kämpfen mit Durchschlafschwierigkeiten. Die Gründe dafür liegen laut den Eltern bei körperlichen Erkrankungen: Erkältungen, Fieber etc. Träume sind oft schuldig am Aufwachen in der Nacht: 35% der Kinder gaben das an.
Das Kind läßt sich am besten immer noch mit gleichmäßigen und rhythmischen Berührungen oder Bewegungen beruhigen: streicheln, schaukeln; saugen an der Brust oder der Flasche, am Bettuch etc. Aber auch Licht, Ton und Wärme verfehlen ihre Wirkung nicht. Spielt man sehr jungen Kindern die Herztöne der Mutter vor, so kann man eine außerordentliche Wirkung beobachten. Kombiniert man die verschiedenen Beruhigungsmethoden, so erreicht man einen größeren Effekt. Beispiel: Lied vorsingen, Licht anlassen, das Kind schaukeln. Für das Zubettbringen sollte sich Zeit genommen werden. Das Kind darf nicht durch zu viel Lärm gestört werden. Nicht vorteilhaft ist es, wenn es beim Stillen einschläft, da es so nicht lernen kann, von selbst einzuschlafen. Spätere Probleme lassen dann nicht lange auf sich warten.
Aufwachen in der Nacht und Alpträume
Alpträume ab und zu sind im Alter von 2-5 Jahren üblich. Aus diesen Alpträumen erwachen Kinder meist schreiend. Kommt das Aufwachen sehr oft vor, so ist dies ein Alarmzeichen, da es auf eine seelische Beunruhigung hindeutet. In Träumen wird alles Unangenehme und Bedrohliche, was tagsüber erlebt wurde, verarbeitet. Aktuelle Konflikte oder ein Gefühl der Überforderung (Beispiel: Schuleintritt) können als Ursache maßgeblich sein. Aber auch richtig schwerwiegende Dinge können der Grund sein. Beispiel: jemand aus der Familie hat eine ernste Krankheit, die Eltern haben Trennungsgedanken, etc. Das Kind kann in diesen Fällen nicht abschalten, alles ist so unberechenbar und furchterregend. Alpträume treten meistens in der 2. Nachthälfte auf. Das kindliche Spiel kann einem vor Augen führen, weshalb das Kind mit Schlafproblemen kämpft. Außerdem wäre es angebracht, das Kind malen zu lassen, womit es sich gerade beschäftigt bzw. was ihm Kummer macht.
Beruhigungsmittel sollten nur nach Verordnung des Kinderarztes gegeben werden. Medikamente stellen aber das letzte Mittel der Wahl dar!
Alpträume treten v.a. im Vorschulalter auf. Hexen, Teufel, Ungeheuer etc. jagen das Kind nachts im Traum. Erst gegen Ende der Kindergartenzeit versteht das Kind allmählich, daß Alpträume nichts Realistisches darstellen, andere Leute davon nichts mitkriegen und Träume den Gedanken ähnlich sind. Man hilft dem Kind, falls man mit ihm über Träume spricht. Dabei kann man sehr gut feststellen, wie das Kind Träume einordnet (ob es sie als Realität oder Phantasie ansieht z.B.).
Manchmal kann es zu einem richtigen nächtlichen Angstanfall (pavor nocturnus) kommen: Hierbei schrecken die Kinder auf, schreien oder weinen, sind kaum ansprechbar. Am Morgen danach wissen sie von nichts. Dieser Angstanfall taucht fast immer vor Mitternacht auf. Der pavor nocturnus zeugt von einer entwicklungsbedingten Unreife des Gehirns, weshalb er auch vorwiegend bei kleinen Kindern zu finden ist. Von den unter 6-jährigen leiden ¼, von den älteren nur noch 8% unter diesem Phänomen. Das Kind merkt deshalb nichts davon, weil es sich in der Tiefschlafphase befindet. Man sollte das Kind nicht aufwecken oder ihm später davon berichten.
