Die Rolle der Hebamme
Astrid Giesen
Hebammen sind für viele Frauen wichtige Begleiterinnen vor, während und nach der Geburt ihrer Kinder. Der Artikel würdigt und erklärt die vielfältigen Aufgaben der Hebammen. Ausbildung und Tätigkeitsfelder für Hebammen werden aufgezeigt und Auszüge aus dem Hebammengesetz benannt.
Dabei wird auch auf die Rolle der Hebammen in unserer Gesellschaft eingegangen.
Die Hebammenkunst ist bis in die frühe Geschichte der Menschheit zurückzuführen und entwickelte sich aus der solidarischen Hilfe, die sich Frauen untereinander bei der Geburt leisteten. Die traditionell ureigene Aufgabe der Hebamme ist die autonom verantwortliche Betreuung der Frauen während eines normal verlaufenden Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettverlaufs, sowie bei pathologischen Verläufen in Zusammenarbeit mit den GynäkologInnen. Die Geburt und das Wochenbett gehören zu den vorbehaltenen Tätigkeiten einer Hebamme.
Grundsätze einer Ethik für Hebammen
Hebammen
arbeiten in einer gesellschaftlichen Verantwortung und begleiten Frauen, Kinder, Partner und Familien besonders während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Die Menschenwürde und die Rechte der Frau sind wesentliche Maßstäbe für ihr Handeln.
Eine qualifizierte Ausbildung befähigt sie dazu.
Hebammen
sehen in menschlicher Fortpflanzung und Geburt natürliche Lebensvorgänge, die einer fachkundigen Begleitung bedürfen. Wo Menschen in diese Vorgänge eingreifen, muss die Würde der Frau gewahrt sein und ihr Selbstbestimmungsrecht geachtet werden. Umfassende Information und ausreichend Zeit sind die Voraussetzungen für eine Entscheidungsfindung.
Hebammen
unterstützen sich gegenseitig und arbeiten mit anderen Berufsgruppen zusammen, die sie beratend hinzuziehen. Sie überweisen, wenn die Situation es erfordert.
Hebammen
haben eine staatlich geregelte Schweigepflicht und ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Hebammen
sollten keiner Frau die für sie notwendige Hilfe verweigern, unabhängig von Rasse, Kultur, Weltanschauung, gesellschaftlicher Stellung und Lebensführung.
Hebammen
schützen in ihrem beruflichen Alltag Frauen und Familien vor körperlichen und seelischen Schäden. Deren Gesundheit und Wohlergehen ist Ziel ihres gesellschaftspolitischen Engagements.
Hebammen
erforschen ihre Arbeit und begleiten sie wissenschaftlich, um die Qualität zu sichern. Sie gestalten ihre Aus-, Fort- und Weiterbildung. Ihr Wissen und ihre beruflichen Fähigkeiten geben ihnen Macht über die ihnen anvertrauten Menschen. Diese Macht darf nicht missbraucht werden.
Hebammen
bemühen sich gemeinsam um ihre gesellschaftliche Anerkennung und eine gerechte Entlohnung.
Hebammen
beobachten mit kritischer Aufmerksamkeit neue Entwicklungen auf den Gebieten Geburtshilfe, Reproduktionsmedizin und Genforschung.
(Quelle: Deutscher Hebammenverband e.V.)
Hebammengesetz
Die Kompetenzen einer Hebamme sind in einem geringen Umfang durch das Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers vom 04. Juni 1985 (BGBI.I S. 902), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 25. Mai 2013, und ansonsten ausführlich über die Länder (nach Art. 74 GG) umfassend geregelt.
Wie bei den übrigen bundesgesetzlichen Regelungen für nichtärztliche Heilberufe, hat die Regelung über die Erteilung der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung sowie die Ausbildungsregelung ein entscheidendes Gewicht auch für Hebammen und Entbindungspfleger. Neben der Führung der Berufsbezeichnung werden den Hebammen auch bestimmte Tätigkeiten vorbehalten:
§ 4 Vorbehaltene Tätigkeiten, Hinzuziehungspflicht des Arztes:
- (1) Zur Leistung von Geburtshilfe sind, abgesehen von Notfällen, außer Ärztinnen und Ärzten nur Personen mit einer Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung “Hebamme” oder “Entbindungspfleger” , sowie Dienstleistungserbringer im Sinne des § 1 Abs.2 berechtigt. Die Ärztin und der Arzt sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Entbindung eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger zugezogen wird.
