Woran erkenne ich gutes Spielzeug?

Beate Weymann

Was versteht man unter gutem Spielzeug? Wieviel Spielzeug sollte angeschafft werden? Soll man alles kaufen, was Kinder sich wünschen? Muss gutes Spielzeug teuer sein? Spielen Kinder genauso gut mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen?

Kriterien

  • Als gutes Spielzeug wird das bezeichnet, was zu verschiedensten Spielen benutzt werden kann. Je mannigfaltiger die Spielmöglichkeiten, desto länger kann Interesse aufrechterhalten werden. Beispiel: Mit Legos kann man Burgen, Straßen, Häuser bauen. Genauso gut kann ein Legostein aber auch als “Essen” in der Puppenküche benutzt werden. Oder als ein Auto verwendet werden, etc. etc.. Baukästen mit etlichen neutralen Elementen sind vorzüglich geeignet.
  • Die Phantasie sollte angeregt werden. Bei Waffen z.B. ist der Zweck zu eindeutig definiert, andere Spielmöglichkeiten werden ausgeschlossen (Was soll man mit einer Waffe anderes anfangen als zu schießen?). Aufziehhunde (stets wiederkehrende gleiche Bewegungen) sind ebenfalls nicht besonders originell.
  • Hinsichtlich Form und Farbe sollte es schon vielfältig beschaffen sein. Zu trist oder zu bunt und überladen ist allerdings nicht vorteilhaft. Es ist wichtig, dass das Kind mit verschiedensten Formen, Materialien, Düften, Farben usw. in Berührung kommt. Jede Einseitigkeit (nur drinnen spielen, nur allein spielen, nur mit anderen spielen, nur Holz bzw. Plastik usw. lässt Defizite entstehen!). Was soll aus Kindern werden, die nur perfektes Spielzeug in einer perfekt gestalteten, immer aufgeräumten Welt zu sehen bekommen (zusätzlich noch jedes Risiko vermeidend)?
  • Es muss nicht immer Holzspielzeug sein. In der heutigen Welt lässt sich die Bedeutung von Kunststoffen nicht leugnen – weshalb sollte man das den Kindern dann vorenthalten?
  • Einfach gestaltetes Spielzeug fördert am meisten die Kreativität.
  • Hervorragend ist auch das, was ergänzt werden kann. Die Eisenbahn, Puppenstube, Legos usw. sind immer erweiterungsfähig.
  • Es muss haltbar und belastbar sein. Spielzeug kann so an Geschwister weiter gegeben werden bzw. auf dem Flohmarkt verkauft werden.
  • Die Quantität des Spielzeugs sollte überschaubar bleiben. Ansonsten fühlen sich die Kinder von dem riesigen Spielzeugberg erschlagen und wissen selbst nicht mehr, womit sie spielen sollen.
  • Vor jedem Kauf genau überlegen, ob das Teil sinnvoll ist. Jedes Spielzeug beeinflusst anders. Die Vorliebe für ein bestimmtes Spielzeug deutet auf den späteren Berufswunsch hin.
  • Kinder beschäftigen sich gerne mit normalen Alltagsgegenständen wie Schlüsseln, Kochlöffel, Töpfe, Becher, Schachteln, Papier, Pappkartons, ausrangierter Kleidung, WC-Papierrollen (kann auch gut mit gebastelt werden). Die Umwelt kann als Materialquelle genutzt werden. Beispiel: “Pippi Langstrumpf als Sachensucher” : Sie sieht in allem etwas, womit man spielen kann. Die Phantasie ist grenzenlos. Ein Kochlöffel kann einen Zauberstab darstellen, zum Kochen benutzt werden, usw.. Ausrangierte Küchenutensilien können prima in der Puppenküche weiter ihren Dienst tun.
  • Mit zunehmendem Alter werden an die Eltern spezielle Wünsche geäußert, z.B. nach Computerspielen, Barbiepuppen, Spielzeugwaffen, Fahrräder, usw. Hier muss dann abgewägt werden zwischen der Erfüllung der Herzenswünsche der Kinder und dem pädagogisch Vertretbarem.
  • Individuelle Neigungen der Kinder müssen mit Beachtung und Respekt behandelt werden. Man sollte schon den Kindern bezüglich ihren Wünschen entgegenkommen solange nicht finanzielle Überlegungen oder moralische/ pädagogische Vorstellungen dem widersprechen.
