Partner werden Eltern: Wechselwirkungen zwischen Paaren und Kindern

Dr. Johanna Graf
Jgraf

Wenn Paare Eltern werden, ist das Beziehungsglück vollkommen – so die landläufige Erwartung. Tatsächlich jedoch bleibt ob der neuen Aufgabe die Partnerschaft häufig auf der Strecke. Paradoxerweise scheinen Kinder ein Risiko für das Partnerschaftsglück ihrer Eltern darzustellen. Dieses düstere Bild zeichnet die aktuelle Forschungsliteratur zum Übergang zur Elternschaft. Im ersten Teil des Beitrags sollen diese Befunde differenziert werden: Was sind Bedingungen dafür, dass Partnerschaften stabil bleiben oder sich verschlechtern? Sind es ”schwierige“ Kinder, die die Ehe ihrer Eltern ruinieren? Im zweiten Teil des Beitrags geht es um die umgekehrte Einflussrichtung: Welche Kompetenzen brauchen Paare, damit sich Kinder optimal entwickeln können?

Um diese Fragen zu beantworten, wurde im Rahmen des Verbundprojektes ”Optionen junger Ehen und Lebensgestaltung“ (Schneewind et al., 1992) die Studie ”Wenn Paare Eltern werden“ durchgeführt. 48  frisch verheiratete junge Paare, die ihr erstes Kind erwarteten, wurden in den ersten fünf Jahren ihrer Elternschaft begleitet und mit einer Gruppe von 90 Paaren kontrastiert, die während des gesamten Untersuchungszeitraums kinderlos geblieben waren. Den Analysen liegt eine familiensystemische Perspektive zugrunde, die in Abbildung 1 veranschaulicht ist. Ein zentraler Befund soll bereits an dieser Stelle festgehalten werden: Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass Kinder schwierig werden, wenn die Partner Probleme haben, als dass Paare Probleme bekommen, wenn Kinder schwierig sind.

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Abb. 1: Wechselwirkungsprozesse im Familiensystem
(modifiziert n. Belsky, 1981)

Teil 1: Entwicklung der Partnerschaft

Negative Veränderungen

Die Geburt des ersten Kindes bringt auch für die Eltern der hier vorgestellten Studie Beeinträchtigungen ihrer Partnerschaft mit sich. Diese sind keineswegs kurzfristig und vorübergehend (wie die Bezeichnung” Übergang “zur Elternschaft vermuten lässt), sondern können als langfristige Kaskade beschrieben werden. Zunächst fühlen sich die Partner empfindlich in ihrer Autonomie (” Selbständigkeit “) eingeschränkt, dann lassen die positiven Gefühle füreinander nach (” Zugewandtheit “, vgl. Abb. 2), die Beziehung wird in kognitiver, emotionaler und sexueller Hinsicht als unbefriedigender erlebt, und schließlich werden Konflikte immer dysfunktionaler ausgetragen bzw. ganz vermieden.

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Abb. 2: Veränderungen der Zugewandtheit bei Eltern und kinderlosen Paaren

Sind die Kinder” schuld “?

Die negativen Veränderungen finden weitgehend unabhängig von den Temperamentsmerkmalen des Kindes statt. Ausschlaggebend für den Verlauf der Partnerschaft ist nicht die Tatsache, ob Kinder da sind oder nicht, sondern wie die Eltern mit den Herausforderungen der Elternschaft umgehen. Innerhalb eines gewissen Rahmens – die Untersuchungsteilnehmer hatten keine Schreibabys oder Kinder mit chronischen Behinderungen – lässt sich festhalten:

Selbst schwierige Kinder” ruinieren “die Ehe ihrer Eltern nicht. Und genauso gilt: Auch noch so” einfache “Kinder können eine unglückliche Ehe nicht retten.