- (2) Geburtshilfe im Sinne des Abs.1 umfasst Überwachung des Geburtsvorgangs von Beginn der Wehen an, Hilfe bei der Geburt und Überwachung des Wochenbettverlaufs.
Die Rolle der Hebamme in der Gesellschaft und im Gesundheitssystem
Mit zunehmendem Verständnis der Geheimnisse des menschlichen Körpers wurde aus der begleitenden Wehenmutter der eigenständige Beruf der Hebamme.
Hebammen gehen grundsätzlich davon aus, dass jede Frau die Fähigkeit besitzt, auf Grund ihrer gegebenen Anatomie, Physiologie und Psyche ein Kind zu gebären. Das natürliche Vertrauen in diese Fähigkeiten ist die Grundlage für eine normale, unauffällige Schwangerschaft, eine problemlose Geburt und das Entstehen einer Familie. In unserer schnelllebigen, technisch orientierten Zeit wird diese Fähigkeit wenig gefördert und oftmals sogar den Frauen abgesprochen, so dass vielen dieses wichtige Vertrauen in ihren Körper verloren gegangen ist.
Die Hebamme versteht sich daher als Anwältin für die natürliche Gebärfähigkeit der Frau. Je eher der Kontakt zwischen der Schwangeren, ihrem Partner und der Hebamme hergestellt wird, desto besser sind die Möglichkeiten, sie erfolgreich in der Schwangerschaft zu begleiten und sie ausführlich auf das Ereignis Geburt und Elternwerden vorzubereiten. Die Hebamme hat eine wichtige Aufgabe bei der Gesundheitsberatung und -erziehung nicht nur der Frauen, sondern auch in der Familie und in der Gemeinde. Die Arbeit beinhaltet neben der Vorbereitung auf Geburt und Elternschaft bestimmte Gebiete der Gynäkologie, der Familienplanung und der Säuglingspflege.
Die Hebamme ist in der Lage, Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu betreuen und zu beraten. Dies alles beinhaltet Vorsorgemaßnahmen, das Erkennen von Regelwidrigkeiten bei Mutter und Kind, bei Bedarf die Hinzuziehung medizinischer Unterstützung sowie die Durchführung von Notfallmaßnahmen, wenn medizinische Hilfe fehlt.
Die Rahmenbedingungen, in denen die Betreuung rund um die Geburt stattfindet, werden durch ökonomische und soziale Faktoren bestimmt. Jedoch auch im 21. Jahrhundert sind die grundlegenden Bedürfnisse dieselben wie in der Vergangenheit. Frauen brauchen in diesem wichtigen Lebensabschnitt Geborgenheit, Ruhe und das Bewusstsein, dass die Geburt nicht nur ein körperlicher Vorgang ist. Die Geburt hat eine tief greifende kulturelle Verankerung.
Die Erfahrung zeigt, dass für die meisten Frauen Schwangerschaft und Geburt ein psychologisches Ereignis ist. Die Frau, ihr Kind und der Partner erfahren durch die Hebamme eine unterstützende Begleitung, die für ihre Beziehung prägend und wegweisend ist, wenn so wenig wie möglich in diesen normalen Vorgang eingegriffen wird. Hebammenhilfe bedeutet dabei Prävention von Anfang an.
Ausbildung
Die Hebammenausbildung dauert in Deutschland drei Jahre und findet an Hebammenschulen statt. Sie umfasst 1.600 Stunden Theorie und 3.000 Stunden praktische Ausbildung. Hebammenschulen werden von einer Lehrerin für Hebammenwesen (Lehrhebamme) und einem ärztlichen Leiter geleitet. Sie sind an Krankenhäuser angegliedert. Während der Ausbildung wird Ausbildungsentgelt gezahlt.
Grundlage für die Ausbildung sind die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen und Entbindungspfleger HebAPrV und die Europäische Richtlinie 2005/36/EC.