  • Man sollte nicht der Versuchung erliegen, etwas nur zu kaufen, weil es gerade modern ist, alle damit im Moment spielen. Beispiel: Was soll ein Kind mit Mandalas, wenn es noch nie gerne angemalt hat? Lohnt es sich, die 4. Barbie- Puppe zu kaufen, nur weil gerade ein neues Modell die Kinderherzen höher schlagen lässt?
  • Bei Konsumwut der Kinder: Ein Hinweis auf ein Experiment, das in einem Hamburger Kindergarten stattgefunden hat. Dort waren für einige Monate alle vorgefertigten Spielzeuge verpönt. Es wurde nur Rohmaterial zum Basteln, Bauen, Verkleiden und einige Werkzeuge zur Verfügung gestellt. Nach einigen Wochen konnte die bemerkenswerte Beobachtung gemacht werden, dass alle Kinder sehr fantasievoll und sozial spielten. Die Kinder beschäftigten sich draußen mit selbst ausgedachten Spielen. Niemand hatte die alten, vorgefertigten Spielzeuge vermisst!! Daran sollte man denken, wenn die Kinder unbedingt etwas verlangen, was entweder zu teuer und/ oder pädagogisch/ moralisch nicht vertretbar ist.
  • Spielzeug, was den Lebenserfahrungen Rechnung trägt, kommt gut an. Beispiel: Nach einer Schiffsreise ein kleines Schiff schenken, nach einem Urlaub in den Bergen einige Bauernhof- Tiere, vor dem Krankenhaus- Aufenthalt einen Doktorkoffer usw.
  • Es hat keinen Sinn, ein Kind mit einem Spielzeug zu beschäftigen, für das es noch zu jung ist. Altersangaben der Hersteller sollten beachtet werden, aber auch kritisch hinterfragt werden. Oftmals sind jüngere Kinder schon in der Lage, Puzzles für ältere Kinder zu bewältigen. Oder es verhält sich so, dass die Altersübereinstimmung zwar gegeben ist, es aber trotzdem noch zu schwierig ist.
  • In Bezug auf das Alter gilt: Je jünger das Kind, desto größer muss das Spielzeug sein. Dieses ist deshalb wichtig, weil kleine Kinder alles in den Mund stecken. Bei Kuscheltieren darf es nicht passieren, dass sich Augen, Nasen etc. lösen lassen. Scharfe Ecken und Kanten, Haken, Nadeln und Ösen sind selbstverständlich fehl am Platz bei Spielzeug. Malfarben und -stifte müssen einen bitteren Geschmack zur Abschreckung aufweisen.
  • Eine strikte Trennung nach Mädchen- und Jungenspielzeug ist nicht mehr zeitangemessen. Auch Mädchen dürfen sich für Hammer und Säge interessieren! Jungen schadet es nicht, wenn sie sich als Koch betätigen. Allerdings muss man zugeben, dass allen Emanzipationsbemühungen zum Trotz immer noch das gleiche Problem vorhanden ist: Jungen bevorzugen in der Mehrheit ganz klar wilde, konkurrenz- und körperbetonte Spiele, Technik und Konstruktionen sind ihr Ding; Mädchen favorisieren dagegen soziale, auf Kooperation und Austausch gründende Spiele. Mädchen mögen sehr gerne Rollentausch und Fantasiegeschichten.
  • Spielzeug ist nicht dazu da, Erwachsene oder Freunde überflüssig zu machen!! Spielkameraden werden benötigt, um das Streiten und Versöhnen zu lernen. Nur Spielkameraden kann man helfen bzw. sich helfen lassen usw.
  • EU- Richtlinien und europäische Sicherheitsnormen wachen darüber, dass im Kinderspielzeug keine gefährlichen chemischen Stoffe enthalten sind. Das “CE” Zeichen steht für Ungefährlichkeit.
  • “Spiel gut “- Punkt wird vom Arbeitsausschuß Kinderspiel + Spielzeug e.V. vergeben. Im Übrigen begutachten Testfamilien die Spielzeuge. Es existiert ein Buch hierzu:” Das Spielzeugbuch “.
  • Im Buch” Ausgezeichnete Spiele “sind alle Spiele aufgelistet, die schon einmal den Kritikerpreis” Spiel des Jahres “erhalten haben. Internetadresse.