Relativierung

Der Vergleich zur Gruppe der kinderlosen Paare zeigt (vgl. Abb. 2): Auch bei kinderlosen Paaren verschlechtert sich die Partnerschaft – zumindest in der Anfangszeit! Und: Auch bei Eltern sinkt die Zugewandtheit lediglich von” überdurchschnittlich “auf” durchschnittlich “ab (die Werte können theoretisch zwischen 1 und 10 liegen).

Welche Merkmale von Kindern stellen ein” Risiko “dar?

Kinder, die häufig krank sind, Kinder, die sich schwer beruhigen lassen und Söhne stellen für die Partnerschaft am ehesten eine Herausforderung dar.

Obwohl Frauen in der Regel diejenigen sind, die sich hauptsächlich um das Baby kümmern und in deren Leben die einschneidendsten Veränderungen stattfinden, scheinen eher Männer unter” schwierigen “Merkmalen des Kindes zu leiden. So fühlen sie sich durch Babys, die sich nur schwer beruhigen lassen, stärker angebunden und eingeengt. Wenn die Kinder häufig krank sind, erleben sie mehr Nörgelei und Kritik von ihrer Partnerin. Vermutlich sind Frauen durch die stärkere Beanspruchung (v.a. nachts) durch kranke Kinder gereizter, erwarten eher die Unterstützung ihres Partners und reagieren enttäuscht, wenn die Mithilfe ausbleibt (vgl. Reichle, 1994).

Eltern von Söhnen sind sich uneiniger in Erziehungsfragen und fühlen sich in ihren Erziehungsbemühungen eher vom Partner hängen gelassen. Die” Elternallianz “wird in Mitleidenschaft gezogen. Mütter finden, dass Konflikte destruktiver ausgetragen werden; Väter fühlen sich eher aus der Mutter-Kind-Beziehung ausgeschlossen. Dies kommt allerdings nicht dadurch zustande, dass die Eltern Jungen als schwieriger erleben würden. Da Väter sich eher in der Erziehung ihrer Söhne engagieren als sie das bei Töchtern tun, eröffnet sich durch die Geburt eines Sohnes ein größeres Feld für Erziehungskonflikte. Möglicherweise sind Väter auch eher auf die enge Mutter-Sohn-Bindung eifersüchtig.

Gibt es Risiko- und Schutzfaktoren?

Wenn Kinder” schwierig “sind, kann das durch Schutzfaktoren auf Person- und Paarebene im Familiensystem vergleichsweise gut abgepuffert werden (vgl. auch Belsky, 1991). Wie sehr die Partnerschaft in den ersten Jahren der Elternschaft leidet, hängt größtenteils von den Ausgangsbedingungen ab, mit denen Paare ihren Weg in die Elternschaft beginnen.

Vereinfacht gesagt: Allgemeine Beziehungskompetenzen, eine glückliche Partnerschaft (viel Zugewandtheit), in der sich die Partner nicht einengen (ein mittleres Ausmaß an Selbständigkeit), sind die besten Voraussetzungen.

Je besser sich die Partner vor der Geburt ihres ersten Kindes verstehen, desto eher gelingt es ihnen, ihr Partnerschaftsglück auf Dauer aufrechtzuerhalten. Je weniger die Partner einander vor der Geburt ihres Kindes zugewandt sind, desto stärker wird die Partnerschaft in Mitleidenschaft gezogen, d.h. eine Schere tut sich auf.

Bei einigen Paaren verschlechtert sich die Partnerschaft sogar mit jedem Jahr noch weiter. Anderen dagegen gelingt es, zwischen dem vierten und fünften Jahr der Elternschaft ihre Beziehung (” Zugewandtheit “) wieder zu verbessern, auch wenn nicht das Ausgangsniveau vor der Geburt erreicht wird (vgl. Abb. 3). Interessanterweise sind das diejenigen, die sich in der Schwangerschaft gegenseitig auch Freiräume und eigene Bereiche zugestanden haben (die es beispielsweise in Ordnung finden, wenn jeder seinen eigenen Interessen nachgeht und eigene Entscheidungen trifft). Autonomie und Verbundenheit spielen eng zusammen; ein gewisses Maß an zugestandener Autonomie scheint für die langfristige Erhaltung der Verbundenheit unerlässlich zu sein (vgl. die” bezogene Individuation “bei Stierlin et al., 1992).