Der theoretische und praktische Unterricht wird in der Hebammenschule erteilt. Die praktische Ausbildung umfasst Einsätze im Kreißsaal, auf der Wochenstation, Neugeborenenstation, operativen und nichtoperativen Pflegestation, Operationssaal, Kinderklinik und in einer freien Praxis.
Die Ausbildung endet mit der staatlichen Prüfung. Sie besteht aus einem schriftlichen, mündlichen und praktischen Teil. Nach bestandener Prüfung wird die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung urkundlich ausgewiesen.
Voraussetzungen:
- vollendetes 17. Lebensjahr,
- gesundheitliche Eignung,
- Realschulabschluss oder gleichwertige Schulbildung oder
- Hauptschulabschluss und eine mindestens 2-jährige abgeschlossene Berufsausbildung. (Quelle: Homepage DHV)
Weitere Informationen zum Thema Ausbildung erhalten Sie auf der Homepage des Deutschen Hebammenverbandes.
Studium
Die Studienmöglichkeiten für Hebammen haben sich seit 2008, als in Osnabrück der erste Bachelorstudiengang in Midwifery startete, erheblich erweitert. Inzwischen gibt es, dank Modellklausel im Hebammengesetz sogar zwei primär qualifizierende Modellstudiengänge in Bochum und Fulda. Das heißt, sowohl die staatliche Hebammen- als auch die Bachelorprüfung werden an der Hochschule abgenommen. Seit September 2009 wird außerdem ein European Master of Science in Midwifery an der Medizinischen Hochschule Hannover angeboten.
Zahlreiche weitere Studiengänge im Bereich der Gesundheits- und Pflegewissenschaften richten sich ebenfalls explizit an studieninteressierte Hebammenschülerinnen bzw. bereits examinierte Hebammen. Hier wurden meist Modelle entwickelt, bei denen das Studium eng mit der Ausbildung an einer Fachschule verzahnt ist.
(Quelle: Homepage DHV )
Weitere Informationen zum Thema Studium erhalten Sie auf der Homepage des Deutschen Hebammenverbandes.
Tätigkeitsfelder der Hebamme
Der Betreuungsbogen der Hebamme umfasst Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Neugeborenenzeit.
Im Mittelpunkt der Begleitung durch eine Hebamme stehen die Gesundheit und das Wohlergehen von Mutter, Kind und Familie. Frauen erfahren hierbei eine individuell auf sie zugeschnittene kontinuierliche Betreuung.
Kursangebote erstrecken sich auf Geburtsvorbereitung, Säuglingspflege und Rückbildungsgymnastik. Weitere Zusatzqualifikationen ermöglichen auch andere Kursangebote, wie z.B. Schwangerenschwimmen, Babymassage oder Akupunktur.
Dieses Betreuungsangebot kann die Hebamme sowohl als angestellte Hebamme an einer Institution oder als freiberufliche Unternehmerin anbieten.
Angestellte Hebamme
Der größte Teil der angestellten Hebammen sind in der Klinik tätig.
Hier arbeiten die meisten Hebammen im Kreißsaal, darüber hinaus aber auch in den Bereichen Schwangerenambulanz, Schwangeren-, Wochen- und Neugeborenenstation. In einigen Kliniken gibt es ein rotierendes System, das heißt, angestellte Hebammen wechseln nach einem bestimmten Zeitzyklus in all die o.g. Bereichen.
Wenige Hebammen sind bei anderen Institutionen wie zum Beispiel Geburtshäusern, Hebammenpraxen, Schwangerenberatungsstellen oder bei einer Behörde (Jugendamt, Gesundheitsamt) angestellt
Hebammenkreißsaal
Vor 10 Jahren wurde der erste Hebammengeleitete Kreißsaal gegründet. Im Hebammenkreißsaal werden gesunde Frauen in der Schwangerschaft, während und nach der Geburt und im Wochenbett in der Klinik möglichst ausschließlich von Hebammen betreut. Die Hebammen arbeiten selbstständig und eigenverantwortlich. Für die aktuelle Geburtskultur in deutschen Kreißsälen stellt dieses Versorgungskonzept eine Innovation dar.
