Kinder fragen nach dem Glauben – Eltern antworten

Michael Schnabel
Mschnabel

 

 

 

 

Nachhilfe für Eltern im Fach Religion?

“Sie haben es leicht. Denn Sie haben jahrelang Theologie studiert und können den Kindern den Glauben erklären. Aber wir Eltern brauchen da dringend Nachhilfe, wenn unsere Kinder so schwierige Fragen nach dem Glauben stellen.” So die Meinung eines Vaters bei einem Elternabend. “Seit unsere Tochter im Kindergarten ist, möchte sie alles Mögliche über den christlichen Glauben wissen. Sie durchlöchert uns beispielsweise mit solchen Fragen: Warum gehen die Menschen in die Kirche? Wieso lässt der liebe Gott Kinder krank werden? Kann der liebe Gott auch durch Mauern schauen? Meine Frau und ich sind häufig in der Klemme, weil wir auf diese Fragen auch keine passenden Antworten parat haben.”

Kinderfragen kennen kein Tabu!

Welche Fragen stellen Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter? Welche religiösen Themen interessieren Kinder? Die Theologin Johanna Klink hat mehr als ein Jahrzehnt religiöse Fragen der Kinder gesammelt. In drei Büchern hat sie die Fragen zusammengestellt und kommentiert. Eine kleine Auswahl zeigt die Vielfalt des kindlichen Fragens: “Opa kann uns sehen, aber wir ihn nicht, dann ist er eine Art Nikolaus?” (Mädchen, 3 Jahre). “Der Herr Jesus hat uns lieb. Hat er auch den Teufel lieb?” (Junge, 5 Jahre). “Warum macht Gott Spitzbuben und Diebe?” (Mädchen, 6 Jahre). “Wenn ich tot bin, bin ich dann im Himmel? Das ist doch nur meine Seele? Davon habe ich doch nichts?” (Junge, 4 Jahre). “Oma, waren Adam und Eva katholisch oder protestantisch?” (Mädchen, 4 Jahre).

Die Beispiele lassen erkennen: Kinder zwischen drei und sieben Jahre sind an allen religiösen Fragen interessiert. Aber nicht nur an religiösen Fragen und Antworten, sondern grundsätzlich an allen Dingen und Vorgängen, die sie bewusst wahrnehmen. Die Forschungen des Entwicklungspsychologen Jean Piaget verweisen darauf: Kinder im Kindergartenalter erwerben sich die Hauptstrukturen ihres Weltbildes. Sie bilden zunehmend realitätsgerechte Vorstellungen aus. Erklären sich die Kinder zunächst viele Beobachtungen und Vorgänge auf magisch-mythische Weise, so kommen die Kinder durch Fragen und Nachforschen immer mehr zu einer realitätsgerechten Weltanschauung. Die Fragen der Kinder sind dabei die treibende Kraft und die Antworten der Eltern die Wegweiser, um eigene Vorstellungen über sich selbst, über die Welt und Gott zu erhalten.

Weil das Fragen der Kleinkinder bedeutungsvoll für den Aufbau eines Weltbildes und die ersten Wertorientierungen ist, meinen einige Religionspädagogen: Im Fragen des Kleinkindes zeigen sich die ursprünglichen Wurzeln von Religion und Glaube. Das Frage- und Antwortspiel zwischen Eltern und Kindern ist dann der unverzichtbare Grundstock einer religiösen Unterweisung.

Unterscheide Wissensfragen und Glaubensfragen!

Das Fragen der Kinder geht querbeet durch alle Themen und Gebiete des christlichen Glaubens: Warum gehen wir am Sonntag in die Kirche? Gibt es ein Christkind? Muss man beten? Warum ist unser Pfarrer kein Bischof? Wie heißen die Heiligen Drei Könige? Lebt die Seele der Oma im Himmel weiter? Warum gibt es Katholiken und Protestanten?

Die Vielfalt der religiösen Kinderfragen und das sorglose Ansprechen schwieriger Themen verunsichern Eltern: Wo anfangen mit dem Erklären und wie ausführlich sollen die Informationen sein? Wie findet man auf die Schnelle gute Antworten, wenn man nicht genau Bescheid weiß? Darf man auf die tief greifenden Fragen der Kinder einfache Antworten geben? Alles sorgenvolle Überlegungen von Eltern, wenn Kinder zu religiösen Forschern werden.

Eine Erleichterung und geradezu eine erste Notversorgung wird erreicht, wenn die religiösen Fragen der Kinder in folgende zwei Gruppen unterteilt werden:

  • Religiöse Wissensfragen,
  • Glaubensfragen.

Diese Unterteilung eröffnet Wege dahingehend: Wie ist die Frage zu beantworten? Und: Wo können weiterführende Hilfen gefunden werden?