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Abb. 3: Verläufe der Zugewandtheit in Abhängigkeit von der partnerschaftlichen Selbständigkeit

Im Umgang mit Konflikten zeigen sich geschlechtstypische Unterschiede: Wenn Männer sich bereits vor der Geburt des ersten Kindes in der Beziehung zu sehr eingeengt fühlen, werden sie im Laufe der Zeit zynisch oder ziehen sich zurück – was die Partnerin als besonders destruktives Verhalten empfindet. Wenn Frauen bereits in der Schwangerschaft die Zuwendung ihres Partners vermissen, machen sie ihm im Laufe der Jahre immer mehr Vorwürfe – was dieser als besonders dysfunktional erlebt.
 

Teil 2: Einflüsse auf die kindliche Entwicklung

Betrachten wir nun die umgekehrte Einflussrichtung. Wie sollten Partnerschaften beschaffen sein, damit sich Kinder möglichst gut entwickeln können?

Lange Zeit wurde in der Forschung hauptsächlich die Mutter-Kind-Beziehung untersucht, um zu erklären, wie sich Kinder entwickeln. Doch die Partner sind die Architekten des Familiensystems, wie Virginia Satir (1982) ausführt. Sie bilden das Fundament der gesamten Familie und bestimmen nicht nur maßgeblich, welche Entwicklung ihre Partnerschaft nimmt, sondern auch wie sich die Eltern-Kind-Beziehung und die Kinder entwickeln (vgl. Abb. 1).

Welche Merkmale von Partnerschaften sind einflussreich?

In der Forschung besteht mittlerweile Einigkeit darin, dass es für Kinder eine große Belastung darstellt, wenn ihre Eltern viele Konflikte haben und destruktiv damit umgehen. Relativ unerforscht ist dagegen die Rolle, die die Positivität der Partner für eine gelungene Entwicklung ihrer Kinder spielt und welche Partnerschaftsmerkmale besonders wichtig für Kinder sind.

In der vorliegenden Studie haben sich zwei Aspekte partnerschaftlicher Positivität als besonders bedeutsam herauskristallisiert (vgl. Abb. 4): die Zugewandtheit und Selbständigkeit der Partner – also die gleichen Merkmale, die im Übergang zur Elternschaft auch die besten Schutzfaktoren für die Partnerschaft darstellen (siehe Teil 1). Eltern sollen ihren Kindern Wurzeln und Flügel geben. Offenkundig helfen die partnerschaftliche Zugewandtheit auf der einen und die zugestandene Autonomie auf der anderen Seite bei dieser doppelten Aufgabe.

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Abb. 4: Die Bedeutung unterschiedlicher Partnerschaftsmerkmale für die kindliche Entwicklung

Es zeigt sich: Kinder brauchen mehr als die Abwesenheit von destruktiven Konflikten. Das in der Partnerschaft vorherrschende emotionale Klima (” Zugewandtheit “) hat für Kinder einen größeren Einfluss als der Umgang mit Konflikten oder die Konflikthäufigkeit. Kinder sind wie ein Barometer für die Stimmungen im Familiensystem und spüren die emotionale Atmosphäre, die Zuhause vorherrscht, sehr genau. Sie bemerken abwertende Blicke oder verächtliche Gesten zwischen den Eltern, auch ohne dass Meinungsverschiedenheiten offen ausgetragen werden. Wenn es Paaren gelingt, heftige Auseinandersetzungen durch ein hohes Maß an liebevoller Zuwendung und Wärme auszugleichen, macht das die nachteiligen Folgen der Konflikte nicht nur für die Partnerschaft (vgl. Gottman, 1994), sondern auch für die Kinder wieder wett.