Der Hebammenkreißsaal soll den herkömmlichen (also zurzeit überwiegend ärztlich geleiteten) Kreißsaal nicht ersetzen, sondern ergänzen. Das Modell sieht eine Kooperation zwischen Hebammenkreißsaal und ärztlich geleitetem Kreißsaal vor.
Im Falle von Komplikationen während der Geburt ist eine schnelle Verlegung vom Hebammenkreißsaal in den ärztlich geleiteten möglich – oft sogar ohne den Raum zu wechseln. Grundlage für eine Verlegung – und auch dafür, ob eine Frau überhaupt im Hebammenkreißsaal gebären kann – ist ein Kriterienkatalog, der interdisziplinär im Team zwischen Hebammen und Ärztinnen erarbeitet wurde.
„Ziele des Betreuungsangebotes sind die Förderung der Eigenständigkeit und Selbst- und Mitbestimmung der Gebärenden, die Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen der Geburt und der frühen Elternschaft durch die Stärkung der weiblichen Kompetenz, sowie ein Zugewinn an Lebensqualität und Zufriedenheit durch ein gelungenes Geburtserlebnis“, beschreibt der Verbund Hebammenforschung das Konzept, das er seit Einführung des ersten Hebammenkreißsaals in Deutschland mit einer Studie begleitet.
(Susanne Steppart, DHV)
Weitere Informationen zum Thema Hebammenkreißsaal erhalten Sie auf der Homepage des Deutschen Hebammenverbandes.
Freiberufliche Hebammen
Freiberuflich arbeiten bedeutet, dass die Hebamme Unternehmerin ist und Ihre Leistungen auf dem freien Markt anbietet und den Krankenkassen bzw. den Leistungsempfängerinnen in Rechnung stellt. Der Arbeitsbereich umfasst häufig den gesamten Zeitraum rund um Schwangerschaft, Geburt und Neugeborenenzeit. Deswegen kommt in der Freiberuflichkeit das Berufsbild der Hebamme als selbständiger nichtärztlicher Heilberuf am besten zum Tragen. Hier kann sie den Betreuungsbogen am besten ausfüllen. Sie kann ihre Leistung zu Hause bei der Frau, in einer Hebammenpraxis, in einem Geburtshaus oder auch in einer Belegklinik anbieten.
Die Hebamme kann allein oder mit Kolleginnen in einem Team arbeiten oder auch interdisziplinär mit einem/r freiberuflich tätigen Gynäkologen/Gynäkologin.
Die gesetzliche Krankenversicherung gewährt jeder Versicherten einen Anspruch auf Hebammenhilfe, der im §24 SGB V seine Grundlagen findet. Die Vergütung einer freiberuflich tätigen Hebamme richtet sich nach der Vergütungsvereinbarung, die nach § 134a SGB V mit dem Spitzenverband der Krankenkassen verhandelt wird.
Familienhebammen
sind staatliche examinierte Hebammen mit Erfahrung im freiberuflichen Bereich und einer abgeschlossenen Fortbildung, deren Tätigkeit die Gesunderhaltung von Mutter und Kind fördert. Dabei liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf der psychosozialen, medizinischen Beratung und Betreuung von Familien mit erhöhtem Förderbedarf bis zum vollendeten 1. Lebensjahr des Kindes.
Schwerpunkte der Familienhebammenarbeit sind:
Einbettung der Familie in ein soziales Netz mit Hilfe von niedrigschwelligem Angebot und aufsuchender Tätigkeit, Gesundheitsförderung und Prävention durch Motivation zur Selbsthilfe, Förderung der Mutter-Kind-Bindung, Netzwerkarbeit und Kooperation mit anderen Institutionen und Berufsgruppen um Versorgungslücken zu schließen, Arbeit an Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Betreuung
Zielgruppen von Familienhebammen sind Familien, die durch gesundheitliche, medizinisch-soziale oder psychosoziale Belastungen einen erhöhten Unterstützungsbedarf haben.
Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch
Autorin
Astrid Giesen
93047 Regensburg
Mitglied im Deutschen Hebammenverband
Erstellt am 11. September 2013, zuletzt geändert am 12. September 2013