Antwort auf Wissensfragen

Die religiösen Wissensfragen sind einfach und glatt zu beantworten, denn sie zielen auf unser Wissen in Sachen Religion und Glaube. Das fragende Kind will eine Information über Inhalte des Glaubens. Im Normalfall dürften Eltern in der Lage sein, diese Fragen zu beantworten, wenn sie im Religionsunterricht bei der Sache waren und sich noch an diese Inhalte erinnern können. Einfach ausgedrückt: Wissensfragen betreffen alle Informationen, die man einmal im Religionsunterricht gelernt hat. Außer man fehlte gerade in dieser Religionsstunde. Einige Beispiele hierfür: Gibt es ein Christkind? Warum ist unser Pfarrer kein Bischof? Wie heißen die Heiligen Drei Könige? Warum gibt es Katholiken und Protestanten?

Nehmen wir die einfachste dieser Wissensfragen heraus: die Namen der Heiligen Drei Könige sind: Kasper, Melchior und Balthasar. Oder: Katholiken und Protestanten gibt es deshalb, weil vor ungefähr 500 Jahren sich die Christen in einem Streit über Glaubensfragen in zwei Gruppen gespalten haben: die Katholiken und die Protestanten.

Hier nochmals der besondere Charakter von religiösen Wissensfragen: Sie können richtig oder falsch beantwortet werden, oder mit einem “Ich weiß es nicht” . Kenn´ ich mich aus und weiß Bescheid, so werde ich dem fragenden Kind die richtige Antwort geben können. Fehlen mir die nötigen Informationen, so kann ich schnell in Büchern oder anderen Informationsquellen die Antwort finden.

Gute Dienste leisten in dieser Situation die Erwachsenenkatechismen der katholischen und evangelischen Kirche, sowie Lexika zu theologischen Fragen.

Antwort auf Glaubensfragen

Glaubensfragen sind ganz anders! In einem Bild gesprochen: Religiöse Wissensfragen richten sich an den Kopf – den Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind. Glaubensfragen richten sich ans Herz des Menschen. Es sind Fragen nach Überzeugungen und Einstellungen. Sie verlangen Antworten, hinter denen ich mit meiner ganzen Person stehen kann. Beispielsweise kann ich sachlich und unbeteiligt die Namen der Dreikönige hersagen. Jedoch die Frage “Warum beten wir vor dem Essen?” verlangt eine persönliche Stellungsnahme. Glaubensfragen sind Fragen nach den eigenen Überzeugungen, sind Fragen nach dem, was für mich Bedeutung hat, daher muss ich die Antwort auf eine Glaubensfrage in mir selbst suchen. Und es gibt viele Antworten – so viele Antworten, wie es Überzeugungen gibt.

Beispielsweise könnte ein Vater seinem Kind bei der Frage nach dem Warum des Betens antworten: “Weil ich es so gewohnt bin. Meine Eltern haben mit uns immer vor dem Essen gebetet. Dies hat mich so beeindruckt, dass wir es auch tun …” Der angesprochene Vater könnte auch sagen: “Ich meine, das wir letztendlich alles von Gott erhalten und dafür sollen wir ihm dankbar sein. Wenn wir vor dem Essen beten, dann danken wir Gott für seine Güte und Freundlichkeit.” Es ließen sich noch mehr Begründungen und Erklärungen finden, die den Entschluss zum Beten rechtfertigen.

Charakteristisch für Antworten auf Glaubensfragen ist: Sie können offen und ehrlich beantwortet werden; oder sie werden scheinheilig und unehrlich beantwortet. Unehrliche Antworten der Eltern auf die Glaubensfragen ihrer Kinder rücken den Glauben in ein schiefes Licht und behindern die Entwicklung einer reifen Religiosität.

Orientierungspunkte für die Beantwortung von Glaubensfragen der Kinder

Schieben Sie religiöse Kinderfragen nicht auf die lange Bank, sondern antworten Sie sofort!

Wenn Kommunikation gelingen soll und Beziehungen sich festigen sollen, dann muss jede Frage des Kindes möglichst umgehend beantwortet werden. Dies gilt auch für die religiösen Fragen der Kinder. Allzu leicht werden religiöse Fragen übergangen, weil sich Eltern erst vergewissern wollen, wie sie sachgerecht antworten können. Diese Sonderbehandlung drängt religiöse Fragen immer mehr in den Hintergrund und dämpft das religiöse Interesse der Kinder.
Antworten Sie auf religiöse Kinderfragen möglichst einfach und konkret!