Wie beeinflusst die Paarbeziehung die kindliche Entwicklung?

Wie in Abbildung 1 ersichtlich ist, lassen sich theoretisch zwei Wege ausmachen. Ein direkter (Paar –> Kind) und ein indirekter, der über die Erziehung läuft (Paar –> Erziehung –> Kind). Beide Wege werden in der vorliegenden Studie bestätigt.

(a) Direkte Beeinflussung

Wie bereits ausgeführt: Kinder spüren das zwischen den Partnern vorherrschende Klima – auch jenseits konkreter Erziehungspraktiken – sehr genau. Hier haben die Eltern Vorbildfunktion. Wenn Eltern liebevoll miteinander umgehen und Konflikte konstruktiv bewältigen, können Kinder viel über gegenseitige Unterstützung, Hilfsbereitschaft, Kooperation und konstruktive Konfliktlösung lernen.

(b) Indirekte Beeinflussung über die Erziehung

Der zweite Weg läuft über die Erziehung. In der Forschung werden hier zwei gegensätzliche Prozesse diskutiert:

  • “Spillover” : Partnerschaftsprobleme “übertragen” sich negativ auf das Erziehungsverhalten (negativer Spillover), während Eltern mit glücklicher Partnerschaft ihre Elternrolle besser erfüllen können (positiver Spillover).
  • Kompensation: Die Eltern versuchen, die Kinder aktiv von Eheschwierigkeiten abzuschirmen und nachteilige Folgen wieder wett zu machen (kindzentrierter Ausgleich) bzw. wenden sich dem Kind zu, um einen Ausgleich für das zu haben, was sie in der Partnerschaft vermissen (elterliches Eigeninteresse).

Ein wichtiger Befund soll gleich vorweggenommen werden: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Partnerschaftsprobleme durch ein besonders günstiges Erziehungsverhalten kompensiert werden können! In Abbildung 5 sind die zentralen Ergebnisse veranschaulicht.

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Abb. 5: Spillover und Kompensation

  • Väter und Mütter schöpfen aus einer glücklichen Partnerschaft Kraft für die Herausforderungen der Elternschaft und können kompetenter mit ihrem Kind umgehen (Positiver Spillover).
  • Vermissen Paare dagegen die Zuwendung des Partners, so beeinträchtigt das die elterliche Kompetenz (Negativer Spillover) und mündet außerdem in eine überfürsorgliche Haltung dem Kind gegenüber – die Eltern sind überängstlich um das Wohl ihres Kindes besorgt und übersehen aus eigenen Nähebedürfnissen heraus die Bedürfnisse des Kindes (Eigennützige Kompensation). So gesehen stehen “eigennützige Kompensationsversuche” einer feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmten Erziehung im Weg und können daher als eine Form negativen Spillovers verstanden werden.

Welche Rolle spielen die Väter?

  • Interessanterweise erachten Väter ihren erzieherischen Einfluss auf ihr Kind als sehr viel geringer als den ihrer Partnerin. Aus Sicht beider Eltern ist es in diesen ersten Jahren die Erziehungskompetenz der Mutter, die für eine günstige Entwicklung des Kindes maßgeblich ist (vgl. Abb. 5). Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass bei den Paaren dieser Studie die Mütter die Hauptbezugspersonen für die Kinder waren, während die Väter weiterhin ihren Beruf ausübten.
  • Sind berufstätige Väter also überflüssig? – Ganz und gar nicht. Doch in der ersten Zeit ist ihr Beitrag zur kindlichen Entwicklung eher indirekt: je besser sie sich um ihre Partnerin kümmern, sie unterstützen und die Beziehung zu ihr liebevoll gestalten, desto besser entwickelt sich ihr Kind!

