Konzentration – der Schlüssel zum Schulerfolg

Detlef Träbert
Träbert Porträt-2017

Ausgehend von drei Fallbeispielen wird der psychologische Fachbegriff „Konzentration“ definiert. Bewegung wird als eines der wesentlichen Mittel benannt, um bewusste Aufmerksamkeit bei Hausaufgaben und Lernen aufzubringen, selbst wenn eine eher ablehnende Haltung gegenüber den Aufgaben besteht. Darüber hinaus nennt der Beitrag Trainingsmöglichkeiten zur Stärkung der kindlichen Konzentration und verrät einige sehr effiziente „Tricks“ für ihre Stärkung.

Michelle (5. Klasse) sitzt während der Hausaufgaben vor ihrem aufgeschlagenen Heft, kaut am Füller, den Kopf in die Hand gestützt, und schaut ins Buch. Ob sie die Aufgaben dort rechnet oder ob sie sie überhaupt wahrnimmt, kann man ihr nicht ansehen.

Daniel (3. Schuljahr) hampelt bei den Hausaufgaben ständig herum. Er schaukelt mit dem Stuhl, setzt sich manchmal auf sein rechtes Bein und findet immer einen Vorwand, ins Bad oder in die Küche zu laufen. Bei kurzen Diktaten kann er nie abwarten, bis ein Satzabschnitt zu Ende gesprochen ist, sondern schreibt immer schon beim ersten Wort – und weiß dann oft nicht weiter.

Sema, ein türkisches Mädchen im 4. Schuljahr, ist sehr fleißig. Bei Textaufgaben in Mathematik hat sie allerdings große Schwierigkeiten. Sie liest sie durch, rechnet schnell und schreibt eine Lösung hin, die meistens mit der Aufgabe nichts zu tun hat. Wenn die Lehrerin ihr das sagt, stützt sie den Kopf in die Hand und schaut ratlos. Die Lehrerin gibt ihr Hilfen, Sema bemüht sich, reibt sich dabei die Augen und gähnt. Oft sagt sie: „Ich bin zu dumm für Mathe“ oder „Mathe lerne ich nie.“ (Vgl. Träbert 2020, S. 15).

Was ist Konzentration?

Die Konzentrationsfähigkeit bildet den Schlüssel für erfolgreiches Lernen. Doch bei mehr als 50 % aller Grundschulkinder werden Konzentrationsmängel beklagt, und auch in weiterführenden Schulen ist noch mehr als jedes dritte Kind davon betroffen.

Nahezu alle Eltern fordern bei den Hausaufgaben immer wieder Aufmerksamkeit ein, doch Mahnungen helfen nicht. Dafür gibt es (mindestens) einen guten Grund: Parallel zur nachlassenden Konzentration sinkt nämlich der Blutdruck ab. Sicher kennen Sie dieses Gefühl aus eigener Erfahrung. Vielleicht legen Sie dann die Füße hoch und trinken einen Kaffee oder gar ein Gläschen Sekt. Mit einem „Jetzt reiß’ dich doch mal zusammen!“ jedenfalls kommt Ihr Kreislauf kaum wieder in Schwung – und der Ihres Kindes gleichfalls nicht. Wie kommt es zu dieser Blutdruck-Absenkung?

Wenn wir uns konzentrieren, richten wir unsere Aufmerksamkeit willentlich voll und ganz auf die Aktivität, um die es gerade geht. Gleichzeitig schalten wir alle äußeren (z.B. Geräusche) und inneren Reize (z.B. Gedanken) aus, die uns dabei stören. Das ist eine Leistung unseres Organismus, die ein erhebliches Maß an Energie verbraucht, so dass wir nach einer gewissen Zeitspanne ermüden – der „innere Akku“ verliert relativ rasch an Spannung. Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne von Schulkindern beträgt etwa

  • 15 Minuten bei 5- bis 7-Jährigen,
  • 20 Minuten bei 8- bis 9-Jährigen,
  • 25 Minuten bei 10- bis 12-Jährigen und
  • 30 Minuten bei Älteren.

