Au-pair im Familienalltag
Susanne Grohs-v. Reichenbach
Wenn wir gefragt werden, wie wir Berufstätigkeit und zwei kleine Kinder unter einen Hut kriegen, kommt die Antwort ganz direkt: “Ohne unser Au-pair ginge das nicht!” Für alle Eltern, die vielleicht ein Au-pair engagieren möchten, habe ich aus meiner Erfahrung als berufstätige Mutter Antworten auf Fragen festgehalten, die mir in den letzten Jahren am häufigsten gestellt wurden. Vielleicht sind auch einige heikle Fragen dabei, die Sie im Kopf haben, wenn Sie über diese Form der Kinderbetreuung nachdenken.
Wie gut läuft es bei Ihnen mit den Au-pairs?
Es läuft gut, wenn alle an einem Strang ziehen. Wir finden, dass mit kleineren Kindern die Betreuung im Haus viele Vorteile hat. Gerade bei mehreren Kindern ist es eine echte Erleichterung, auf die unterschiedlichen Stundenpläne in der Grundschule und spontanen Schließungen des Kindergartens oder aber auf Ferienzeiten flexibel reagieren zu können. Wenn beide Eltern berufstätig sind und keine Großeltern für die Enkel im Alltag sorgen können, ist diese Form der Kinderbetreuung oftmals der bevorzugte Weg, Beruf und Familie zu vereinbaren. Über die mangelnden Möglichkeiten der öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen sind besonders Mütter im Bilde, die ihre Kinder versorgt wissen wollen, wenn sie wieder ins Berufsleben zurückkehren möchten. Eine wichtige Entlastung ist auch die Hilfe im Haushalt, die das Au-pair leistet; so bleibt den Eltern mehr Zeit für die Kinder.
Fazit: Wenn die Gasteltern entsprechend lenkend unterstützen und das Au-pair hilfsbereit ist, sind die Voraussetzungen optimal für einen reibungslosen Alltag.
Was erwarten die Au-pairs eigentlich von ihrem Aufenthalt in Deutschland?
Wir haben sehr unterschiedliche Erwartungen kennen gelernt. Die Neugier, in Deutschland die Sprache, Kultur und das Alltagsleben zu erforschen, sind sehr individuell ausgeprägt. Manche jungen Menschen kommen mit einem echten “Hunger” auf die neue Kultur hierher, andere wollen einfach einmal weg von Zuhause. Manchen geht es darum ein Sprachdiplom zu erwerben. Zum Teil ist die erste Priorität, die neue Umgebung gründlich zu entdecken und echtes “Sightseeing” zu machen. Andere beschließen, sich nach der Ankunft in Deutschland als erstes ein Handy zu kaufen und schnell Gleichgesinnte kennen zu lernen. Stammen die Au-pairs aus weniger wohlhabenden Teilen der Erde bzw. Familien, können Konsummöglichkeiten und Beschaffung von Kleidung, Kosmetik etc. wichtige Themen werden. Da inzwischen der Großteil der Au-pairs aus Osteuropa kommt, kann es auch vorkommen, dass sie mit dem Geld, das sie in der Gastfamilie erhalten, weitere Familienmitglieder zu Hause versorgen müssen. Es ist also sehr wichtig, sich nach den Beweggründen für einen Aufenthalt in Deutschland zu erkundigen und schon in der Bewerbungsphase auf das Interesse am Zusammenleben mit Kindern zu achten. Wer sich über die Aufgaben informieren möchte, die ein Au-pair übernehmen sollte, kann die Regelungen der Bundesagentur für Arbeit “Au-pairs bei deutschen Familien” zu Rate ziehen.
Fazit: Finden Sie heraus, wo die Interessen des Au-pairs hauptsächlich liegen. Das verhindert falsche Erwartungen auf beiden Seiten.
Hat Ihr Au-pair ein eigenes Zimmer zur Verfügung?
Sicherlich ist es für viele Familien nicht einfach, dem Au-pair ein eigenes Zimmer zu bieten. Doch darauf haben unsere “Familienmitglieder auf Zeit” einen Anspruch. Wir meinen, dass ein behagliches Zuhause dem jungen Menschen hilft, sich wohl zu fühlen. Für das Training der deutschen Sprache ist es auch günstig, das Zimmer mit Radio und TV auszustatten. Das genießen die meisten Au-pairs sehr! Und Ihnen als Gasteltern bleibt es weiterhin unbenommen, Ihre Mediengewohnheiten im eigenen Wohnzimmer weiter zu pflegen. Als ideal wird von vielen empfunden, wenn das Zimmer des Au-pairs nicht im Zentrum des Familienlebens oder neben den Kinderzimmern liegt, sondern etwas abseits. Das birgt für beide Seiten Vorteile: Die jungen Menschen stören niemanden, wenn sie etwas später nach Hause kommen oder Besuch empfangen möchten. Andererseits können sie an freien Tagen ausschlafen. Es kann auch auf Dauer als Einschränkung empfunden werden, wenn kleine Kinder schon sehr früh im Haus unterwegs sind und das Au-pair kaum mal länger schlafen kann.