Unterschiede zwischen Vätern und Müttern

  • Positive Spilloverprozesse finden in stärkerem Umfang bei Müttern statt. Wenn sich die Paarbeziehung langfristig wieder verbessert, scheinen nur Mütter die neu gewonnenen Kräfte in ihre Kinder zu investieren (vgl. Abb. 6).
  • Während Mütter vor allem aus der Partnerschaft Kraft für ihre Erziehungsaufgabe schöpfen, sind bei Vätern individuelle Beziehungsfertigkeiten (soziale Kompetenz, Einfühlungsvermögen, geringe Verletzbarkeit) dafür ausschlaggebend, ob und wie viel sie im Laufe der Jahre in ihrer Elternrolle dazulernen.
  • Vätern gelingt es weniger gut als Müttern, negative Spilloverprozesse zu verhindern. Die Einbußen an partnerschaftlicher Zugewandtheit in den ersten Jahren der Elternschaft führen nur bei Vätern zu Einbrüchen der elterlichen Kompetenz (negativer Spillover, vgl. Abb. 6).
  • Mütter dagegen sind in der Lage, ihre Kinder davor abzuschirmen – d.h. bei den Müttern finden sich auch Anhaltspunkte für “uneigennützige” Kompensationsversuche. Kindzentrierte Kompensation kann von daher am besten als Verhinderung negativen Spillovers verstanden werden.

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Abb. 6: Zusammenhänge zwischen Partnerschafts- und Kindesentwicklung

Wenn sich Kinder trotz hoher Zugewandtheit der Partner nicht optimal entwickeln:

Bei den Kindern der Untersuchungsteilnehmer lassen sich unterschiedliche Entwicklungswege ausmachen. Einige Kinder werden trotz eines guten Starts ins Leben im Laufe der Jahre immer schwieriger (vgl. Abb. 7, blaue Linie). Was ist in diesen Familien anders als in den Familien der Kinder, die “auf der Sonnenseite” bleiben (grüne Linie)?

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Abb. 7: Verläufe der kindlichen Emotionalität

Damit sich Kinder auch langfristig positiv entwickeln können, müssen mehrere Schutzfaktoren zusammenkommen. Ein positives Partnerschaftsklima ( “Zugewandtheit” ) allein ist offenkundig nicht ausreichend – wenngleich es für die guten Startbedingungen verantwortlich ist. Die Partner sollten einander nicht nur zugetan sein, sondern sich auch Freiräume zugestehen. Verbundenheit und Autonomie erweisen sich somit gleichermaßen als “Motoren” für eine gelungene Partnerschafts- und Kindesentwicklung. Darüber hinaus verfügen die Eltern der Kinder, die sich stabil-positiv entwickeln, über bessere Beziehungsfertigkeiten und Erziehungskompetenzen. Beispielsweise haben sie ein gutes Gespür dafür, wie es ihrem Kind gerade geht, und es gelingt ihnen besser, es zu beruhigen, wenn es sich aufregt.

Fazit

Damit Kinder eine positiv begonnene Entwicklung auch langfristig fortsetzen können, müssen Stärken auf Persönlichkeits-, Paar- und Elternebene zusammenkommen. Ungünstige Bedingungen auf mehreren Ebenen führen dagegen zu einer besonderen Gefährdung der Kinder. Durch das Zusammentreffen der genannten Einflussfaktoren lässt sich der Entwicklungsverlauf der Kinder mit 80-90prozentiger Genauigkeit korrekt vorhersagen.

Die Befunde unterstreichen eindrücklich, dass der partnerschaftlichen Autonomie ein sehr viel stärkeres Gewicht beizumessen ist, als in der Forschung bislang deutlich wurde.

Angebote für Familien

Drei Bereiche haben sich in der Studie “Wenn Paare Eltern werden” als besonders wichtig für eine gelungene Entwicklung von Paaren und Kindern herauskristallisiert. Wie können diese Bereiche gefördert werden?