Konzentration meint die Fähigkeit, unser Wahrnehmen, Denken und Handeln mit Hilfe willentlich gesteuerter Aufmerksamkeit auf einen eng begrenzten Bereich der Umwelt zu bündeln, um sich ganz einer Sache oder Person zu widmen.

Dabei werden Störfaktoren in Form von inneren (z. B. Hunger, Frösteln, Gedanken) oder von äußeren Reizen (Ablenkungen aller Art) weitgehend ausgeschaltet.

Bewegung verbessert die Konzentration

Wenn uns eine Aktivität Spaß bereitet, gibt es kein Konzentrationsproblem. Wer gerne einen spannenden Roman liest, kann völlig in der Lektüre versinken und stundenlang schmökern.  Sogar Kinder mit einem „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (ADS oder ADHS, wenn auch Hyperaktivität im Spiel ist) vermögen  Aufmerksamkeit aufzubringen für das, was Ihnen Freude macht. Stress allerdings, der für manche Kinder verstärkt mit dem Rechtschreiben oder den Textaufgaben in Mathematik verbunden ist, verkürzt die Aufmerksamkeitsspanne erheblich. Dann ist der „Akku“ ladebedürftig und eine clevere Pausenstrategie das Mittel der Wahl, um erfolgreich in der oder für die Schule zu arbeiten.

Dazu gehört Bewegung, denn nur die hält unseren Blutdruck auf Aktivitätsniveau. Wenn das Kind bei den Hausaufgaben alle fünf Minuten eine bewegte Mini-Pause von einer Minute einlegt, kann es eine halbe Stunde lang mit insgesamt deutlich höherer Arbeitsleistung verbringen. Dann sollte es eine Fünf-Minuten-Pause machen, bevor es die nächste halbe Stunde weiterarbeitet. Wer noch mehr Lernleistung erbringen soll, profitiert nach einer Stunde von einer Art „Hofpause“, bei der man 20-30 Minuten ganz anderen Dingen nachgeht und vielleicht sogar kurz das Haus verlässt.

Aber welche Bewegungsübungen taugen denn für die kurze Minuten-Pause? Zum Beispiel diese hier, die man auch miteinander kombinieren kann:

  • Strecke sitzend die Beine in die Luft und lasse die Füße kreisen: zehnmal rechts herum, dann links herum, dann in entgegengesetzte Richtungen.
  • Kreise mit beiden Schultern zehnmal vorwärts, dann zehnmal rückwärts.
  • Boxe mit beiden Fäusten ein paarmal seitwärts, vorwärts, nach oben und nach unten in die Luft.
  • Recke die Arme in die Höhe und stelle dir vor, du versuchst mit beiden Händen abwechselnd nach Äpfeln zu greifen, die ganz oben in einem Baum hängen.

Sicher fallen Ihrem Kind selbst noch weitere lustige Bewegungsmöglichkeiten ein. Wichtig ist nur, dass die Pause nach einer Minute konsequent beendet wird, denn sonst verliert man die Zeitersparnis, die sich nur bei Mini-Pausen ergibt. Die Stoppuhr im Handy oder Mutters Eieruhr helfen dabei.

Hyperaktive, sehr lebhafte Kinder brauchen andere Pausenübungen, die mit Kraftaufwand verbunden sind. Das aktiviert ebenfalls den Kreislauf, aber nicht den Bewegungsapparat. Ein Beispiel dafür:

Greife unter die Sitzfläche und ziehe so fest nach oben, als ob du die Stuhlkanten abbrechen wolltest. Atme trotz der Kraftanstrengung dabei fünfmal ein und aus, so locker es geht.
Dann schüttele die hängenden Arme kurz aus. Setze nun die Handballen seitlich von oben auf die Außenkanten der Sitzfläche und drücke dich kräftig hoch, aber ohne vom Stuhl abzuheben. Die Füße bleiben auf jeden Fall am Boden. Atme dabei wieder fünfmal ein und aus.