Fazit: Ein eigenes Reich zu haben, in dem sich junge Menschen wohl fühlen, wissen Au-Pairs meist sehr zu schätzen.
Wie hat denn Ihr Au-pair-Junge die Aufgaben geschafft?
Für uns war das Jahr mit unserem ukrainischen Au-pair-Jungen eine sehr interessante Zeit. Wir hatten uns für ihn entschieden, da wir für unseren Sohn einen männlichen “Betreuer” wollten. Glücklicherweise hatte er selbst zwei kleine Schwestern, so dass sich auch unsere Tochter mit ihm sehr gut verstanden hat. Er hat wirklich mit pädagogischem Eifer unsere Kinder gefördert und sich so schnell ihre Sympathie gesichert. Im Haushalt hat er dieselben Aufgaben übernommen wie seine “Kolleginnen” , nach einer kurzen Einarbeitung war dies kein Problem. Für ein männliches Au-pair entscheiden sich nicht wenige Familien – besonders, wenn Jungs in der Familie sind. Viele Gasteltern schätzen deren Selbständigkeit und stellen fest, dass es auch nicht mehr oder weniger Probleme mit ihnen gibt. Denn junge Frauen haben genau so ihre Stärken und Schwächen im Umgang mit Kindern bzw. bei der Hausarbeit. Für mich war auch ein Grund, einmal einen jungen Mann zu engagieren, dass die erzieherischen Leistungen in unserem Umfeld (Kindergarten, Grundschule, Musikschule etc.) fast ausschließlich von Frauen getragen wurden. Ich fand es sehr wichtig, dass ein Junge außer dem Vater auch andere männliche Personen zur Orientierung im Alltag erleben kann.
Fazit: Besonders für Familien mit Jungs ist die Erfahrung mit einem männliches Au-pair gerade für die Entwicklung des Rollenverständnisses der Kinder interessant.
Können die Kinder damit umgehen, dass diese “Familienmitglieder auf Zeit” nach einem Jahr wieder weggehen?
Zunächst einmal sollte man sich vor Augen führen, dass sich auch in anderen Lebensbereichen der Kinder Einschnitte und ungewollte Veränderungen ergeben: Die Lieblingserzieherin im Kindergarten verlässt die Einrichtung, der Fußballtrainer steht nicht mehr zur Verfügung oder die beste Freundin zieht in eine andere Stadt. Damit können und müssen sie umgehen lernen. Sicherlich wachsen die Kinder und die “große Schwester auf Zeit” bzw. ein “großer Bruder auf Zeit” zusammen, wenn die “Chemie” gestimmt hat. Das ist ja auch gewollt und eine sehr bereichernde Erfahrung für alle Beteiligten. Ist das Verhältnis nicht ganz so “innig” , wird ein Abschied auch gar nicht so sehr zum Thema. Wir halten es gewöhnlich so, dass wir unsere Kinder schon einige Wochen vor der Abreise auf den Wechsel vorbereiten. Mit dem Au-pair besprechen wir z. B. beim gemeinsamen Abendessen, mit welchen Empfindungen sie oder er an die Heimreise denkt und ob sie sich auf ihre Familie freuen und wie die weiteren beruflichen Pläne aussehen. Die Kinder können sehr schnell begreifen, warum jemand nach Hause geht und auch nach Hause möchte. Weil wir das Thema offen ansprechen, wird der Abschied für sie etwas Berechenbares und auch Natürliches. Denn jeder Abschied ist auch ein Neuanfang – für das Au-pair und für die Kinder selbst. Wenn es sich ergibt, vereinbaren wir mit dem Au-pair, wie der weitere Kontakt verläuft, falls die Kinder einmal anrufen möchten oder sich über einen Brief freuen würden.