Altersangemessenes Spielen

Folgende Spielzeuge wirken sich vorteilhaft auf die Intelligenzentwicklung von Kindern aus. Kathleen Alfano, Psychologin eines Spiellabors in New York, entdeckte in einer 20-jährigen Studie dieses:

  • Babys bis zu 6 Monaten sind gut bedient mit Spieluhren mit unterschiedlicher Musik, mit Rasseln und mit beweglichem Spielzeug (Luftballons, Mobiles, usw.). Kleinkindern von 6 Monaten gibt man am besten Eimer, in die sie Bauklötze werfen können. Aber auch Puppen und anderes bewegliches Spielzeug ist vorteilhaft. Genauso verhält es sich mit bunten Sachen, die geschüttelt werden können (Plastikglas, das diese bunte Flüssigkeit am Rand besitzt).
  • Die ersten 2 Lebensjahre sollten so viel wie möglich zum Spielen genutzt werden. Eine immense Gehirnentwicklung fällt in diese Zeit: 90 Prozent des Gehirns ist betroffen! An der Größe seines Gehirns und seinem Intelligenzquotienten kann man ablesen, wie intensiv das Kind gespielt hat in den vergangenen 2 Jahren. Kinder, die ohne zu spielen aufgewachsen sind, haben ein 20 bis 30 Prozent kleineres Gehirn als ihre Altersgenossen, die in vollen Zügen spielen konnten.
  • Bewegung beeinflusst die Gehirnentwicklung. Kann das Kind erst krabbeln, benötigt es Spielzeugautos und Bälle, um eine Motivation zur Bewegung zu erhalten. Lernfähigkeit und körperliche Aktivität erhalten im selben Teil des Gehirns ihre Ausbildung.
  • Viel wird erreicht durch das Imitieren der Erwachsenen. Das 2-jährige Kind kann eine Miniküche und einen Kaufladen gut gebrauchen. Durch die Imitation werden Kinder in die Lage versetzt, ihre Umwelt zu verstehen.” Vater- Mutter- Kind- Spiele “sind deswegen so beliebt. Kinder bemühen sich, das zu spielen, was ihnen am allerdringlichsten am Herzen liegt. So lässt es sich auch erklären, dass in Kriegsgebieten Kinder am liebsten Krieg spielen. Verstehen lässt sich am besten erreichen, wenn man über das Thema spricht. Legt man aber ein Tabu auf das betreffende Thema, so sind die Kinder gezwungen, sich andere Wege der Verarbeitung auszudenken.

Was sich zu merken lohnt

Gutes Spielzeug ist langlebig und belastbar. Es regt die Phantasie an, lädt zu verschiedensten Spielen ein. Einfache Gebrauchsgegenstände wie Becher, Töpfe, alte Kleidung etc. können zu phantasiereichen Spielen beflügeln. Ausbaufähiges Spielzeug, das mannigfaltig in Formen und Farben beschaffen ist, ist zu empfehlen. Spielzeug ersetzt keinen Erwachsenen oder Spielkameraden! Kinder benötigen Erwachsene, die sich mit ihnen beschäftigen! Spielkameraden sind auch deshalb wichtig, um soziale Fähigkeiten zu erlernen.
 

Literatur

  • A. Ernst, V. Herbst etc.: Kursbuch Kinder, Bertelsmann Club GmbH, Gütersloh, 1993
  • D. Kraus-Prause, J. Kraus etc.: Lexikon Erziehung, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1995
  • P. Struck: Erziehung für das Leben, Südwest Verlag, München, 2001
  • Die richtige Erziehung von A bis Z, Gruner + Jahr AG & Co, München
  • Knaurs großer Erziehungsratgeber, Weltbild GmbH, Augsburg, 2002
     

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

Autorin

Beate Weymann
Angestellte beim Land Niedersachsen
Diplom- Sozialpädagogin
37586 Dassel

Erstellt am 15. März 2002, zuletzt geändert am 19. Februar 2010