Die folgende Übung hilft sogar, wenn ein Kind während der Klassenarbeit vor lauter Stress nicht mehr weiß, was es gestern noch wusste:

Falte deine Hände. Liegt der Daumen der rechten oder linken Hand oben? –
Falte die Hände auf, aber halte die Handflächen aneinander und die Finger steif. Verdrehe die Handflächen nun so gegeneinander, dass jetzt der andere Daumen oben liegt, und falte die Hände erneut, also ‚verkehrt‘. Das fühlt sich zunächst ungewohnt an. –
Knete die gefalteten Hände dreimal. Falte nun die Hände wieder normal und knete sie gleichfalls dreimal. - Falte die Hände 20 x hin und her und knete sie jeweils dreimal!

Konzentration lässt sich trainieren

Jeder, der Sport betreibt, weiß aus eigener Erfahrung: Training bringt nach und nach Leistungsverbesserungen. Das ist mit der Konzentration bei Hausaufgaben und Lernen nicht anders. Um sie bei Kindern grundsätzlich zu stärken, sind Fördermaßnahmen auf mehreren Ebenen möglich:

  • Spezielle Spiele wie „Differix“ oder „Schau genau“ (Ravensburger) fördern die Konzentration beim Tun („Funktionstraining“). Allerdings nützen sie nicht viel, wenn Kümmernisse, Sorgen, familiäre Probleme, Ängste etc. ursächlich für die Probleme sind.
  • Alle Spiele und Materialien, die die Sinne anregen, fördern auch die Konzentration: Puzzles und Memory, Gesellschaftsspiele, aber auch jedes Malen und Basteln, Bewegungsspiele an der frischen Luft, Toben, Klettern und Balancieren.
  • Entspannungsübungen, Phantasiegeschichten und Traumreisen sind vor allem für die nervösen, ängstlichen oder offenkundig gestressten Kinder hilfreich.

Elektronische Spiele am PC oder Smartphone erfordern ebenfalls Konzentration, sind aber dennoch weniger für das Training geeignet. Warum? Weil die meisten nur Reaktion verlangen und kein Überlegen oder strategisches Denken. Bei „Differix“ oder „Schau genau“ hingegen lernt man, planvoll vorzugehen und übt Denkstrategien ein.

Konzentrations-„Tricks“

Ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass Sie sich besser konzentrieren können, wenn es Ihnen gut geht? Genau das ist der Grund, weshalb wir darauf achten sollten, dass Schulkinder sich beim Arbeiten wohlfühlen. Anregungen für die Sinne helfen dabei.

Farben beeinflussen uns sehr
Vanille- und Ockertöne wirken auf die meisten Menschen lernauffordernd, weil sie Heiterkeit und Wärme vermitteln. Himmelblau weckt die Kreativität, denn wir verbinden Harmonie und Stille damit. Rot-orange steht für Dynamik und Lebhaftigkeit, was Kinder mehr aktivieren kann.

Ein einfarbiges Wachstuch in der Lieblingsfarbe des Kindes kann als Tischdecke am häuslichen Arbeitsplatz die Konzentration erheblich verbessern. Auf einem Schreibtisch kommt man besser mit einer entsprechenden Klebefolie zurecht.

Der Geheimtipp aber ist ein kreisrund aus einem Tonpapierbogen im DIN A-1-Format ausgeschnittenes Plakat, das man gegenüber dem Arbeitsplatz an der Wand anbringt. So wird der Blick beim Aufschauen von diesem großen Farbkreis in der Lieblingsfarbe des Kindes „gefangen“ und es bleibt länger konzentriert.

Musik fördert das Wohlbefinden und hebt die Stimmung
Bei guter Laune sind wir motivierter und lassen uns eher auch auf unliebsame Tätigkeiten ein. Vor allem Routinearbeiten gehen uns dann leichter von der Hand. Zum anderen spricht Musik die rechte Hirnhälfte (Hemisphäre) an, die für Klänge, Farben und Formen, Bilder, Vorstellungen und ganzheitliches Denken zuständig ist. Damit ergänzt sie die linke Hemisphäre, deren Stärken die Logik, Sprache, das Zählen sowie regelgeleitetes und lineares Denken sind. Erst im Zusammenwirken beider Hemisphären kann das menschliche Gehirn seine volle Leistungsfähigkeit entfalten.

