Der Schwangerschaftsverlauf
Ines Albrecht-Engel und Manfred Albrecht
Die Schwangerschaft als besondere Zeit im Leben einer Frau wird im nachfolgenden Artikel genau beleuchtet. Dabei gibt es einen Überblick über Ansprechpartner und Unterstützungsmöglichkeiten für schwangere Frauen. Tipps und wichtige Hinweise, zum Beispiel zum Thema Ernährung oder Sport, findet man im Anschluss.
Sie sind schwanger! Herzlichen Glückwunsch! Die aufregendste Zeit Ihres Lebens beginnt. Sie erleben jetzt tagtäglich, wie Ihr Kind in Ihnen heranwächst. Darauf können Sie stolz sein: Ihr Körper versorgt ein neues Lebewesen mit allem, was es zum Menschwerden braucht. Er vollbringt Höchstleistungen, die sonst in Ihrem Alltag nicht gefordert sind.
Sie müssen sich also umstellen. Auch wenn eine Schwangerschaft für den Körper einer Frau “normal” ist, so ist es doch eine Riesenleistung. Sie müssen sich nicht schonen, aber nehmen Sie Rücksicht und hören Sie auf Ihren Körper. Er signalisiert Ihnen, wenn etwas zu viel ist oder Ihnen bestimmte Sachen nicht gut tun, z.B. Zigarettenrauch oder Kaffee. Sie werden feststellen, dass Sie das plötzlich nicht mehr “riechen” mögen. Und das ist gut so. Ihre Umgebung, Ihre Kollegen und andere müssen darauf jetzt Rücksicht nehmen. Lassen Sie sich verwöhnen – denn wenn es Ihnen gut geht, geht es auch Ihrem Kind gut.
Wahrscheinlich tauchen in Ihrer Schwangerschaftszeit viele Fragen auf. Sie brauchen Rat für das eine oder andere “Zipperlein” – oder auch für größere Entscheidungen. In diesem Artikel erhalten Sie einen ersten Überblick über den Verlauf der neun Schwangerschaftsmonate. Ferner finden Sie in der Literaturliste Bücher, die besonders hilfreich sind, weil sie Ihre Schwangerschaft positiv mit Tipps und Informationen begleiten.
Was brauchen Sie außerdem (denn Bücher und Internet sind nicht das wichtigste)?
- Ansprechpartner für Ihre Fragen,
- die volle Unterstützung Ihrer Umgebung,
- Frauen/Paare in der gleichen Situation, mit denen Sie sich austauschen können.
1. Ansprechpartner für Ihre Fragen
Frauenärztin oder Frauenarzt
Ihre medizinischen Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt kann Ihnen bei Ihren Vorsorgeuntersuchungen Ihre Gynäkologin oder Ihr Gynäkologe sicher beantworten (Tipp: Zettel mit Fragen mitnehmen). Fragen, die sich auf die Geburt beziehen, stellen Sie allerdings am besten im Krankenhaus: beim Info-Abend, bei der Kreißsaalbesichtigung oder bei einem Extra-Termin.
Hebamme
Sie können Ihre Vorsorge auch bei einer Hebamme wahrnehmen. Die Basisuntersuchungen kann eine niedergelassene oder die Geburtshaus-Hebamme durchführen. Eine Hebamme nimmt sich meist auch die Zeit, auf Ihre vielfältigen Fragen einzugehen.
Beraterinnnen/Kursleiterinnen
Es gibt viele Einrichtungen, die Schwangere beraten:
- die unabhängigen “Zentren rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft” sowie
- die Beratungsstellen des Diakonischen Werkes, der Caritas, der AWO, von Pro Familia, DRK usw.