Schlafstörungen wirken sich auch auf das Befinden am nächsten Tag aus: Stimmungsschwankungen, Quengeligkeit, motorische Unruhe und Konzentrationsstörungen treten vielfach bei Kindern auf, die mit Schlafproblemen zu tun haben. Schlafforscher sind der Meinung, daß Schlafprobleme über Monate oder sogar Jahre hinweg die psychische und körperliche Entwicklung beeinträchtigen können.
Mit großer Wahrscheinlichkeit läßt sich sagen, daß fast alle Menschen in jeder Nacht öfter beinahe bzw. richtig aufwachen. Normalerweise schläft man sofort wieder ein, nur wenn man aufgeregt, ängstlich, oder durch fremde Geräusche aufgebracht ist, ist dies nicht der Fall. Körperliches Unwohlsein bzw. Schmerzen hindern natürlich auch am Weiterschlafen. Aufwachen ist im Grunde auch für ein Kind ganz normal. Ein Problem entsteht erst dann, wenn es nicht wieder einschläft, d.h. die Hilfe der Eltern dazu benötigt. Aufwachen geschieht meistens in der Phase des leichten Schlafes, der gekennzeichnet ist durch verstärkte Körperbewegungen und rasche Augenbewegungen. Das ist auch die Phase der Träume und Alpträume.
In einer Studie gab es die Vermutung, daß Kinder, die verstärkt nachts aufwachen, empfindlicher auf Reize reagieren, d.h. eine insgesamt heruntergesetzte Reizschwelle besitzen. Damit sind sowohl Außenreize wie Lärm und Licht, also auch Innenreize wie Hunger, Blähungen etc. gemeint. Andere vertreten die Meinung, daß diese Kinder einfach langsamer im Ausbilden ihrer Schlafmuster sind. Sehr wichtig ist es, beim Kind den Unterschied zwischen Aktivitäten tagsüber und der Ruhe in der Nacht zu betonen. Untersuchungen brachten das Ergebnis, daß Kinder mit Schlafproblemen öfter insgesamt aktiver waren.
Zum Abschluß sei erwähnt, daß konsequentes Verhalten auch hier nötig ist. Warum sollte auch ein Unterschied bestehen zwischen Tag und Nacht? Beispiel: Ein Kind ißt sehr gerne Süßigkeiten. Auf die 1. Frage nach Süßigkeiten antwortet der Vater mit “nein”, schließlich sind Süßigkeiten ungesund, schädigen die Zähne etc. Bohrt das Kind jetzt noch weiter, schleicht sich vielleicht bei dem 4. Mal ein schlechtes Gewissen ein (der Vater denkt: “Ist es das wert? Sollte ich so hart sein? Kann ich dem Kind nicht den Schokoriegel erlauben?”). Es dauert nicht mehr lange, und das Kind bekommt, was es sich gewünscht hat. Hieraus lernt es: Wenn ich nur hartnäckig genug bin, erhalte ich alles. Das Muster möchte es nun auch abends oder nachts anwenden. Motto: Wenn ich 5 mal aus meinem Zimmer herauskomme, gewinne ich Zeit und schlafe dann doch viel später ein, als meine Eltern das gerne hätten. Oder: Erfährt das Kind nachts jedes Mal viel Aufmerksamkeit, sobald es sich nur geringfügig meldet – Warum sollte es dann anfangen, sich nicht mehr zu melden? Schließlich ist es schön, die Mutter nachts zu sehen, zu hören, zu riechen? Das Kind wird dann meinen, daß es dazu gehört, die Mutter nachts zu sehen!
Literatur
- Douglas/ Richman: Mein Kind will nicht schlafen, 2. Aufl.,Gustav Fischer, Stuttgart, 1993.
- Eltern – die richtige Erziehung, VEMAG, Köln
- Unsere Kinder, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, 1995.
Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
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Autorin
Beate Weymann
Angestellte beim Land Niedersachsen
Diplom- Sozialpädagogin
37586 Dassel
Link zu weiteren Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA):
Erstellt am 25. Juli 2001, zuletzt geändert am 8. März 2010