Das neue Au-pair kommt
Wenn das nächste Au-pair in die Familie kommt, ist es auf jeden Fall notwendig, dass sich die Gasteltern wirklich genügend Zeit nehmen, um den Kontakt mit den Kindern langsam aufzubauen. Vielleicht werden die Kinder ihre Grenzen bei jedem Au-pair erneut testen wollen und brauchen einige Wochen, bis sie die neue Person wirklich akzeptieren. In dieser Phase sollte man viel Zeit für gemeinsame Gespräche und eigenes Beobachten einplanen, damit es nicht zu Spannungen kommt. Auch das eigene Verhalten spielt eine entscheidende Rolle: Es ist z. B. nicht ratsam, die Vorzüge der anderen Au-pairs penetrant zu loben und dadurch das neue Familienmitglied zu verunsichern. Je älter die Kinder werden, desto selbstverständlicher werden die Wechsel von ihnen empfunden. Und die wichtigsten Bezugspersonen sind und bleiben ohne Zweifel die Eltern.
Fazit: Der Wechsel erfordert viel Planung und ist für die Kinder meist weniger anstrengend als für die Eltern.
Wie klappt eigentlich die Verständigung im Alltag?
Wir haben festgestellt, dass gute Deutschkenntnisse ein großer Vorteil sind. Und zwar für beide Seiten. Stellt die Sprache ein erhebliches Hindernis dar, können Frustrationen die Folge sein. Es ist sehr wichtig, dass die Gasteltern ihre Erwartungen an das Au-pair verständlich und eindeutig formulieren. Damit sich unser Au-pair in Ruhe mit den Abläufen, Gewohnheiten und seinen Aufgaben in der Familie vertraut machen kann, schreiben wir zu allen Punkten aktuelle Informationen auf und legen sie bei Ankunft ins Zimmer. Dort findet das Au-pair auch Angaben zu den Einrichtungen, die die Kinder besuchen, wichtige Telefonnummern und Hinweise, welche Dinge im Umgang mit den Kindern und auch Haushaltsgeräten unbedingt beachtet werden müssen. Diesen Leitfaden besprechen wir sorgfältig mit dem Au-pair und beantworten Fragen. Wir haben mit diesem Vorgehen sehr gute Erfahrungen gemacht, denn die Aufgaben sind nachvollziehbar beschrieben und der Alltagsablauf ist klar. Welche Punkte speziell für den Tag zu beachten sind, wird jeden Morgen in ein großes Heft notiert, damit das Au-pair diese einplanen kann. Ist z. B. ein Kind zu einer Freundin zu bringen, sind Adresse und Telefonnummer aufgeschrieben. Natürlich findet man auch bald heraus, wie gut die Anweisungen wirklich verstanden werden. Es ist sicherlich besser, ein Mal mehr zu wiederholen, als ein Mal zu wenig. Für die tägliche Besprechung sollte man immer ein paar Minuten Zeit haben – genau so für die Kontrolle, ob alles wunschgemäß geklappt hat.
Fazit: Geduld zum Erklären muss man mitbringen und auch das Au-pair zum Fragen ermuntern – sonst werden Aufgaben eventuell nicht richtig ausgeführt.
Macht es Ihnen nichts aus, dass ständig jemand “Fremdes” im Haus ist?
Sicherlich gibt es Augenblicke, in denen man ungestört sein möchte. Doch dann können Gasteltern diesen Wunsch ja auch äußern. Unsere Erfahrung ist, dass die Au-pairs normalerweise sehr gern mit eigenen Freunden in der Freizeit zusammen sind und viel unternehmen. Wenn Gastfreundlichkeit und Offenheit zu den eigenen Wertvorstellungen gehören und auch in der Kindererziehung eine wichtige Rolle spielen, entsteht dieses Gefühl der “Fremdheit” sicher nicht.
Fazit: Es hängt vor allem von der eigenen Einstellung ab, ob sich Gasteltern gestört fühlen oder nicht.
Welche Kosten entstehen der Familie?
Jede Familie muss für sich entscheiden, was sie finanzieren kann und will. Die Bundesagentur für Arbeit nennt folgende Positionen, für die die Familie aufkommen muss:
- ein eigenes Zimmer und freie Verpflegung
- ca. 260,- Euro Taschengeld pro Monat
- bezahlter Urlaub (bei 12 Monaten vier Wochen)
- Unfall- und Krankenversicherung.