2. Die volle Unterstützung Ihrer Umgebung
Partner
Ihr Partner erlebt die Schwangerschaft zwar nicht körperlich (vielleicht nimmt er aber auch ein bisschen zu – das ist häufig so), doch die Umstellungsphase auf das Leben zu dritt (oder mit weiterem Familienzuwachs) beschäftigt ihn ebenfalls in dieser Vorbereitungszeit der Schwangerschaft. Auch wenn viele Männer heute schon offener über ihre Unsicherheiten und Ängste sprechen, so finden sie gerade bei ihren Geschlechtsgenossen nicht immer Verständnis.
Nehmen Sie sich Zeit, über Ihre Gefühle und Unsicherheiten zu reden und suchen Sie sich Paare in der gleichen Situation zum Austausch (s. Geburtsvorbereitungskurs). Obwohl ihr Partner wahrscheinlich selbst in einer aufregenden, verunsichernden Phase seines Lebens ist, sollte er jetzt vor allem dafür sorgen, dass es Ihnen gut geht – und damit Ihrem Kind. Dabei wird manchmal einiges von ihm erwartet, z.B. mit den unterschiedlichen Stimmungen und Befindlichkeiten im Laufe einer Schwangerschaft umzugehen (Männer tun sich auch oft schwer damit, dass die sexuelle Lust ihrer Partnerin zeitweise sehr intensiv ist, dann wieder völlig in den Hintergrund rückt).
Kolleginnen und Kollegen
Überfordern Sie sich jetzt nicht – und lassen Sie sich nicht überfordern. Es ist leider “etwas aus der Mode” gekommen, rücksichtsvoll zu Schwangeren zu sein. Das können Sie aber erwarten. Sie sind es, die für die Nachkommen, die zukünftigen Generation etwas tut. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft (gerade die Kinderlosen), also müssen auch alle etwas zu Ihrem Wohlbefinden beitragen. Natürlich sind Sie nicht krank, und vielleicht können Sie (fast) so weitermachen wie bisher. Aber wenn Sie das einfach aus Prinzip tun, ohne Rücksicht auf Ihren Körper, wird er sich wahrscheinlich irgendwann sehr kräftig melden, z.B. mit vorzeitigen Wehen. Und dann, so können Sie den Kollegen klarmachen, fallen Sie ganz aus, nur weil Sie sich unnötig unter Stress gesetzt haben.
Falls Sie ernsthafte Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten haben, das Mutterschutzgesetz regelt ihre Belastung, Pausen u. ä. Fragen Sie das Gewerbeaufsichtsamt oder die Gewerkschaft.
Verwandte und Freunde
Auch Verwandte und Freunde sollten Sie in Ihrer Vorfreude unterstützen. Leider gibt es viele Menschen, die ihre negativen Geburtserlebnisse oder Stillschwierigkeiten immer wieder zum Besten geben (das ist wohl auch eine Form der Verarbeitung). Stellen Sie auf Durchzug, hören Sie sich nur positive Berichte an.
Falls Sie wirklich einmal kürzer treten müssen, bitten Sie vertraute Personen um Hilfe, vor allem falls Sie schon ein Kind (oder mehrere) haben. Dann können Sie wirklich entspannen und abschalten.
3. Frauen/Paare in der gleichen Situation, mit denen Sie sich austauschen können
Bekannte und Freunde sind ja nicht immer zeitgleich schwanger. Darum müssen Sie Gelegenheiten suchen, wo Sie andere werdende Eltern treffen können. Am einfachsten ist das in einem Geburtsvorbereitungskurs für Paare. Doch der beginnt ja erst im letzten Drittel der Schwangerschaft. Wenn Sie sich schon vorher austauschen wollen,
- erkundigen Sie sich nach Kursen oder Treffs in der frühen Schwangerschaft,
- machen Sie einen Aushang bei Ihrer Ärztin/ Ihrem Arzt, Ihrer Hebamme oder im Supermarkt,
- schalten Sie eventuell eine Anzeige in der Zeitung.
Sich mit anderen auszutauschen, wird Ihnen wahrscheinlich gegen Ende der Schwangerschaft immer wichtiger. Deshalb sollten Sie rechtzeitig einen guten Geburtsvorbereitungskurs für Sie beide suchen – oder wenn Ihnen beiden das lieber ist oder Sie allein sind, einen Frauenkurs.