Viele Eltern denken, religiöse Fragen sind immer tiefgründig und komplex. Daher ist man schnell dabei, den Kindern Minivorträge zu halten. Und die Rede geht völlig am Kind vorbei. Besser ist es, mit einem kurzen Satz zu antworten und auf weitere Fragen der Kinder zu warten. Ist ein echtes Interesse geweckt, so werden die Kinderfragen zu religiösen Themen immer häufiger. Auf diese Weise arbeiten Eltern und Kinder im Frage- und Antwortspiel umfängliche Themenbereiche des Glaubens durch.

Geben Sie offen zu, wenn Sie auf eine Frage keine Antwort wissen

Gerade in dem umfänglichen Thema des christlichen Glaubens kann man nicht zu allen Angelegenheiten Bescheid wissen. Dann ist eine offene und ehrliche Antwort angebracht: “Das weiß ich nicht!” “Ich weiß nicht Bescheid” . Damit ist jedoch die Antwort noch nicht erledigt, sondern man verspricht dem Kind, möglichst umgehend eine richtige Antwort zu suchen. Wenn das Kind Interesse zeigt, so kann es bei der Antwortsuche beteiligt werden.
Geben Sie dem Kind auf religiöse Wissensfragen richtige Antworten!

Wenn die Kinder sachliche Informationen zur Religion wünschen, müssen die Auskünfte richtig sein. Und dennoch kommt es vor, dass Eltern Sachverhalte des Glaubens zu wenig kennen und falsche Antworten geben. Daher ist es nötig, sich als Eltern auch in religiösen Fragen weiterzubilden. Besuchen Sie Vorträge zu religiösen Themen! Oder lesen Sie einzelne Kapitel in Glaubensbüchern nach!

Beantworten Sie Fragen nach dem Glauben offen und ehrlich!

Glaubensfragen der Kinder rufen Überzeugungen und Einstellungen ab. Eltern sind dann gefordert ihre Einstellung zum Glauben zu outen. Es ist günstiger, den Kindern seine Bedenken und Zweifel mitzuteilen, als dass man sich scheinheilig als überzeugter Christ ausgibt.

Kinder dürfen mitbekommen, dass Eltern Glaubensfragen unterschiedlich beantworten. “Ich hab nochmals darüber nachgedacht und folgende Antwort gefunden…” Dabei wird klar: Überzeugungen können sich ändern, Glaubensvorstellungen können reifen. Der Glaube ist nicht starr und festgelegt, sondern wird immer wieder neu errungen.

Fragen nach dem Glauben können auf die Welt verweisen

Gerade bei Kleinkindern ist es schwierig Glaubensfragen verständlich zu beantworten. Abstrakte Formeln aus dem Katechismus und aus theologischen Büchern sind eher Blockaden als Hilfen. Vergleiche mit Erfahrungen aus dem Familienleben oder Vergleiche mit alltäglichen Vorgängen helfen Kindern den christlichen Glauben zu verstehen.

Das Wichtigste in Kürze

Religiöse Fragen der Kinder tragen entscheidend zur Entwicklung einer Weltanschauung bei. Zentrale Wertvorstellungen, Überzeugungen und Grundorientierungen fürs Leben werden durch diese Fragen und ihre Beantwortung Grund gelegt. Das Ausklammern und Übergehen religiöser Fragen hinterlässt ein Vakuum in den lebensentscheidenden Grundorientierungen der Kinder. Diese Lücke wird dann von vielen Einflüssen aufgefüllt, die wahrscheinlich nicht immer den Vorstellungen der Eltern gerecht werden.

Literatur

  • Erzähl mir vom Glauben (2000): Ein Katechismus für Kinder, Gütersloh.
  • Harz, F. (1997): Mit Kindern von Gott reden, Nürnberg.
  • Herold, G. (2001): Evangelischer Erwachsenenkatechismus. Glauben - erkennen - leben, Gütersloh.
  • Katechismus der katholischen Kirche (1993): Leipzig.
  • Katholischer Erwachsenen-Katechismus (1995). Leben aus dem Glauben, 2 Bd., Kevelaer.
  • König, H. (2001): Das große Jahresbuch für Kinder. Feste feiern und Bräuche neu entdecken, München.
  • Sauer, R. (1988): Kinder fragen nach dem Leid, Freiburg.
  • Schindler, R. (1999): Zur Hoffnung erziehen. Gott im Kinderalltag, Zürich.
  • Treitmeier, M. (1996): Kommt mein Hund in den Himmel? Ein kleines Antwortbuch für große Kinderfragen, Freiburg.
  • Tschirch, R. (2000): Gott für Kinder. Religiöse Erziehung, Vorschläge und Beispiele, Gütersloh.

Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch

Autor

Michael Schnabel war wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik.

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Erstellt am 8. Oktober 2003, zuletzt geändert am 13. Juni 2012

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