Und schließlich kann Musik der Entspannung dienen
Im Zustand entspannter Wachheit ist unser Gehirn am aufnahmefähigsten. Diesen Zustand unterstützt solche Musik, die einen ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus von 60-70 Schlägen pro Minute aufweist, was unserem Ruhepuls entspricht. Außerdem sollte sie harmonisch klingen. Diese Bedingungen werden von langsamen Musikstücken aus Barock und Klassik erfüllt (z.B. Largos von Bach, Händel, Mozart u. a.), aber auch von Rockballaden oder New-Age-Musik. Der persönliche Geschmack ist entscheidend.

Bei Routinetätigkeiten kann allerdings auch rhythmisch-lebhafte Musik hilfreich sein – einfach ausprobieren!

Düfte hinterlassen manchmal intensivere Erinnerungen als Bilder
Angenehme Gerüche von Räucherstäbchen oder –hütchen, Duftkerzen, Aromalampen, ätherischem Öl (auf einen Duftstein geträufelt) oder Blumen können das Wohlbefinden erheblich steigern.

Bewegung ist nicht nur in Pausen nützlich, sondern kann auch das Lernen direkt unterstützen

  • Vokabeln, Einmaleins und ähnliche Inhalte kann man beim Ball-an-die-Wand-Spiel, beim Seil- oder Trampolinspringen oder beim Hantelstemmen üben.
  • Wenn Sie Ihr Kind abfragen, werfen Sie einen (weichen) Ball im Frage-Antwort-Rhythmus hin und her. Macht Ihr Kind einen Fehler, dürfen Sie es auch mal damit abwerfen …
  • Inhalte aus Sachtexten kann man leichter lernen, wenn man gehend liest und zwischendurch immer wieder den Kopf hebt, um mit eigenen Worten das Gelesene zu wiederholen.
  • Ein Kind, das beim Schreiben unruhig sitzt, darf (wenigstens zeitweise) im Stehen schreiben. Geeignete Stehpulte kann man kaufen oder (nach einer kostenlosen Anleitung aus dem Baumarkt) selbst bauen.

Ist ein Kind jedoch grundsätzlich „konzentrationsschwach“ und erreicht fast nie die normale Aufmerksamkeitsspanne, ist gründliche Diagnostik nach Überweisung durch den Haus- oder Kinderarzt in einer sozialpädiatrischen Abteilung der Kinderklinik erforderlich, um Ursachen und geeignete Fördermaßnahmen herauszufinden.

 

Gott, gib mir die Gelassenheit,

Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

                                            („Gelassenheitsgebet“, Reinhold Niebuhr)

Literaturverweis

Detlef Träbert: Konzentration – der Schlüssel zum Schulerfolg, Dreieich (MEDU Verlag) 2020, 188 S., € 14,95

Weiterführende Literatur

  • Detlef Träbert (2016): Das 1x1 des Schulerfolgs, Weinheim (Beltz)
  • Rosemarie Portmann (2016): Die 50 besten Spiele für mehr Konzentration, München (Don Bosco Medien)
  • Stefanie Rietzler, Fabian Grolimund (2019): Clever lernen, 3. Aufl., Göttingen (Hogrefe)

Weitere Beiträge des Autors hier in unserem Familienhandbuch

Autor

Detlef Träbert ist nach 18 Jahren als Lehrer und Beratungslehrer in Baden-Württemberg seit 1996 freiberuflich tätig. Der Diplom-Pädagoge betreibt seinen Schulberatungsservice Schubs® in Köln, von wo aus er Elternvorträge und –workshops sowie Fortbildungen für ErzieherInnen und Lehrkräfte in ganz Deutschland anbietet.

Er ist Autor zahlreicher Bücher im pädagogischen Bereich und seit 2016 Ehrenvorsitzender der Aktion Humane Schule e.V.

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eingestellt am 14. April 2020