Die neun Monate der Schwangerschaft – einige Stichworte
Die ersten drei Monate
Vielleicht merken Sie körperlich kaum etwas, vielleicht sind Sie aber auch so von Übelkeit oder Müdigkeit geplagt, dass Ihnen die Lust auf Schwangerschaft vergeht. Auf jeden Fall werden Sie wahrscheinlich ein Auf und Ab Ihrer Gefühle empfinden. Auch wenn Ihre Schwangerschaft erwünscht ist, können Sie zweifeln, ob Sie die großen Veränderungen, die vor Ihnen liegen, wirklich bewältigen werden. Die Zweifel, widersprüchliche Gefühle, heute “Bäume ausreißen können” und morgen sich schon wieder ganz schwach fühlen – das alles ist Schwanger-Sein.
Genießen Sie die neue Körperlichkeit. Übelkeit und Müdigkeit sind positive Schwangerschaftszeichen – wenn auch lästige.
Schauen Sie sich die rasante Entwicklung Ihres Babys in den aufgeführten Büchern einmal an. Es ist beeindruckend, wie schnell sich in diesen ersten Wochen das menschliche Leben entwickelt.
Der 4. und 5. Monat
Im 4./5. Monat werden Ihre körperlichen Veränderungen langsam sichtbar – und Sie spüren die ersten Bewegungen Ihres Kindes. Genießen Sie diese Zeit. Ernähren Sie sich und Ihr Baby gut – nicht die Menge, sondern die gesunde Ernährung für Ihr Kind ist wichtig. Das ist ganz einfach, wenn Sie z.B. Müsli essen, reichlich Milch und Milchprodukte, ab und zu Eier, viel Kartoffeln, Gemüse und Salate, Geflügel, (Hochsee-)Fisch und Fleisch, Vollkornprodukte und Kerne und Nüsse.
Aber Vorsicht bei diesen Nahrungsmitteln: Verboten in der Schwangerschaft sind Nikotin, Alkohol, Medikamente (außer in Abstimmung mit dem Arzt!) und rohes Fleisch (wie Mett und Roastbeef) wegen der Toxoplasmosegefahr. Außerdem sollten Sie Weichkäse und Rohmilchprodukte meiden, um die Infektionskrankheit Listeriose auszuschließen. Kaffee und schwarzen Tee können Sie in Maßen trinken.
Und wie sieht es mit Einschränkungen beim Sport aus? Solange es Ihnen dabei gut geht und Sie sich sicher fühlen, können Sie fast alle Sportarten weiter betreiben, ausgenommen Tiefseetauchen und körperliche Anstrengung über 2000 m Höhe. Sport, der große Verletzungsgefahren birgt, werden Sie wohl von sich aus nicht mehr machen wollen. Besonders gut in der Schwangerschaft sind Schwimmen, Tanzen, Bauchtanz, Yoga u.ä.
6. und 7. Schwangerschaftsmonat
Im 6./7. Monat verreisen viele Paare gern noch mal. Dagegen spricht nichts. Allerdings sollten Sie keine Fernreisen machen, die Impfungen erfordern, da diese nicht empfehlenswert in der Schwangerschaft sind. Entscheiden Sie sich auf jeden Fall für einen Urlaub, der nicht unnötige Anstrengung oder gar Stress bedeutet (nicht: große Hitze, Flugreisen).
Beugen Sie Beschwerden schon jetzt vor: Sie können mit Haltung und Bewegung erreichen, dass Ihre Rückenprobleme nicht zu groß werden. Auch Krampfadern können Sie vorbeugen bzw. sie mildern.