  1. Förderung der partnerschaftlichen Zugewandtheit
    Am besten schon vor der Geburt des ersten Kindes, z.B. durch das EPL (Ein Partnerschaftliches Lernprogramm, Thurmaier, Engl & Hahlweg, 1995), in dem Paare Kommunikationsfertigkeiten trainieren können und wertvolle Hinweise zur Beziehungs- “pflege” erhalten.
  2. Förderung der Autonomie in der Partnerschaft.
    Diesem Bereich wurde bislang im Rahmen familiärer Prävention weit weniger Beachtung geschenkt. Paare sollten über die Bedeutsamkeit der Autonomie informiert und zum Austausch über Freiräume in der Beziehung sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Verwirklichung persönlicher Ziele angeregt werden.
  3. Förderung der Erziehungskompetenz
    Am besten so früh wie möglich (z.B. van den Boom, 1995). Die Förderung der elterlichen Selbstwirksamkeit ( “ich weiß, was ich tun kann, um z.B. mein Kind zu beruhigen” ) sowie der Elternallianz (die gegenseitige Unterstützung bei der Erziehung) sind zentral. Für Familien mit Kindern ab drei Jahren kommt das Präventionsprogramm “Familienteam” (Graf & Walper, 2002) in Frage.

Die Ergebnisse der Studie konnten hier nur auszugsweise und stark vereinfacht vorgestellt werden. Umfassendere Informationen liefert das Buch zur Studie, das 2002 erschienen und über den Buchhandel erhältlich ist (Graf: Wenn Paare Eltern werden. Beltz-Verlag).

Literatur

  • Belsky, J. (1981). Early human experience: A family perspective. Developmental Psychology, 17, 3-23.
  • Belsky, J. (1991). Ehe, Elternschaft und kindliche Entwicklung. In A. Engfer, B. Minsel & S. Walper (Hrsg.), Zeit für Kinder! Kinder in Familie und Gesellschaft (S. 134-159). Weinheim: Beltz.
  • Graf, J. & Walper, S. (2002). Familienteam – Das Miteinander stärken. Kursleitermanual für den Elternkurs: Department Psychologie: Ludwig-Maximilians-Universität München.
  • Gottman, J. M. (1994). What predicts divorce? The relationship between marital processes and marital outcomes. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.
  • Reichle, B. (1994). Die Geburt des ersten Kindes – eine Herausforderung für die Partnerschaft. Verarbeitung und Folgen einer einschneidenden Lebensveränderung. Bielefeld: Kleine.
  • Schneewind, K. A., Vaskovics, L. A., Backmund, V., Buba, H., Rost, H., Schneider, N., Sierwald, W. & Vierzigmann, G. (1992). Optionen der Lebensgestaltung junger Ehen und Kinderwunsch. Verbundstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Senioren. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Satir, V. (1982). Selbstwert und Kommunikation (5. Aufl.). München: Pfeiffer.
  • Stierlin, H., Rücker-Embden, I., Wetzel, N. & Wirsching, M. (1992). Das erste Familiengespräch. Theorie, Praxis, Beispiele (6. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Thurmaier, F., Engl, J. & Hahlweg, K. (1995). Ehevorbereitung – Ein partnerschaftliches Lernprogramm (EPL). Handbuch für ausgebildete Kursleiter. München: Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie.
  • van den Boom, D. C. (1995). Do first-year intervention effects endure? Follow-up during toddlerhood of a sample of Dutch irritable infants. Child Development, 66, 1798-1816.

Autorin

Johanna Graf ist Familienpsychologin und Wissenschaftliche Assistentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie arbeitet als Psychologische Psychotherapeutin mit Paaren, Eltern und Familien.

Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Persönlichkeitsentwicklung im Kontext der Familie, Emotionale Regulation in Familien, Prävention für Paare, Eltern und Familien.

Aktuelles Forschungsprojekt ist die Evaluation des Präventionsprogramms “Familienteam” .

Weitere Beiträge der Autorin hier in unserem Familienhandbuch

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Dr. Johanna Graf
Department Psychologie
Ludwig-Maximilians-Universität München
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Erstellt am 27. Februar 2004, zuletzt geändert am 7. April 2010