Es ist weitgehend üblich, dass die Familie auch die Kosten für eine Monatskarte des örtlichen Nahverkehrs sowie die Gebühr für Sprachkurse zumindest anteilig trägt. Ratsam ist auch, für das Telefonieren eine Rechnungsform, die einzelne Gespräche ausweist, zu wählen. So kann sich die Familie überlegen, in welcher Höhe sie Telefonkosten der Au-pairs tragen möchte. Darüber muss natürlich vorher Klarheit herrschen – zumal Gespräche ins Ausland teuer sind. Wenn Ausflüge oder Wochenendreisen anstehen, freuen sich die jungen Menschen über einen Zuschuss. Auch eine Heimreise während der Ferien kann u. U. nicht alleine finanziert werden – dafür reicht das Taschengeld in der Regel nicht. Wenn die Gasteltern dann eine Reise spendieren, lösen sie sicherlich nachhaltige Freude aus. Kommt das Au-pair aus einem Land außerhalb der EU, fallen Vermittlungsgebühren einer Au-pair-Agentur sowie Kosten für das Visum an. Eine erfreuliche Nachricht für uns Eltern: Seit 2002 gibt es die Möglichkeit, Kinderbetreuungskosten steuerlich geltend zu machen.
Fazit: Es versteht sich von selbst, dass ein Au-pair bei großzügigerer Bezahlung auch selbst zu mehr Engagement bereit sein wird.
Die Au-pairs sind doch noch so jung – kann man ihnen die Kinder wirklich anvertrauen?
Die Persönlichkeit und das Pflichtbewusstsein, die ein junger Mensch in die Familie einbringt, entscheiden über das Maß an Verantwortung, das ihm übertragen werden kann. Jemand, der in seiner Heimat schon einige Jahre z. B. als Lehrer gearbeitet hat, ist sicherlich schneller fähig, die Kinder alleine zu übernehmen als eine wenig erfahrene Schulabgängerin. Etwas ältere Au-pairs bringen oft eine ganze Menge an Erfahrung im Umgang mit Kindern mit, die sie beruflich oder privat erworben haben. In der Anfangszeit ist es sinnvoll, zuerst stundenweise auszuprobieren, wie Kinder und Au-pair zurecht kommen. Die Arbeit mit kleinen Kindern kann oft sehr anstrengend sein – daran sollte man immer denken, wenn die Aufgaben zugeteilt werden. Es wäre falsch, von einem Au-pair zu erwarten, dass es eine Hauptrolle bei der Erziehung spielen sollte. Das ist die Aufgabe der Eltern. Sie können jedoch erwarten, dass das Au-pair ihre Ziele unterstützt und z. B. ein Süßigkeiten-Verbot vor dem Essen beachtet. Wenn Sie stets das Gespräch suchen, wenn Sie wieder nach Hause kommen, so merken Sie am schnellsten, ob die Betreuung in Ihrem Sinne stattgefunden hat oder nicht.
Fazit: Nachdem sich Gasteltern klar gemacht haben, welche Verantwortung das Au-pair tragen soll und welche nicht, kann diese schrittweise übergeben werden.
Ist denn schon mal etwas schief gegangen?
Sich in einem fremden Land in einen Familienalltag mit Hunderten von wichtigen Kleinigkeiten einzuarbeiten, ist eine Kraftanstrengung. Da kann schon mal ein Missverständnis zu Fehlern führen, eine Aufgabe vergessen werden. Ein Au-pair ist schließlich auch keine Hausangestellte, die mit perfekter Haushaltsführung glänzen muss. Natürlich kann man auch dahingehend Pech haben, dass ein Au-pair die Familie vorzeitig verlassen will. Dieser Fall kann die Alltagsabläufe ganz schön durcheinander wirbeln und berufstätige Eltern tun gut daran, für diesen Fall vorzusorgen. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass im Leben eines jungen Menschen immer Veränderungen passieren können, und manchmal auch schlicht und einfach die Lust abhanden kommen kann, in der Familie mitzuhelfen. Wir stellen fest, dass es über das Jahr hinweg verschiedene Phasen gibt; mal ist mehr, mal etwas weniger Engagement vorhanden. Dann “klemmt” es plötzlich bei Tätigkeiten, die sonst immer geklappt hatten. In solchen Zeiten müssen die Gasteltern die offenen Punkte ansprechen. Vielleicht braucht das Au-pair zusätzlich etwas Freizeit, um wieder den nötigen Elan zu entwickeln. Wer sich über mögliche Fallstricke im Zusammenleben aus der Sicht einer Agentur informieren möchte, kann den Beitrag von Christoph Hambloch lesen (Hinweise zum Au-pair Aufenthalt).
Fazit: Nobody is perfect!
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Autorin
Susanne Grohs-v. Reichenbach, erzieht mit ihrem Mann zwei Kinder. Neben ihrer Berufstätigkeit in einem großen deutschen Unternehmen engagiert sie sich seit langem ehrenamtlich für gesellschaftliche Zwecke. Sie hat langjährige Erfahrung als Gastmutter von Au-pairs aus verschiedenen Ländern.
Erstellt am 1. April 2003, zuletzt geändert am 5. November 2013