Auch sollten Sie schon jetzt den Geburtsort auswählen: Entscheiden Sie sich nach ausführlichen Informationen, nach Besichtigungen und Info-Abenden für den Ihnen am meisten zusagenden Geburtsort. Sie können z.B. zwischen verschiedenen Krankenhäusern und Geburtshäusern wählen oder daheim entbinden. Das Wichtigste: Sie müssen das Gefühl haben, dass Sie dort gut aufgehoben sind.
8./9. und 10 Schwangerschaftsmonat
Im 8./9. und 10 Monat läuft sicher Ihr Geburtsvorbereitungskurs und Sie freuen sich auf das wöchentliche Treffen. Hoffentlich haben Sie einen Kurs gefunden, in dem viel Zeit für den Austausch mit anderen, für Ihre Fragen, Hoffnungen und Ängste vorgesehen ist.
Packen Sie jetzt Ihren Klinikkoffer, falls Sie in ein Krankenhaus oder Geburtshaus gehen; ansonsten halten Sie nach Absprache mit der Hebamme zu Hause alles bereit. Der Inhalt für Ihren Klinikkoffer:
- Mutterpass und Personalausweis,
- Chipkarte und Kostenübernahmeschein der Krankenkasse,
- bequemes T-Shirt o.ä. für die Geburt,
- Bademantel, Hausschuhe o.ä. zum Hineinschlüpfen,
- warme Socken,
- Haarband, -spangen etc. bei langem Haar,
- Brille, falls Sie Kontaktlinsen tragen,
- Essen und Trinken für Ihren Partner (nicht in allen Kliniken gibt es etwas für den Mann, daher ist das ganz wichtig),
- Traubenzucker, Tee mit Honig,
- Massageöl, Badezusätze,
- Musik einschließlich entsprechender Wiedergabegeräte,
- Sekt (für hinterher),
- Wäsche und Kosmetik-Utensilien für die Tage im Krankenhaus, falls Sie dort bleiben wollen;
- bei ambulanter Geburt: Wäsche und Tragemöglichkeit (Autositz) für das Baby.
Genießen Sie die letzten Monate für sich, auch wenn der Bauch manchmal stört und lästig ist. Erledigen Sie vor allem in diesen Wochen alles, was schon lange unerledigt ist, und alles, was sie im Voraus erledigen können. In den ersten Wochen nach der Geburt ist weniger Zeit für regelmäßige Tätigkeiten als bisher. Jetzt haben Sie noch Zeit:
- Kochen Sie vor, legen Sie Vorräte an, frieren Sie ein;
- bereiten Sie die Versendung der Geburtskarten vor,
- “misten “Sie alte Dateien auf Ihrem PC aus,
- räumen Sie Ihre Schränke auf usw.;
- aber gehen Sie auch ins Kino, Theater u.ä. und treffen Sie sich mit Freunden – so wird die Zeit zum Schluss nicht so lang!
Nun sind Sie für die Geburt gewappnet. Über deren Verlauf werden Sie in einem anderen Artikel von uns informiert.
Literatur
- Ines Albrecht-Engel, Dr. Manfred Albrecht. Schwangerschaft und Geburt. Gräfe und Unzer. 1999 (5. Auflage 2001)
- Hermann Bullinger. Wenn Männer Väter werden. Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1983
- Lennart Nilsson. Ein Kind entsteht. Bilddokumentation. Mosaik Verlag. 1997
- Katharina Zimmer. Das Leben vor dem Leben. Die seelische und körperliche Entwicklung im Mutterleib. Kösel Verlag. 1996
Weitere Beiträge der Autoren hier in unserem Familienhandbuch
Autorin/Autor
Ines Albrecht-Engel, Bundesvorsitzende der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung – Familienbildung und Frauengesundheit – e.V.
Dr. med. Manfred Albrecht, Gynäkol. Chefarzt am Ev. Vereinskrankenhaus Hann. Münden
Kontakt
Ines Albrecht-Engel
Dr. med. Manfred Albrecht
Burckhardtstr. 32
34346 Hann. Münden
Erstellt am 29. Juli 2002, zuletzt geändert am 7. April 2010